röcke getragen, und frühere Zeitalter weisen zum Theil mehr Männer-als Weiberschmuck auf.Unter anderen wurde dem Redner in der Diskussion auch derVorwurf gemacht, er hätte seine Studien zu sehr auf das moderneWeib beschränkt, anstatt auch das Weib in primitiven Urzuständenzu beobachten. Allerdings eine schwierige Sache!Wir stehen der Versuchung nahe, noch manches andere in derDiskussion gefallene Wort hinzuzufügen, glauben aber ohnehin dengebührlichen Raum schon überschritten zu haben, weswegen wir dieweitere Kritik dem Leser überlassen müssen.Herrn Or. Panizza aber empfehlen wir die Lektüre eines imersten Junihefte der„Neuen Zeit" erschienenen Aufsatzes von E. Gystrow:„Die Nachfrage beim Dirnenkauf. Ein Beitrag zur Psychologie derProstituirenden", sowie eines anderen in den„Bayreuther Blättern"(1893, III.— IV. Stück) von A. Velleman:„Zur ethischen Beurtheilungder Meinungskonsumption, insbesondere der Mode." Herr I)r. Panizzawird dort über Prostitution und Mode vielleicht manches finden,was ihn interessirt. Or. Allan Menvento.Aus der Bewegung.Von der Agitation. In der Wahlbewegung war Genossin Zietz-Hamburg thätig in Schleswig-Holstein, der Rheinprovinz undWestfalen. Anfangs Mai fanden Volksversammlungen statt mit derTagesordnung:„Die Wichtigkeit der bevorstehenden Reichstagswahlen"in Itzehoe, Wilster, Rendsburg, Bütelsdorf, Eutin undSegeberg. Die Versammlungen waren sehr gut besucht, ja zumTheil überfüllt, und mit Begeisterung wurden die Ausführungen derReferentin aufgenommen. Ueberall versprachen die Anwesenden, mitaller Kraft für die sozialdemokratischen Kandidaten einzutreten. Vom23. Mai bis 16. Juni sprach Genossin Zieh über das angegebeneThema in Volksversammlungen in Köln, Kalk, Nippes, Mülheim a. Rhein, Mülheim a. Ruhr, Duisburg, Dümpden,Haarzopf, Krefeld, Aachen, Euskirchen, Dünwaldt, Neuwied, Kreuznach, Essen, Elberfeld, Barmen und Düsseldorf. Auch hier waren die Versammlungen gut besucht, an manchenOrten überfüllt. Letzteres war z. B. der Fall in Köln, wo wir leiderkein allzugroßes Lokal zur Verfügung haben, und in Aachen, wo vordem Saale fast ebenso viele Zuhörer standen, als drinnen anwesendwaren. In Duisburg war der große Saal der Schützenburg bis aufden letzten Platz besetzt. In Mülheim a. d. Ruhr, wo. Genossin Zieham 2S. Mai sprach, wurde aus der Mitte der Versammlung der„Pfui, Du bist schlecht!" hörte sie eine Stimme sagen undnun war sie selbst wieder ein kleines Mädchen und Blanche vonSaldern stand vor ihr und sah sie mit zürnenden Blicken an.Aber es war nicht mehr Blanche, das Kind, es war eine Lichterscheinung, war jene Jdealgestalt, die ihr Jahre lang als Inbegriffalles Reinen und Edlen vorgeschwebt.„Pfui, Du bist schlecht!" Sie schüttelte den Kopf und strecktewie abwehrend die Arme aus:„Nein, nein, ich nicht, kleine Blanche!Ich nicht! Ich habe Dich nicht belogen,— aber er— er betrügtDich! Du kettest Dich an einen Betrüger und das— das darfnicht sein."„Nein, das darf nicht sein!"— wiederholte sie flüsternd.„Er soll sie nicht auch in seinen Schmutz hinabreißen. Ich werdees verhindern— ich! Noch einmal will ich ihr die Wahrheit lehren,aber diesmal soll sie es mir danken. Das ist die Sühne unddann der Tod— der Tod."— Ihre Stimme erstarb in einemMurmeln, sie schlief ein. Aber die Idee blieb trotzdem fest inihrer Seele haften. Sie hatte schließlich keinen anderen Gedankenmehr, als an dieses Letzte, das noch zu thun ihr nöthig schien.Es war, als hätte die Aufgabe, die sie sich damit gestellt, belebende Kraft. Sie erholte sich zusehends, sie gab sich Mühe,gesund zu iverden, um ihrer Buße und dem Tode näherzu sein.Und nun war der Tag gekommen, an dem man sie entließ.Mit ihrem Kinde im Arme stand sie vor der Thür des Hospitalsin der Lützowstraße, durch die der Dezemberwind große Schneeflocken trieb. Zuerst stand sie zögernd, dann aber flammte eineharte Entschlossenheit über ihr schönes Gesicht. Mit raschen Schritteneilte sie dem in der Keitstraße gelegenen Heim ihrer einstigenGespielin zu.Das Mädchen, welches ihr öffnete, maß sie mit erstauntenBlicken. Das bleiche Weib mit dem kleinen Kinde schien ihr alsWunsch laut, die Rednerin möge am ersten Pfingstfeiertag nochmalsdas Referat übernehmen, da dann ein großer neuerbauter Saal zurVerfügung stände. Genossin Zieh versprach dies unter der Bedingung,daß die gegnerischen Kandidaten eingeladen würden. Schon vor derfestgesetzten Zeit am ersten Feiertag waren beide Säle überfüllt, undHunderte mußten wegen Platzmangels wieder umkehren. Viele warenauf die hinter dem Fenster befindlichen Bäume geklettert. Von denGegnern war keiner in der Versammlung erschienen, trotz der Einladung per eingeschriebenen Briefes. Der Nationalliberale Möller entschuldigte sich per Telegramm, der Zentrumskandidat Peter Molzbrieflich, er schützte Zeitmangel als Grund seines Ausbleibens vor.Der Antisemit Or. König, der ebenfalls abschlägig antwortete, begründete dies unter Anderem damit, daß er doch die Rednerin nichtbekehren könne, und diese ebenso wenig ihn. Genossin Zieh unterzog das Verhalten der verschiedenen Parteien, sowie die Feigheil dergegnerischen Kandidaten einer scharfen Kritik und forderte zur rastlosen Agitation für die Sozialdemokratie auf. In Euskirchen undDünwaldt mußten die Versammlungen unter freiem Himmel stattfinden, weil kein Lokal zu erhalten war. In Euskirchen waren trotzdes schlechten Wetters am zweiten Pfingstfeiertag ca. 7lX> Personenerschienen; in Dünwaldt, wo das Wetter günstiger war, hatten sichetwa lUlX) Personen versammelt, die den Ausführungen mit gespannterAufmerksamkeit folgten und durch lebhaften Beifall ihre Zustimmungbekundeten. In Düsseldorf, Elberfeld und Barmen waren auch dieFrauen zahlreich in den Versammlungen vertreten. In Essen hattelange vor Beginn der Versammlung die Polizei das Lokal gesperrt,so daß Viele wieder umkehren mußten. Alles in Allem zeigte dergute Versammlungsbesuch, sowie die begeisterte Stimmung an allenOrten, daß wir Schritt für Schritt dem Zentrum Terrain abgewinnen,und daß auch das schwarze Rheinland, wenn langsam, so doch sicherimmer mehr roth wird. I..Im Saalekreise und im Wahlkreis Zeitz hielt GenossinKähler- Wandsbeck vom 4. bis 24. Juni eine Reihe von Versammlungen zum Zwecke der Wahlagitation ab. Im Saalekreis alleinsprach die Referentin in 14 Versammlunge». Ueberall zeigten dieFrauen ein reges Interesse für den Wahlkampf und versprachen, mitaller Energie für den Sieg des sozialdemokratischen Kandidaten zuwirken. Wir hoffen, in nächster Nummer einen ausführlichen Berichtüber die Agitation der Genossin Kähler geben zu können.Besucherin ihres gnädigen Fräuleins offenbar nicht recht geheuer,dennoch wollte sie nachsehen, ob ihre Herrin zu sprechen sei.Und sie war zu sprechen; schon nach wenigen Minuten kehrtedie Zofe zurück und forderte Lene auf, sie zu begleiten. Sie tratin ein großes Erkerzimmer, das mit aller erdenklichen Pracht ausgestattet war, und mitten in dieser Pracht stand Blanche vonSaldern, blond, rosig, zart und wie als Kind auch heute wiederin duftige weiße Gewänder gehüllt. Sie trat Lene einen Schrittentgegen:„Sie wünschten mich dringend zu sprechen. Was—"„Ich bin Helene Burkhard." Die Besucherin sprach es leise,und ihre Stimme zitterte.Der Name fand offenbar keinen Widerhall in Blanche vonSalderns Herzen, sie maß die Sprecherin mit einem kühlen Blicke:„Ja, aber ich—"Lene trat näher:„Helene Burkhard. Wissen Sie nicht mehr?Wir haben einmal zusammen gespielt, da draußen bei Tegel—"Das Gesicht der schönen Blondine färbte sich dunkler:„Ich—ich erinnere mich— in der That— also Sie?— Aber was wünschenSie? Soll ich— eine Unterstützung?" Sie griff nach ihrer Börse.„Stein"— Lene richtete sich auf:„Warum ich kam? Weilich Ihnen danken wollte, Fräulein von Saldern. Ich war ein sehrschlechtes Mädchen damals, aber Sie— Sie haben mich beschütztvor dem Untergang, darum will ich nun meinerseits Sie beschützen."„Ich verstehe Sie nicht." Die junge Dame wich einenSchritt zurück.Lene achtete der abweisenden Geberde nicht, ihre Augen glühtenwie im Fieber:„Ja, ich will Sie schützen vor einem Schurken.Sie wollen Richard Dernburg Heirathen? Das— das darf nichtsein." Und als Blanche noch immer regungslos blieb:„HörenSie? es darf nicht sein!— er ist ein Lump— ein Betrüger—nicht Ihrer Liebe Werth!— Mit mir wollte er Sie betrügen—aber ich ging— ging, weil ich Sie nicht belügen wollte— nun