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die einen tieferen Blick für die hinter ihnen und die vor ihnen liegende Menschheitsentwicklung haben, die Gerechtigkeit und Noth­wendigkeit gewisser Umwälzungen predigen, ehe irgend ein Anderer auch nur ihre Möglichkeit einzusehen vermag, so gewiß ist es auch, daß Fragen, die erst nach langer Zeit zur Lösung reif ſein wer­den, nicht schon Jahrhunderte vorher von einem Einzelnen in der Theorie gelöst werden können.

Trozdem hat Plato   dem weiblichen Geschlecht einen großen Dienst geleistet, indem er die Bedeutung der Frau als Mutter und die Pflicht des Staates, sie für ihren Naturberuf fähig und würdig zu machen, in eindringlicher Weise zum Ausdruck brachte.

Weniger eingehend hat sich Aristoteles   über die Stellung der Frauen ausgesprochen. Aber so wenig Plato ein Feminist nach modernen Begriffen war, so wenig war Aristoteles   der erste Anti­frauenrechtler, für den er oft gehalten wird. Wenn er sagt, daß die Herrschaft des Mannes über das Weib mit der Regierung einer obrigkeitlichen Person in einer freien Republik zu vergleichen sei, und wenn er erklärt, daß die eheliche nicht zugleich die ur­sprünglichste herrschaftliche Gesellschaft und das Weib nicht der Sklave des Mannes set, so war das gegenüber der thatsächlichen Stellung der griechischen Frau eine revolutionäre Ansicht. In der Frage der Erziehung stimmte er sogar mit Plato   überein, denn auch er forderte Musik und Gymnastik für beide Geschlechter. Einen höheren Begriff aber als Plato hatte er von der ehelichen Verbindung, denn er hielt strenge Monogamie für ihre höchste Form. Wenn er an anderer Stelle von den weiblichen Tugenden spricht und meint, ein Mann sei noch feige, wenn er so helden­müthig wäre, wie eine Frau, so erinnert dieser Ausspruch augen­fällig an den Platos, der im Hinblick auf die Seelenwanderung sagt, daß alle feigen und ungerechten Männer bei der Wieder­geburt wie billig" zu Weibern würden.

So konnten sich selbst die bedeutendsten Denker der Hellenen nicht von dem Einfluß ihrer Zeit und ihres Volkes befreien. Auch für sie war die Frau ein minderwerthiger Mensch.

S. 38.

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Aus der Bewegung.

Von der Organisation. Der Züricher   Arbeiterinnen­verein hielt nach dem für die Zeit vom Oktober 1897 bis Oktober 1898 veröffentlichten Thätigkeitsbericht 17 Vereinsversammlungen und 15 Vorstandssitungen ab. In zwei Vorträgen von Redakteur Brandt und Pfarrer Pflüger wurden die Anstellung weiblicher Fabrikinspek­toren und die Wohnungsfrage behandelt. Der Verein hielt eine Weihnachtsfeier und eine Kinderbescherung ab, betheiligte sich an der März und Maifeier, wobei Sträußchen verkauft und ein Erlös von 35 Fr. erzielt wurde, den die Arbeiterunion erhielt. Für die Jta­liener wurden 115 Fr., für gemaßregelte und streifende Arbeiter 32 Fr. gegeben; eine Verlosung zu Gunsten des sozialdemokratischen Tageblatts Volksrecht" ergab 60,40 Fr. Die Einnahmen des Ver­eins betrugen 767,55, die Ausgaben 519,25, der Kassabestand 248,30 Fr. Am schweizerischen Gewerkschaftstongreß in Solothurn   war der Verein durch zwei Delegirte vertreten. Die Durchführung des Arbeiterinnenschutzgesetzes wird von dem Verein nach Möglichkeit gefördert und wurden Uebertretungen der Vorschriften der Behörde angezeigt. Zum Besuche des Schwestervereins unternahm der Verein einen Ausflug nach Winterthur  . Der Bericht bekundet ein recht er­d. z. freuliches reges Vereinsleben.

Zur gefl. Kenntnißnahme! Wie der Verfasser des Artikels in Nr. 5,, Die Durchführung des gesetzlichen Arbeiterinnen schutes in der Schweiz  " uns mittheilt, beträgt der Lohn der Auf­seherinnen in Winterthurer   Seidenfabriken 2,50 bis 3,50 Fr. und nicht blos 2,50 Fr.

Notizentheil.

( Von Tily Braun und Klara Betkin.)

Weibliche Fabrikinspektoren.

Ueber die Revisionsthätigkeit der Assistentinnen der baye­rischen Fabrikinspektion entnehmen wir dem kürzlich erschienenen kanntlich erst seit 1. Oktober 1898 amtiren, ist zunächst die Revision der Betriebe mit ausschließlich oder vorwiegend weiblicher Arbeiter­

1 Vgl. Aristoteles' Politif, übersetzt von Garve. Breslau   1799," Jahresbericht" folgende Angaben. Den Assistentinnen, die be­

2 Aristoteles, a. a. D., S. 4.

glühende Wundenmale ſtarren uns an, nicht rührsames Mitleid heischend, wohl aber Verständniß und Vergeltung. Die Verse ent­hüllen uns ein Innenleben, das dem Zwange und der Enge des äußeren Daseins das stolzeste Wort sonnensehnsüchtigen Menschen­thums entgegenschleudert:" Du kannst mich doch nicht tödten", jenes stolze Wort, mit dem Prometheus, das gewaltigste Urbild höchsten menschlichen Strebens und Ringens, der Gottheit ver­nichtungsmächtigem Zorne spottet.

Klara Müller wurde am 5. Februar 1861 zu Leuzen bei Belgard in Pommern   geboren. Ihr Vater war Pastor, eines Schäfers Sohn. Uns scheint, in der Dichterin Seele lebt der Hauch jener Poesie, die den einfachen Dorfhirten umwebte, wenn er, von seiner Herde umringt, den Blick über die weiten Flächen schweifen ließ, mit jeder Regung der Natur vertraut, die zu ihm sprach in Donner und Bliz, in Sonnenschein und Sturmgebraus, im Werden und Vergehen. Was der Lenz in ahnungsvollem Sehnen in die Brust des Schäfers geraunt, was der reifende Sommer ihm sang, die fruchtfrohe Ruhe des Herbstes und des Winters glizernder Glaft, die stille Melancholie der nebelduftigen Abend­dämmerung, der Zauber der grünlichviolett schimmernden Dünen und der filbergleißenden Meeresfluthen: das alles ist in der Enkelin Empfinden und Gestalten zum lebendigsten Leben erstanden. Von dem Großvater, der nach Hirtenart bald von Feld zu Feld zog, bald in stilles Sinniren versunken dem Flug der Wolken nach starrte; über des Lebens Räthsel in ihm und um ihn grübelte; sich von dem Schifflein der Phantasie über die Grenzen seiner engen Welt tragen ließ: von ihm mag der Dichterin wohl der Hang geworden sein, zu träumen und zu spüren; der ungestüme Drang, sich in ungemessene Fernen zu schwingen, von schroffgipfligen Höhen über die Lande und über die Schicksale zu blicken; das Ver­mögen, aus dem grauen Einerlei des Alltagsdaseins in den Zauber landschaftlicher Schönheit von Nord und Süd zu flüchten, in das Märchenland glücklicher Zukunftszeiten.

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Es ist wohl auch zum großen Theil der ländlichen Voreltern Erbe, daß Klara Müllers Persönlichkeit den Einfluß der flein­bürgerlichen Verhältnisse, in denen sie erwuchs und in denen sie noch lebt, so gut wie spurlos abgeschüttelt hat. Es ist nicht eine wild gewordene höhere Tochter", die in ihren Versen uns ent­gegentritt, nicht eine bildungsprozige, schöngeisternde Spießbürgerin, es ist ein Kind des Volkes, das die moderne Kultur mit allen Poren eingesogen hat, und das in urwüchsigem Rebellentroß, der gesellschaftlichen Vorurtheile und Schranken lachend, sein eigenes Leben lebt und nach Freiheit und Glück ringt. Nur schwach auch schwingt in den Versen aus früherer Zeit der religiöse Einfluß des elterlichen Pfarrhauses nach. Die Gedichte Ich sah das Weib", Der Heiland" 2c. befunden sein Erlöschen. Wir grüßen in der Dichterin eine innerlich Freie.

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Nicht blos der auf die Abstammung zurückzuführende kräftige Lebens- und Persönlichkeitstrieb hat sie zu dem gemacht, was sie geworden. Auch der äußeren Verhältnisse zwingende Macht hat ihre Eigenart geprägt. Klara Müller wurde bald aus dem klein­bürgerlichen Milieu in eine thatsächlich proletarische Existenz ge­schleudert, der nur der äußere Schein und die gesellschaftlichen Verpflichtungen bürgerlicher Behäbigkeit anhaftete. Als sie zwölf Jahre zählte, starb der Vater. Die Idylle im ländlichen Pfarr­haus wurde unterbrochen durch das Einstürmen dräuender Lebens­sorge. Die Mutter siedelte mit Klara und deren jüngerer Tochter nach Belgard über, wo erstere vom 14. bis 16. Jahre Unterricht in Sprachen nahm und gleichzeitig Privatunterricht ertheilte. Das Lernende Kind durch die Sorge um des Daseins Nothdurft zur Lehrenden geschlagen, die in heißem Begehren nach Wissen Ver­langende zur Rolle der Wissen Gebenden gezwungen!

Die Rücksicht auf baldigen vollen Broterwerb veranlaßte, daß das junge Mädchen 1877 in die Berliner   Handelsschule eintrat. Nach Absolvirung der Anstalt wurde Klara Müller Buchhalterin in einer Tapetenfabrit. Ihr stolzer Unabhängigkeitssinn, den stürmischen