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hebung erstreckt hatte, 1722 Arbeiterinnen in Buchbindereien und verwandten Betrieben. Die große Mehrzahl der Buchbinderinnen hat also die Bedeutung der Gewerkschaftsorganisation noch nicht er= kannt. Immerhin gehört im Buchbindergewerbe im Vergleich zu den einschläglichen Verhältnissen in anderen Industrien ein ansehnlicher Stamm von Frauen und Mädchen der Organisationen.

Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation in Oesterreich  . Nach einer Aufstellung der Gewerkschaftskommission für Steiermark  sind in diesem Kronland 552 Arbeiterinnen gewerkschaftlich organisirt, davon gehören dem Arbeiterinnenverein von Graz mit seinen Filialen 256 Mitglieder an. Der Bergarbeiterverein der Desterreichischen Alpenländer zählt 55 weibliche Mitglieder. Von den Handschuh­macherinnen sind 74 organisirt, von den Eisen- und Metallarbeiterinnen 47, und dem Rechtsschutz- und Gewerkschaftsverein sind 87 Frauen und Mädchen beigetreten.

Von den Wiener   Buchbinderinnen sind ca. 400 organisirt. Nur 24 der 600. Bandarbeiterinnen von Niederösterreich   gehören der Gewerkschaft an. In der Florisdorfer Jutespinnerei und -Weberei sind 600 weibliche und 200 männliche Arbeiter beschäftigt. Von diesen 800 Ausgebeuteten sind nur 54 organisirt. Von den 1100 Textilarbeiterinnen und Arbeitern des Desterreichischen Wald­viertels haben sich bis jetzt nicht mehr als 30 der Gewerkschaft angeschlossen.

Frauenstimmrecht.

Der

Das Recht der Frauen, als Räthe und Aelteste den Lon­ doner   Bezirksvertretungen anzugehören, ist von dem englischen Unterhaus mit 243 gegen 174 Stimmen preisgegeben worden. Lord Balfour  , der für die Zuerkennung des betreffenden Rechts an die Frauen ist, befürwortete gleichwohl das Fallenlassen des früheren Beschlusses und die Kapitulation vor dem reaktionären Willen des Oberhauses. Er erklärte, das Zustandekommen des ganzen Gesetzes sei gefährdet, wenn das Unterhaus an der Gleichberechtigung der Frauen festhalte, weil die Lords dieser nie zustimmen würden. Seine Erklärung bewirkte, daß 70 bis 80 Abgeordneten umfielen. Die Masse der Liberalen und einige kleine Gruppen von Konservativen hielten an dem alten Beschlusse fest, dagegen stimmten mehrere be­kannte Radikale mit der Regierung, so natürlich Labouchère, der ver­bohrte Gegner der Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts. Aus Haß gegen die frauenrechtlerischen Bestrebungen anerkannte er damit mittelbar das Recht der Lords gegen das Unterhaus, obgleich er sonst einer der energischsten Gegner dieses Rechts ist. Der Be­schluß des Unterhauses ist um so bemerkenswerther, als er den Frauen ein Recht vorenthält, welches sie bis zu einem gewissen Grade schon besaßen. Die Frauen konnten bis jetzt in die Londoner   Kirchspiel­räthe gewählt werden, und die weiblichen Mitglieder dieser Körper schaften haben sich durch Pflichttreue ausgezeichnet. Das neue Gesetz nimmt ihnen das bisherige Recht unter dem ganz unstich haltigen Vorwand, daß die Bezirksvertretungen, welche die Kirch­spielräthe ersetzen, etwas vermehrte Vollmachten erhalten. Fortschritt dieser Vollmachten ist nun in durchaus ungerechtfertigter Weise mit dem Rückschritt der Entrechtung der Frauen verquickt. Der Beschluß des Unterhauses wird nicht nur von liberalen Blättern sehr abfällig beurtheilt, sondern auch von manchen konservativen Zei­tungen, so erklären die, Evening News" den Ausschluß der Frauen aus den Bezirksvertretungen für reaktionär und mehr gegen die arme Bevölkerung als gegen die Frauen gerichtet, weil die weiblichen Mit­glieder der Kirchspielräthe und anderer kommunaler Körperschaften sich der Interessen der Bedürftigen besonders theilnahmsvoll an­genommen hätten. Letzteres Lob wird von dem Organ der englischen Sozialdemokraten, der ,, Justice", nicht getheilt. Die ,, Justice" schreibt: In den Schulräthen und Armenpflegschaften haben wir nicht beobachtet, daß die weiblichen Mitglieder jene gütige Sympathie mit den Armen und Hilflosen bethätigten, jene milde Humanität, wie man erwartet hatte. Im Gegentheil: die weiblichen Mitglieder haben zu den eifrigsten Verfechterinnen der Innehaltung der härtesten Vorschriften gehört." Die ,, Justice" anerkennt jedoch rückhaltslos, daß die Frauen vollauf ihre Fähigkeit erwiesen hätten, an den Arbeiten der kommunalen Verwaltungskörper theilzunehmen. Ebenso rück­haltslos tritt das sozialdemokratische Blatt für das Recht der Frauen ein, den neuen Bezirksverwaltungen als Räthe und Aldermen anzu­gehören. Nicht gegen die Gleichberechtigung des weiblichen Ge­schlechts wendete es sich, vielmehr nur gegen die alte frauenrechtlerische Legende, daß das Gefühlsleben die bürgerlichen Damen über die Klassengegensätze erhebe, ihnen besonderes Verständniß mit den Be­dürfnissen der Besitzlosen verleihe und sie deshalb zu deren berufen­sten Vertretern mache.

Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Bettin( Gißner) in Stuttgart.  -

Frauenbewegung.

Die Gründung medizinischer Frauenkurse in Moskau   ist in die Wege geleitet. Dieselben sollen nach dem Muster der Peters­burger Kurse eingerichtet werden. Die Erlaubniß der Regierung zur Sammlung von Mitteln für das Unternehmen soll nach russischen Blättern bereits ertheilt worden sein. Die Sache des Frauenstudiums, zumal des medizinischen Frauenstudiums, hat in Rußland   jederzeit fräftige Förderung aus den weitesten Kreisen der Bevölkerung er­fahren. So ist deshalb nicht zweifelhaft, daß die Sammlung sehr bald die Mittel zur Errichtung der Kurse in Moskau   aufbringen wird. Die Mittel zur Gründung der Petersburger medizinischen Frauen­kurse sind ebenfalls durch eine Sammlung aufgebracht worden, und gerade aus Moskau   sind ihr reichlich Gelder zugeflossen.

Ein nationaler Bund der Schweizer   Frauen soll gegründet werden. Die Frauenvereinigungen von Genf  , Lausanne   und Zürich   haben die Anregung zu der Gründung gegeben.

Das Recht der französischen   Frauen, zur Advokatur zu­gelassen zu werden, hat die französische   Kammer kürzlich votirt, indem sie einen diesbezüglichen Antrag des Sozialisten Viviani mit 319 gegen 174 Stimmen annahm. Der Antrag wurde mit seichten und grotesken Gründen, aber um so größerer Heftigkeit von einem nationalistischen und einem antisemitischen Redner bekämpft. Vivianis Rede für das Frauenrecht war eine Glanzleistung ersten Ranges. Sie bot mehr als eine Vertheidigung der in Frage kommenden For­derung, sie war ein warmes Plaidoyer für die volle soziale Gleich­berechtigung des weiblichen Geschlechts. Besonders treffend fertigte Viviani die Behauptung der gegnerischen Redner ab, die Frauen­rechtlerinnen wollten die Ehe abschaffen und die freie Liebe einführen."

* Zu Doktoren der Medizin sind in der Frauenhochschule zu New York   fürzlich 18 junge Mädchen promovirt worden. Wie gesucht weibliche Aerzte in Amerika   sind, beweist der Umstand, daß sämmtliche Damen bereits in Frauenhospitälern Anstellung fanden.

Bitte an die Genossinnen!

Eine alte Parteigenossin, frank und schwach und in Folge dessen arbeitsunfähig, bedarf dringend der Hilfe, zu der wir umsomehr ver­pflichtet sind, als die Leidende eine jener Ersten war, welche unter dem Sozialistengesetz für die Aufklärung der Frauen wirkten und als Lohn dafür sich der besonderen Beachtung der Behörden zu er freuen hatten.

Zuerst auf Grund des Vereinsgesetzes wegen angeblicher Ueber­tretung bestraft, wurde unsere Genossin später mit ihrem Manne zu­gleich ausgewiesen, zuerst aus Weißensee   bei Berlin  , dann auch aus Hamburg  .

Seit dem vor einigen Jahren erfolgten Tode ihres Mannes steht sie einsam im Leben; einsam, fremd, ohne Hilfe ist sie unter Jenen, für die sie arbeitete. Die Genossinnen erfüllen eine Ehren­pflicht, wenn sie helfend der treuen Kämpferin beistehen.

Zur Entgegennahme auch der kleinsten Unterstützungsbeiträge sind bereit:

Frau M. Wengels, Berlin  , Fruchtstraße 30.

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P. Stägemann, Berlin  , Landsbergerstraße 72, IV. E. Jhrer, Pankow  , Schönholzerstraße 8, II.

Die Redaktion der Gleichheit", Stuttgart  , Rothebühlstraße 147, III.

Bur Nachricht.

Der Nothstand der Geraer   Textilarbeiterin, von dem wir in Nr. 13 berichteten, ist Dank des helfenden Eingreifens der organi­sirten Geraer   Genossinnen und Genossen beseitigt worden. Wie diese uns mittheilen, werden weitere Mittel nicht benöthigt. In Ueber­einstimmung mit den Gebern werden wir deshalb die bei der Gleich­heit" eingelaufenen Beträge der kranken Genossin in Weißensee überweisen und seinerzeit zusammen mit den für diese hoffentlich noch eingehenden Geldern quittiren.

Die Redaktion der ,, Gleichheit.

Quittung.

Für den Agitationsfonds erhalten: von den Geraer   Genossinnen durch Genossin Ihrer 10 Mt. Dankend quittirt

Frau M. Wengels, Vertrauensperson. Berlin   O, Fruchtstraße 30, Quergeb. 2 Tr.

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Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. H.) in Stuttgart  .