besonderer Frauensektionen der Gewerkschaften anbelangt, so wird sie vor Allem dadurch nöthig, daß, mit wenig Ausnahmen, es den Arbeiterinnen unmöglich ist, den gemeinschaftlichen Sitzungen beizu­wohnen, weil sie über ihre Zeit nicht so frei verfügen können, wie die Arbeiter. Das Frauenreichskomite hat deshalb den Genossen empfohlen, die weiblichen Mitglieder der Gewerkschaften unter einer eigenen Vorsitzenden in einer Sektion zusammenzuschließen, die ihre besonderen Wochenversammlungen, Diskussionsabende u. s. w. hat. So haben zum Beispiel in Steinschönau   in einer Woche die Männer, in der anderen Woche die Frauen ihren Vereinsabend. Dadurch wird es zumal für die verheiratheten Arbeiterinnen möglich, die Sitzung zu besuchen. In Niederösterreich  , Nordböhmen   und den Alpenländern sind zahlreiche Frauensektionen entstanden, besonders unter den nordböhmischen Glasarbeiterinnen macht die Organisation gute Fortschritte, unter den Tabakarbeiterinnen zeigen sich erfreuliche Ansätze zum gewerkschaftlichen Zusammenschluß. Natürlich sind neben den Fortschritten auch schlechte Erfahrungen zu verzeichnen. Die Frauen sind nun einmal daszurückgebliebene Geschlecht", allerdings nicht in der Folge ihrer Veranlagung, sondern in Folge der sozialen Hindernisse ihrer Entwicklung. Diesem Umstand muß die Agitation und Organisation Rechnung tragen. Wenn das Frauenreichskomite nicht allen Ansprüchen gerecht werden konnte, so lag die Schuld daran wesentlich in dem Mangel an agitatorischen Kräften und materiellen Mitteln. Im Interesse der allgemeinen Arbeiterbewegung, für welche die Proletarierinnen gewonnen werden müssen, fordern die Genossinnen die materielle Unterstützung der Partei. Die Genossinnen verlange» in der vom Frauenreichskomite ein­gebrachten Resolution, daß die Partei für die politischen Forderungen der Frauen eifriger eintrete, als bisher. In der Presse, in Ver­sammlungen, im Parlament muß vor Allem von der Zulassung der Frauen zu den politischen Vereinen gesprochen werden. Ebenso wie für die Arbeiter neben der gewerkschaftlichen die politische Organi­sation nöthig ist, so müssen die Arbeiterinnen nicht blos gewerkschaft­lich organisirt, sondern auch politisch aufgeklärt werden. Nur in den seltensten Fällen ist für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts etwas gethan worden. Die Genossinnen ver­langen nicht eine besondere Agitation im ganzen Reiche für das politische Vereinsrecht der Frau, dagegen wollen sie, daß der Partei­tag ausspricht, daß dieses Recht in Volksversammlungen, in der Arbeiterpresse und von den sozialdemokratischen Abgeordneten im Parlament vertreten werde. Die Genossinnen fordern ferner, daß zur Erkämpfung des allgemeinen und direkten Wahlrechts für Männer wie Frauen zu allen Vertretungskörpern mehr geschähe als bisher. In der letzten Wahlrechtsbewegung haben die Genossen nur wenig von dem Frauenwahlrecht geredet, und doch hätte das Eintreten für dieses Recht viel zur Aufklärung der Frauen beilragen können. Die Genossinnen haben das Vertrauen, daß in Zukunft in dieser Hinsicht mehr geschieht. Je früher für die politische Ausklärung der Frauen gewirkt wird, desto eher schwindet die Gefahr, daß das Frauenwahl­recht zumeist den Klerikalen und Reaktionären zu Gute käme. Die deutschen wie die tschechischen Genossen sollten weiter dafür Sorge tragen, daß dieArbeiterinnen-Zeitung" unter den weib­lichen Mitgliedern der Organisationen verbreitet wird. Mit dem Aufblühen der Frauensektionen nimmt die Verbrei­tung der Arbeiterinnenzeitung in erfreulicher Weise zu. Noch im vorigen Jahre hatte dieArbeiterinnenzeitung" eine Auflage von 2800 Exemplaren, die nicht verkauft wurde», heute werden thatsächlich 4200 Exemplare unter den Arbeiterinnen abgesetzt. Die Genossen in der Provinz haben sehr viel dafür gethan, daß die Arbeiterinnenzeitung" in den Frauensektionen verbreitet wird. Zu wünschen ist, daß auch die tschechischen Genossen nicht blos in einigen Orten, sondern überall die Organisation der Arbeiterinnen unterstützen. Es ist unmöglich, daß, wie Genosse Dorfer will, in allen Versammlungen die Frauenfrage als eigener Punkt behandelt wird. Ebenso ist es nicht durchführbar, daß in allen Parteiblättern eine besondere Rubrik:Frauenbewegung  " geschaffen wird. Es ge­nügt, daß die Parteiblätter wie die Versammlungen so oft es möglich ist, für die Interessen der Frauen eintreten. Ich bitte Sie, nicht blos einen platonischen Beschluß zu fassen, sondern unseren Forde­rungen auch nach dem Parteitag Geltung zu verschaffen. Wie die Genossen in nationaler Beziehung die Eigenarten anerkennen, so müssen sie auch die Eigenart der Frauen und ihre Sonderstellung der Gesetzgebung gegenüber, sowie die sich daraus ergebenden Folgen berücksichtigen. Geschieht das, so wird die sozialistische Frauenbewe­gung Erfolge erringen, wenn auch nicht in so gewalligem Maße, wie dies von der Bewegung der Männer gilt. Die Genossinnen ver­langen die moralische und materielle Unterstützung der Partei, nicht etwa um Sonderbestrebungen nachzugehen, sondern um das Ihrige zur Erreichung des gemeinsamen Zieles beitragen zu können. Daran dürfe» die Genossen nicht zweifeln, auch wenn die Frauen durch Um­stände gezwungen werden, einen anderen Weg einzuschlagen als die Männer."(Lebhafter Beifall und Händeklatschen.) An das Referat knüpfte sich eine Diskussion, in welcher alle weiblichen Delegirten das Wort ergriffen, und über die wir in der nächsten Nummer berichten werden._(Schluß folgt.) Aus der Bewegung. Ucbcr die Frage der Francnagitatio» verhandelteder Parteitag für die Provinz Brandenburg  ", der am 17. Sep­tember in Berlin   tagte. Anlaß dazu gab der in der vorigen Stummer mitgetheilte Antrag der Berliner   Genossinnen, die systematische Frauen­agitation in der Provinz betreffend. Genossin Baader begründete den Antrag trefflich. Sie führte aus, daß die Aufklärung der Frauen nothwendig sei, um sie zu Mitkämpferinnen für unsere Sache zu erziehen. Wie unter den Polen   agitirt wird, um ihrer Lohn- drückerei entgegenzuwirken, so müssen auch die Arbeiterinnen organisirt werden, damit sie sich nicht als Schmutzkonkurrentinnen der Männer ausspielen lassen. Eine Agitation durch besondere Frauenversamm- lungen muß deshalb stattfinden. Leider giebl es noch sehr viele Bierphilister in unseren eigene» Reihen, die vom Versammlungsbesuch der Frauen nichts wissen wollen, und die von ihren: Herrenrecht Gebrauch machen, um die Frau zu Hause zu halten. Der Antrag der Genossinnen wäre nicht nöthig, wenn die männlichen Genossen schon so weit aufgeklärt wären, daß sie für die Aufklärung der Frauen sorgten. Genosse Zu b eil trat warm für den Antrag der Genossinnen ein und erklärte, daß es mit der platonischen Anerken­nung der Frauenrechte auf den Parteitagen nicht gethan sei, daß man für sie auch in der Praxis eintreten müsse. Viele Genossen wendeten sich gegen den Antrag, obgleich sie mit der Tendenz des­selben einverstanden waren, weil sie ihn praktisch für undurchführbar erachteten. In vielen Orten sei kein Saal zu haben, in anderen sei der sozialdemokratische Anhang noch so schwach, daß besondere Frauen­versammlungen sehr schlecht besucht werden würden, sehr oft wären die geeigneten Referentinnen nicht zu haben. Zwei Genossen be­schwerten sich darüber, daß eine größere Agitationstour nicht statt­finden konnte, weil Genossin Braun, die vorgesehene Referentin, sich krank meldete. Der Antrag der Berliner   Genossinnen wurde schließlich zurückgezogen und folgender, von Genossin Baader ein­gebrachter Antrag mit einer Stimme Mehrheit angenommen:Die Agitationskommission wird beauftragt, für systematische Frauen­agitation in der Provinz zu sorgen und zu diesem Zwecke in jedem Kreise, wo es möglich ist, Frauenversammlungen mit weiblichen Re­ferenten zu veranstalten." Weibliche Tclcgirtc zum Parteitag. Der Kreiskonferenz für den Wahlkreis Reuß j. L. lag ein Antrag der Genossinnen von Gera   vor, außer einem Delegirten Genossin Jhrer-Pankow nach Hannover   zu entsenden. Die Kreiskonferenz lehnte jedoch den Antrag ab. Die Genossinnen wollen in einer besonderen Frauenversammlung zu diesem Beschluß und zur Beschickung des Parteitags Stellung nehmen. Die Parteigenossen Reuß ä. L. wählten auf ihrem Parteitag in Greiz   außer einem Genossen die Genossin llr. Rosa Luxemburg   als Delegirte zum Parteitag in Hannover  . Antrag von Genossinnen zum Parteitag. Die Ge­nossinnen der drei Dresdener   Wahlkreise nahmen in einer öffentlichen Versammlung, in der Genosse Ledebour   ein zwei­stündiges treffliches Referat über die Frauenfrage hielt, einstimmig den folgenden Antrag an:In Anbetracht des heutigen Zick-Zack- Kurses beantrage» die Genossinnen des 4., 5. und 6. Reichstags­wahlkreises, der Parteitag möge beschließen, ein Flugblatt über ganz Deutschland   zu verbreiten, worin die Zuchthausvorlage unter be sonderer Berücksichtigung ihrer Wirkung auf die Lage der Frauen genügend gekennzeichnet wird, da dieselbe dazu angelhan ist, die ge- sammten Arbeiter und Arbeiterinnen ihrer wirthschastlichen, sowie politischen Rechte zu berauben." Notizentlzeil. tvon lily Vraun und Mlaru Fetliln.) Weibliche Fabrikinspektoren. Die Anstellung einer Fabrikinspektori» in Baden steht in baldiger Aussicht. In das nächste Budget wird ein Posten auf­genommen für die Besoldung einer Assistentin der Fabrikinspektion. Die Anstellung einer ztvcitcn nud dritten Assistentin der Gcwerbcinspcttion in Holland   schlägt die Regierung dem Parla­ment vor. Der Antrag wird aller Voraussicht nach angenommen werden.