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den Industriegruppen steht je ein Vertreter zu. Der Aufruf empfiehlt nun den Genossinnen, in Wahlkreisen, wo sie in größerer Zahl organisirt sind, dafür einzutreten, daß statt zweier Genossen ein Genosse und eine Genossin delegirt wird. Es heißt, daß dort, wo die Genossinnen in nennenswerther Zahl mit den Männern politisch und gewerkschaftlich zusammenarbeiten, die einsichtigen Genossen dieser Empfehlung gewiß Rechnung tragen werden. Wo keine Genossin delegirt werden kann, sollen die Frauen darauf hinwirken, daß wenigstens einer der männlichen Delegirten sich mit der Organisation der Arbeiterinnen befaßt und die Genossinnen in ihren Bestrebungen unterstützt. Die Genossinnen werden aufgefordert, demnächst im Sinne des Aufrufs zu dem Parteitag Stellung zu nehmen.
Soziale Gesetzgebung.
Die Novelle zur Gewerbeordnung, welche die Regierung eingebracht hat, stand am 19. und 20. April im Reichstag zur ersten Berathung. In Verbindung damit wurden die Anträge der Nationalliberalen Heyl zu Hernsheim und Bassermann verhandelt. Die Novelle der Regierung bestimmt, daß die Gesindevermiether und Stellenvermittler einer besonderen Konzession bedürfen und im Uebrigen bezüglich der Giltigkeit ihrer Tagen 2c. den Pfandverleihern gleichgestellt werden. Sie enthält weiter einige Schutzbestimmungen für die Arbeiterschaft der Wäsche und Kleiderkonfektion, sowie der Gewerbe, in denen die Unklarheit der Arbeitsbedingungen zu Mißständen geführt hat. Der Bundesrath soll z. B. befugt werden, durch Beschluß anzuordnen, daß Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern vom Arbeitgeber für die Tage, an denen sie in der Fabrik die gesetzlich zulässige Arbeitszeit hindurch beschäftigt waren, Arbeit zur Verrichtung außerhalb der Fabrik überhaupt nicht übertragen werden darf; für die Tage aber, an denen sie in der Fabrik kürzere Zeit beschäftigt waren, darf ihnen Arbeit außerhalb der Fabrik nur in annähernd dem Umfang übertragen werden, in welchem Durchschnittsarbeiter ihrer Art die Arbeit voraussichtlich in der Fabrik während des Restes der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit verrichten können. Diese dürftige Abschlagszahlung an die Schutzforderungen der Konfektionsarbeiterschaft soll noch dadurch geschmälert werden, daß der Bundesrath nur zur Verfügung berechtigt sein soll, sofern Mißstände in Bezug auf die Ausdehnung der Arbeitszeit zu Tage getreten sind". Eine andere Bestimmung der Novelle betrifft die Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter in offenen Verkaufsstellen. Ihnen soll nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens zehn Stunden gewährt werden, sowie innerhalb der Arbeitszeit eine angemessene Mittagspause. Die Novelle schränkt auch dieses bischen Schutz durch vorgesehene Ausnahmen ein. Die Bestimmung hat nach ihr keine Giltig: feit für Arbeiten, die das Verderben von Waaren verhüten, für die Aufnahme der Inventur, während der letzten zwei Wochen vor Weihnachten, außerdem an jährlich höchstens zehn Tagen, welche von der Ortspolizei festzusetzen sind. Die Novelle bestimmt des Weiteren, daß durch Anordnung der Verwaltungsbehörde auf Antrag von mindestens zwei Dritteln der betheiligten Geschäftsinhaber einer oder mehrerer Gemeinden der Acht oder Neunuhrladenschluß für einzelne Branchen verfügt werden darf. Dem Bundesrath wird die Befugniß
zuerkannt, den Geschäftsinhaber durch besondere Vorschriften zu zwingen, die Geschäftsräume so einzurichten, daß die Handlungs gehilfen, soweit die Natur des Betriebs es gestattet", gegen eine Gefährdung der Gesundheit und Sittlichkeit geschützt sind. Schließlich verpflichtet die Novelle die Geschäftsinhaber, die Gehilfen und Lehrlinge unter 18 Jahren zum Besuch der Fortbildungs- und Fachschule anzuhalten. Der Antrag Heyl fordert, daß die allgemeinen Vorschriften der Gewerbeordnung auch auf Werkstätten der Hausgewerbetreibenden Anwendung finden sollen, sowie daß eine allgemeine Regelung der Arbeitszeit der in offenen Verkaufsstellen, Schant- und Gastwirthschaften beschäf= tigten weiblichen Personen stattfindet, denen eine Mindestruhezeit von 8 bis 10 Stunden gelassen werden muß. Der Antrag Bassermann bezweckt eine Regelung der Kündigungsfrist für taufmännisch Angestellte. Da es sich um lauter halbe und viertels Maßregeln zum Schutze der kapitalistisch Ausgebeuteten handelte, gönnten sich die Vertreter aller bürgerlichen Parteien den billigen Lurus, ihr auch- arbeiterfreundliches Herz zu betheuern. Das Proletariat würde sich den weltfremden Wolkenkuckucksheimern zugesellen, wollte es vergessen, daß der schwache Anflug des bürgerlichen Verständnisses für den gesetzlichen Arbeiterschutz eine Frucht des proletarischen Klassenkampfes ist und in der Furcht vor der Sozial demokratie wurzelt. Die Genossen Pfannkuch und Bebel vertraten bei den Verhandlungen markig und scharf den Standpunkt und die
Forderungen der Sozialdemokratie, die weit über die vorgeschlagenen Reförmchen hinausgehen. Die Novelle und die beiden Anträge wurden einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.
Frauenstimmrecht.
* Ein Gesetzentwurf, Aenderungen in der städtischen Verwaltung Londons betreffend, beschäftigte kürzlich das Parlament. Es handelte sich dabei um eine Umwandlung und Zusammenfassung der Vestries( Kirchspiele) in größere Bezirke. Zu den Vestries be sitzen Frauen das aktive und passive Wahlrecht, und da der Gesetzentwurf für die an Stelle der Vestries tretenden Councils eine Aenderung des Wahlrechts nicht vorsah, so war damit das Frauenwahl= recht stillschweigend anerkannt. Im Unterhaus entspann sich eine heftige Debatte über diesen Punkt, der um so wichtiger erscheint, als die Kompetenzen der neuen Verwaltungskörper weit umfassendere sind, als die der alten. Ein konservativer Abgeordneter beantragte ein Amendement, wonach die Frauen nicht zu Aldermännern und Mayors ( Schöffen und Bürgermeistern) gewählt werden dürfen. Er wies darauf hin, daß, wenn der Gesetzentwurf ohne sein Amendement angenommen würde, man in Folge dessen den Frauen schließlich auch das parlamentarische Wahlrecht zugestehen müsse. Sein Amendement wurde, nachdem auch Minister Balfour dagegen gesprochen hatte, abgelehnt. Dieser Sieg der Sache der Frauen, mit dem sie ganz zufrieden hätten sein können, wurde leider durch einen ihrer übereifrigen Vorkämpfer wieder zu nichte gemacht. Dieser beantragte nämlich, es möge im Gesetz ausdrücklich erklärt werden, daß weder das Geschlecht noch die Verheirathung ein Hinderniß sein sollte, zu irgendwelchem Amt in der städtischen Selbstverwaltung erwählt zu werden. Dadurch wurden die Gegner der Frauenbewegung herausgefordert und setzten es durch, daß den Frauen doch noch das Recht abgesprochen wurde, zu Mayors gewählt zu werden. Erst als der bekannte sozialistische Arbeiterführer John Burns die ganze Lächerlichkeit der Debatte beleuchtete und besonders die konservativen Abgeordneten frug, wie so gerade sie Gegner der öffentlichen Bethätigung der Frauen sein könnten, nachdem sie Alle ihren Sitz im Parlamente zum großen Theil der politischen Agitation der Damen der Primrose- League( eines konservativen Frauenvereins) verdanken, wurde die Verhandlung abgebrochen. Der Gefeßentwurf liegt jetzt einer Kommission vor.
Einen Protest dagegen, daß sich die englische Regierung dem Frauenstimmrecht gegenüber so ablehnend verhält, legte Faithfull Begg, der parlamentarische Vorkämpfer des Frauenwahlrechts, kürzlich im Unterhause ein.
Eine zahlreich besuchte Versammlung des Vereins für die Erringung des Frauenstimmrechts fand kürzlich in London statt. Zur Annahme gelangte eine Resolution, welche gegen die ablehnende Haltung der Regierung in Sachen des Frauenwahlrechts protestirt und an das Unterhaus die Bitte richtet, den Frauen auf politischem Gebiete das nämliche Recht zuzuerkennen, das sie in lokalen Angelegenheiten besitzen. Ferner wurde einem Memorandum zugestimmt, das die Forderung des Frauenwahlrechts begründet und sammlung wurden von Mrs. Fawcett geleitet, einer der eifrigsten der Regierung überreicht werden soll. Die Verhandlungen der VerKämpferinnen für die politische Gleichberechtigung des weiblichen
Geschlechts.
Ein Demonstrationszug zu Gunsten des Frauenstimmrechts in Norwegen soll Mitte Mai in Christiania stattfinden. Die Anregung dazu geht von dem„ Frauenverein der Arbeiterpartei" aus. Es haben bereits 15 norwegische Frauenvereine beschlossen, sich an der Demonstration zu betheiligen.
Frauenbewegung.
Die geplante internationale Frauendemonstration für die Abrüstung und den Völkerfrieden soll am 15. Mai, am Tage der Eröffnung der Konferenz in Haag, stattfinden. Die Aufforderung zu der Demonstration geht von der internationalen Frauenliga für Abrüstung in Paris aus. In allen europäischen Großstädten sollen am 15. Mai Frauenversammlungen stattfinden, welche entsprechende Beschlüsse fassen, die der Konferenz übermittelt werden. Die erste Anregung zu der Demonstration ist auf die Münchener Frauenrechtlerin Frau Selenka zurückzuführen; die deutschen wie ausländischen Frauenrechtlerinnen stimmten der Anregung freudig zu. Für Deutsch land sind seitens der Frauenrechtlerinnen Versammlungen vorgesehen in Berlin , München , Hamburg , Dresden , Stuttgart zc. Wie