geübt wurde. Aber ebenso gewiß auch, daß die Gewerkschaften unvermeidliche Kämpfe mit aller Energie und vor Allem möglichst wohl vorbereitet führen werden. Eine ganze Reihe der in Frankfurt  beschlossenen Maßregeln und Arbeiten wirken nnmittelbar oder mittelbar darauf hin, die Gewerkschaften für die Führung von Kämpfen besser auszurüsten und schlagfertiger zu machen. Je kraftvoller das gewerkschaftliche Leben pulsirt, je unabweis­barer das Bedürfniß nach gesteigerter, vielseitiger Thätigkeit sich geltend macht, um so weniger können die Gewerkschaften eine Schmälerung, geschweige denn eine Erdrosselung der Koalitions- freiheit dulden. Die auf das Koalitionsrecht bezügliche Resolution des Kongresses ist deshalb mehr als ein platonischer Protest wider Zuchthauskurs und Zuchthausvorlage. Sie ist die Ansage eines ernsten, zähen Kampfes, den die Gewerkschaften für die Koalitions­freiheit des Proletariats aufnehmen. BürgerlicheAuch-Freunde" der Gewerkschaftsbewegung werden nicht verfehlen, auS den Debatten und Beschlüssen des Kongresses, den Arbeitsnachweis und die Tarifgemeinschaft betreffend, die so heißersehnteMauserung" aus Kampfesorganisationen zuprak­tischen" Harmoniekränzchen herauszuorakeln. Sehr mit ilnrecht, unseres Erachtens. Die betreffenden Beschlüsse sprechen nur dafür, daß die Gewerkschaften zu einer Macht geworden sind, mit welcher das Unternehmerthum rechnen muß. Der äußeren Kraft und inneren Reife entsprechend müssen die Organisationen nun manche Kampfesmittel anders bewerthen, als es in den Ansängen ihrer Entwicklung der Fall war, ohne daß dadurch der Charakter der Gewerkschaftsbewegung eine Aenderung erfährt. Unzweideutig ist Elms Erklärung, daß die paritätischen Arbeitsnachweise nicht zum Tummelplatz bürgerlicher Sozialreformer werden dürfen. Genau so eitel wie die betreffenden Erwartungen haben sich die Prophezeiungen erwiesen, welche das Abrücken der Gewerk­schaftler aus dem sozialdemokratischen Lager in sichere Aussicht stellten. Es ist einer der vielen stillen und lauten Träume jener guten Leute und schlechten Musikanten, welche sich Lersöhnungs- formelu murmelnd zwischen Proletariat und Kapitalistenklasse werfen, daß die Gewerkschaftsbewegung, je praktischer und stärker sie werde, je umfassender und erfolgreicher ihre Aktion, in einen um so schärferen Gegensatz zur sozialdemokratischen Bewegung gerathen müsse. Ihren Hoffnungen nach muß sich die Gewerkschaftsbewegung aus einem unbequemen Gegner der Kapitalistenklasse in einen gehorsamen Hausverwalter derselben verwandeln, der dem Prole­tariat in dem Bau der kapitalistischen   Ordnung eine erträgliche Wohnung einrichtet und es in der Folge davon zurückhält, diesen Bau zu stürzen und demnebelhaften" Endziel der Sozialdemo­kratie zuzustreben. Wobei notabene stets der Wunsch der Vater des Gedankens ist, es müsse damit die holde Zeit hereindämmern, wo unter den Arbeitermassen der Konfusionshaber der National­sozialen,sozialen Demokraten", Liberalsozialen rc. üppig in die Halme schießen könnte. Der Frankfurter   Kongreß der Gewerk­schaften hat die diesbezüglichen Hoffnungen und Wünsche durch einen recht kräftigen Strahl kalten Wassers gedämpft. Klipp und klar wurde es von Legien und Bömelburg ausgesprochen, daß die Gewerkschaften auf dem Boden des Klaffenkampfcs stehen, in der Sozialdemokratie allein ihre politische Vorkämpferin erblicken und als Endziel der modernen Arbeiterbewegung die Beseitigung der kapitalistischen   und die Einführung der sozialistischen   Gesellschafts­ordnung festhalten. Daß die Gewerkschaftsbewegung ihrem Wesen nach praktische Tagesaufgaben lösen, emsig Kleinarbeit leisten muß, schließt das Streben nach dem revolutionären Endziel des prole­tarischen Klassenkampfes nicht aus, sondern ist seine nothwendige Ergänzung. Dersozialdemokratische Mißton", der aller bürger­lichenGönner" ungeachtet auf dem Kongreß erklungen, beweist deutlich, daß das unermüdliche Ringen der Gewerkschaften, den proletarischen Massen in der Gegenwart kulturwürdige Existenz­bedingungen zu sichern, im Dienste des hohen Endziels steht, die Arbeit vom Joche des Kapitals zu befreien. Gewerkschaftliche und sozialdemokratische Bewegung schließen sich zusammen zu dem einen großen proletarischen Klassenkampf, in dem das Proletariat, um mit Marx zu reden, eine Welt zu gewinnen hat und nichts zu verlieren, als seine Ketten. Indem der Kongreß in ruhiger, sach­licher Weise eine Reihe dringender Tagesaufgaben erörterte, vor­zeichnete und ihre Erledigung in die Wege leitete, hat er sich um die Gegenwartsinteressen und die Zukunftsziele des Proletariats hochverdient gemacht. Die Tagung der künftigenZuchthäusler" zu denen die Genossinnen Kahler und Zietz gehörten ist sicher bedeutsamer und nützlicher für den Kulturfortschritt, als gar manche Sitzung gekrönter Häupter, staatlicher Würdenträger, bürgerlicher Parlamentarier und inAuch-Arbeiterfreundlichkeit" machender Exzellenzkonventikel, die im Interesse der ausbeutenden und herrschen­den Minderheit den Wind und das Meer der geschichtlichen Ent­wicklung zum Gehorsam zwingen möchten. Die Friedenskonferenz und die Frauen. Schon seit längerer Zeit bemühte sich die bürgerliche Frauen­bewegung, eine möglichst imposante Demonstration aus Anlaß der Haager Friedenskonferenz   in Szene zu setzen. Die Frauen der ganzen Welt, das war ihr Ziel, sollte» an einem bestinimten Tage öffentliche Versammlungen einberufen, in denen gleichlautende Resolutionen zur Annahme gelangen und der Konferenz als der Ausdruck der Friedens­wünsche des ganzen weiblichen Geschlechts übersandt werden sollten. Der an sich nicht üble Gedanke ist nur theilweise zur Ausführung gekommen, in ganz Europa   wurden nur in 7t) Städten solche Ver­sammlungen abgehalten, diepatriotischen", das heißt die für das herrliche Kriegsheer schwärmenden Frauen hielten sich davon zurück. Um die Theilnahme der Arbeiterinnen, die der ganzen Konferenz und daher auch der Bewegung in ihrem Sinne zweifelnd gegenüberstehen, wurde noch in letzter Stunde geworben. Eine der Berliner   Ein­beruferinnen, Or. Anita Augspurg  , hatte ein Zirkular verschickt und es auch an die Berliner   Arbeiterinnenorganisationen gelangen lassen, worin sie die in Berlin   am 17. Mai stattgefundene Versanimlung anzeigte und die Stellung der Frauen zu der Friedensfrage im All­gemeinen auseinandersetzte. Da diese Zusendung eine Aufforderung zur Theilnahme an der Versammlung bedeutete, so habe» wir Ursache, uns näher mit ihr zu beschäftigen. Das Zirkular enthält unter anderem folgende Sätze: An einem und demselben Tage werden in der ganzen Kultur­welt die Frauen in Versammlungen zusammenkommen, um ihr tiefes Interesse zu bekunden für die Fragen, die auf der Haager Konferenz zur Verhandlung stehen, ihren einheitlichen Willen kundzuthu», die Kulturidee zu stützen, die ihr zu Grunde liegt, und für die Verwirk­lichung derselben ihren ganzen sittlichen und sozialen Einfluß einzu­setzen. Die Frauen täuschen sich nicht darüber, daß sie mit dieser weltumfassenden Demonstration keinen direkten Einfluß auf die Ver­handlungen im Haag ausüben werden. Sie wissen so gut wie die objektiv denkenden Friedensfreunde überall, daß diese Konserenz im besten Falle nur den ersten Schritt bilden kann auf dem Wege der Verwirklichung des großen Kulturgedankens, das Recht, an Stelle der Gewalt, zur Grundlage des internationalen Aölkerlebens zu machen. Aber sie wissen auch, daß für die Erreichung dieses Zieles der Einsatz aller besten sittlichen Kräfte in den Völkern selbst noth- wendig ist. In dem Bewußtsein, einen großen Theil dieser sittliche» Volkskraft zu verkörpern, fühlen sie sich berufen, das ethische Gewicht ihrer entschiedenen Stellungnahme für diese Idee in die Wagschale zu legen, in dem Augenblick, wo zum ersten Male in der Kultur­geschichte dieselbe zum Gegenstand ernster Beralhung unter den Re­gierungen gemacht wird." Das Alles trieft, wie wir sehen, vonEthik" undSittlichkeit", zugleich aber von einem seltenen Grade geschichtlicher Unkenntniß, die sich zum Theile dadurch erklärt, daß vor der blinde» Schwärmerei der klare überlegende Verstand fast immer die Flucht ergreift. Nicht nur Dichter und Denker wir nennen hier nur Schiller und Kant   sind schon lange vor Frau von Suttner und ihrer männlichen und weiblichen Gefolgschaft für den Friedensgedanken eingetreten und haben glühende Anhänger gefunden, auch Fürsten  und Regierungen haben sich ernsthaft mit ihm beschäftigt. Es ist nicht daserste Mal", daß der Friedensgedankezum Gegenstand ernster Berathung unter den Regierungen gemacht wird", und Nikolaus von Rußland ist nicht der erste Zar, der durch ein Friedensmanifest naive Gemüther begeistert und sie glauben macht, die goldene Zeit ewigen Friedens trete durch das Thor der Weltgeschichte ein, das der kaiserliche Zauberstab geöffnet hat. Sein Ahnherr, Alexander l. von Rußland, war der Schöpfer jenes ersten Planes, der unter dem NamenDie heilige Allianz" vor 8t Jahren ins Leben trat. Fast alle Monarchen schlössen damals im Namen ihrer Länder einen Bruderbund und erklärten feierlich, die Gerechtigkeit und den Frieden zu schützen. Unter dem Einfluß von Frau von Krüdener, jener Abenteurerin, die die übliche Entwick-