einer Dienerin der Frau in ihre Herrin verwandeln. Selbst unfrei und versflavt muß sie die Arbeitende als Unfreie in Fesseln schlagen, ihr Sein und Thun in enge Schranken bannen. Nur in einer Gesellschaft der befreiten Arbeit fann die Frau sich zur harmonischen Persönlichkeit entwickeln und als harmonische Vollnatur ausleben. Sicherlich auch hier nicht ohne heißes Ringen und Kämpfen um Klarheit über die Grenze ihrer Bethätigung in Haus und Welt. Aber ohne daß ihre Kämpfe unter dem Zwange brutaler äußerer Nothwendigkeiten stattfinden und durch sie entschieden werden.
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Will die Frau ohne Unterschied der Klassenstellung durch die Berufsarbeit nicht blos ihre soziale Gleichberechtigung erringen, sondern ein Mehr erobern: volles, freies Menschenthum, einen reichen, tiefen und harmonischen Lebensinhalt, so muß deshalb zum Kampfe für ihre soziale Befreiung durch die Arbeit der Kampf treten für die Befreiung der Arbeit selbst. So schließt sich der Ring. Die letzte Schlacht für das volle Menschthum des gesammten weiblichen Geschlechts wird nicht auf dem Gebiete der Frauenrechtelei geschlagen, sondern im proletarischen Klassenkampf gegen die Herrschaft des Kapitals. Nur Etappe, nicht Endziel ist für die den höchsten Idealen zustrebende Frau der Kampf für die soziale Gleichberechtigung der Geschlechter.
Aus der Bewegung.
Von der Agitation. Zur Förderung der politischen Organisation des Proletariats unternahm Genossin Zieß- Hamburg in der Zeit vom 19. November bis 13. Dezember eine Agitationstour durch die Provinz Hannover . Versammlungen fanden statt in Gelle, Peine , Han nover, Linden, Limmer, Sarstedt , Alfeld , Einbeck , Oste= rode, Goslar , Göttingen , Münden , Hameln , Bramsche , Quartenbrück, Nienburg ( Weser ), Walsrode , Hildesheim , Moritzberg und Bockenim. Die Referentin sprach über die Themata: „ Wer ist der Feind der Arbeiterklasse?"" Die Ursachen des proletarischen Klassenkampfes"," Der Kampf um die Volksrechte" und Die Gesetzgebung und das Volk". Die Versammlungen waren durchweg gut, zum Theil sogar sehr gut besucht, besonders auch von Frauen.
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Die Stimme der Freiheit.
Hus„ Sturm" von 1. H. Mackay.
Ich rufe euch, die ihr in Noth und Grauen Geboren seid und lebt: Ihr sollt mich schauen! Ich rufe, Mann, dich, der mit eherner Kraft Verhungernd Glück und Glanz dem Reichen schafft Laß ab die Hand vom Werk! Dich ruft mein Schrei: Erwache! Folge mir! und du bist frei! Und du, der du mich einst so heiß begehrt, Du hast im Dienst der Lügner dich verzehrt: Ich rufe dich sei mein! Von morgen an Bist unter Freien du ein freier Mann!"
Und dich, du Weib, du siehst in Noth und Gram Die Kinder sterben weißt du, wie es fam? Weil Hunger euch und Elend festgebannt, Griff sie des Todes immer gier'ge Hand! Ich will es stürzen, jenes feile Gold,
Dem ihr verkauft seid, folget mir und wollt!
Ich rufe nach euch Allen, die gebückt
Am Schein des Glückes ihr vorbei euch drückt! Warum habt ihr gelitten, daß verbannt Ich flüchtend irren muß von Land zu Land?
Ach, ihr verstießet euer eigenes Glück
Ich will bei euch sein: auf, ruft mich zurück!
Bei euch, die ich geliebt! Gebt Liebe mir,
Haß euren Feinden, und ich bin bei dir
Mein Volk, das ewig bis zum heut'gen Tag In Schmerz und Knechtschaft tief entwürdigt lag! Ich rufe heute dich zum letzten Mal: Ermanne dich! Nach allzu langer Qual
Nimm in die Hand die Fahne, die mein Zeichen, Laß flattern sie, und Alle werden weichen, Die dich und mich gebannt, verfolgt, entehrt Und zu euch wieder sich mein Antlitz kehrt Wenn über meinem Volk Ihr sie entrollt,
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An mehreren Orten meldeten sich eine ganze Anzahl Personen zum Beitritt zur Organisation, sowie zum Abonnement auf die Arbeiterpresse. Ueberall folgten die Anwesenden mit gespannter Aufmertsamkeit den Ausführungen. Besondere Freude bereitete es jedoch zu beobachten, wie die Frauen mehr und mehr nicht nur mit Aufmerksamkeit, sondern auch mit Verständniß den Vorträgen folgten, wie allerlei Zwischenrufe bekundeten. In Göttingen , wo eine Anzahl Studenten in der Versammlung anwesend waren, trat einer derselben der Genossin Ziez entgegen, und zwar wegen ihrer Stellungnahme zum Militarismus und Marinismus. Unter großem Beifall der Versammelten legte Genossin Zietz die Gründe klar, die uns zu dieser Stellungnahme veranlassen. In Bockenim trat ein konfuser freisinniger Konservenfabrikant als Gegner auf: Ihm wurde von Genossin Zietz und einigen Genossen am Orte gebührend heimgeleuchtet. L. Z.
I.
Die Entwicklungsgeschichte der Frau nimmt in der allgemeinen Menschheitsgeschichte, wie sie uns von Kindheit an überliefert wird, einen verschwindend kleinen Raum ein. Es ist vor Allem eine Geschichte der Kriege und daher eine der Männer, die wir unserem Gedächtniß haben einprägen müssen. Erst in neuester Zeit scheint sich fast unmerklich ein Umschwung vorzubereiten. Neben die politische tritt die Kulturgeschichte, neben die Thaten und Abenteuer der Fürsten und Helden des Schwertes tritt das Leben und Leiden des Volkes und seiner geistigen Führer. Der natürliche menschliche Egoismus hatte der Geschichtsschreibung einen Klassencharakter verliehen. Die Herrschenden und Gebildeten sahen über ihren Kreis nicht hinaus; wie man in den Feldzugsberichten nur von dem Heerführer als dem Sieger spricht, ihm allein Lorbeeren weiht und Denkmäler baut, und die Tausende, die eigentlich die Schlachten
1 Aus dem„ Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik"( 13. Band,
1. und 2. Heft) mit Bewilligung der Verfasserin.
Dann bin ich bei euch! Zaudert nicht und wollt! Was zögert ihr? Ich will euch Alles geben: Glück und Gerechtigkeit, Frieden und Leben. Nur wollt! Ruft mich und morgen bin ich da! Was habt ihr zu verlieren? Ich bin nah Und stehe wartend schon seid ihr bewehrt? Ist euer Herz gestählt, gezückt das Schwert? Tod oder Leben gilt es zu gewinnen
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Was laßt ihr nutzlos Tag auf Tag verrinnen?
Tod ist das Leben, das bis jetzt euch brach, Und Leben ist das Glück, das ich versprach! Doch ch' ihr nicht die fluchbeladne Welt, Die cuch betrog, bis auf den Grund gefällt, Kann ich nicht kommen! Hört ihr, wie sie tollt, Indessen ihr verschmachtet? Auf und wollt!
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Morgenwanderung.*
Und sie zogen aus, als zu einem Mörder, mit Stangen und Schwertern, ihn zu fahen; Hohepriester, Schriftgelehrte und Pharisäer... ( Und er saß täglich im Tempel bei ihnen und lehrete fie!) Nach Matthäi 26, 45.
mich dünkt: es war immer so! zu Zeiten Sokrates' wie zu Zeiten Jesu, zu Zeiten Galilei's wie zu Zeiten Luthers!.. Jost Seyfried.
Dämmerige Nacht lag über dem Land. Es war mild, fast warm. Anfang Mai. Ein mächtiger Thaufturm hatte sich erhoben und wogte seine Frühlingssehnsucht von den Bergen. Wie ein