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Arbeitszeit eine verlängerte Ruhezeit sich anzuschließen. 2. Den Ar­beitnehmern ist eine tägliche ununterbrochene Ruhezeit( Mindestruhe­zeit) von mindestens acht Stunden zu gewähren, Frauen zwischen 18 und 20 Jahren, sowie männlichen Arbeitern zwischen 15 und 20 Jahren eine solche von mindestens zehn Stunden. 3. Männliche Personen unter 15 Jahren und weibliche Personen unter 18 Jahren dürfen nicht beschäftigt werden. 4. An Sonntagen beginnt die Arbeit nicht vor 11 Uhr Vormittags oder hört für die am Morgen doch Beschäf­tigten um 11 Uhr Vormittags auf. 5. Anstatt des entgangenen Sonntagsruhetags ist für jeden Arbeiter ein bestimmter voller Ruhe­tag in der Woche festzusetzen. 6. Der Arbeitgeber hat für geeignete gesunde Schlafräume zu sorgen. Die Mindestanforderungen an Luft­raum, Lichtzutritt u. s. w. sind gesetzlich festzustellen. 7. Es ist den Arbeitnehmern Gelegenheit zu geben, sich in dienstfreien Augenblicken zu setzen. 8. Inspektoren, in Großstädten auch Inspektorinnen, haben die Durchführung der gesetzlichen Bestimmungen zu überwachen. 9. Die gemeindlichen Arbeitsnachweise und die Verbindungen unter ihnen sind kräftig zu fördern. 10. Die Bildung von Kellnerinnen­Vereinigungen zur Wahrnehmung ihrer Berufsinteressen ist zu fördern."

Referat und Debatten über die Dienstbotenfrage" waren sehr schwache Leistungen, in welchen das instinktive Klassenempfinden der Frauenrechtlerinnen als Besitzende zum Ausdruck kam; die Frauen rechtlerin, die Sozialreformlerin mußte der bourgeoisen Hausfrau weichen. Die Gedanken der Damen kreisten in der Hauptsache um den Dienstbotenmangel; um Mittel und Wege, gebildetere Elemente zu den häuslichen Diensten heranzuziehen; um die Empfehlung einer Lehrzeit für Dienstmädchen 2c. Das Dienstbotenelend schien ihnen Das Dienstbotenelend schien ihnen unbekannt zu sein. Nachträglich traten im Arbeiterinnenheim" auf Anregung von Frau Dr. Naue eine Anzahl von Damen zur weiteren Erörterung der Frage zusammen, für welche offenbar ebenfalls die angeführten Gesichtspunkte maßgebend gewesen sind. Es wurde die Gründung eines Komites beschlossen, das die Hebung des Dienstboten­wesens durch Schaffung einer Gelegenheit für Lehrzeit fördern soll. Wie man sieht, ein Beschluß, der zunächst vom Interesse der Damen diftirt ist. Der Vollständigkeit wegen sei noch angeführt, daß der Frauentag auch über Fortbildungsschulen für Mädchen", Kranken­pflege" und Die Stellung der Frau im Familienrecht des neuen bürgerlichen Gesetzbuchs" verhandelt hat.

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Aus der Bewegung.

Von der Agitation. Im Monat September unternahm die Genossin Greifenberg   im Auftrag des Agitationskomites der organi­sirten Textilarbeiter eine Agitationstour durch Sachsen   und hielt in folgenden Orten Versammlungen ab: Plauen   i. V., Delsnih, Adorf  , Auerbach   i. V., Rußdorf, Reichenbach   i. V, Mylau  , Elsterberg  , Glauchau  , Gablenz, Schneeberg  , Kirchberg, Werdau  , Frankenberg  , Leisnig  , Hainichen  , Mittwaida, Lichtenstein, Gelenau, Freiberg  , Großenhain  , Neugers­ dorf  , Dresden  , Kamenz  , Großschönau  , Kappel und Meerane  . Die Tagesordnung lautete: Die wirthschaftliche Lage der Textil­arbeiter und Arbeiterinnen, und wie ist dieselbe zu verbessern", ferner: ,, Die Aufgaben der modernen Arbeiterorganisationen". Die Versamm­lungen waren, abgesehen von einigen Ausnahmen, sehr gut besucht. Insbesondere waren in ihnen die Frauen und Mädchen stark ver­treten. Der Umstand zeigt, daß auch die Arbeiterinnen immer mehr erkennen, daß sie sich aufklären und organisiren müssen, wenn sie ihre Lebenslage verbessern wollen. Immer weniger glauben sie das von den Herren Fabrikanten gepredigte Märchen, daß der Verdienst steigt, wenn auch noch die Nacht für die Erwerbsarbeit zu Hilfe genommen wird. Sie beginnen einzusehen, daß dadurch die Löhne nur noch tiefer gedrückt werden und die Gesundheit verloren geht. Statt sich widerstandslos ungemessen lange Stunden ausbeuten zu lassen, fordern sie deshalb eine Herabsetzung ihrer Arbeitszeit, überhaupt einen aus­giebigen gesetzlichen Schuß, und sehen ein, welche hohe Bedeutung die traftvolle Vertretung ihrer Interessen durch die Gewerkschaft besitzt. Durch ihr zahlreiches Erscheinen in den Versammlungen befundeten Arbeiterinnen und Arbeiter, daß sie zum Klassenbewußtsein erwachen und sich aus eigener Kraft eine bessere Zukunft erkämpfen wollen. Diese Erkenntniß findet in der Thatsache ihren Klarsten Ausdruck, daß die Agitationstour dem Verband der Textilarbeiter und Arbeiterinnen eine stattliche Zahl neuer Mitglieder gewonnen hat. M. G.

In einer Reihe von Volksversammlungen sprach Genossin Zieh während der Zeit vom 25. Oktober bis 5. November in der Provinz Sachsen  , sowie in Sachsen- Altenburg. Versammlungen fanden statt in Wittenberg  , Bitterfeld  , Halle   a. S., Trotha, Giebichen­ stein  , Ammendorf, Nietleben  , Weißenfels  , Schönebeck   und Altenburg  . Fast ausnahmslos waren dieselben gut, zum Theil

waren sie sogar glänzend besucht. Besonders stark war der Besuch in Altenburg  , wo das Waldschlößchen bis auf den letzten Platz gefüllt war, ferner in Schönebeck  , wo im Stadtpark reichlich 800 Per­sonen erschienen waren. Ebenfalls überfüllt war das Lokal in Niet­ leben  , leider mußte hier die Versammlung um 10 Uhr geschlossen. werden, da der Wirth um 10 Uhr Polizeistunde hatte. Vergeblich machte Genossin Zieß den überwachenden Beamten darauf aufmerk­sam, daß wir laut Reichsgerichtsentscheidung uns darum nicht zu fümmern haben, daß er dem Wirth höchstens von 10 Uhr ab das Schänken verbieten könne. Der Beamte drohte, daß er die Versamm­lung auflösen werde, falls nicht ihr Schluß unsererseits erfolge. Alles, was man von dem Gestrengen erreichte, war, daß Genossin Zieh die Zeit gelassen wurde, ihr Referat mit einigen Schlußsäßen zu beenden. Selbstverständlich ist Beschwerde eingereicht worden. Ebenfalls stark besucht war die Versammlung im Bellevue zu Halle. Erfreulicher Weise waren in allen Orten die Frauen stark vertreten. In Niet­ leben   hatten die Frauen sogar sämmtliche Vorarbeiten zu der Ver­sammlung gemacht, wie Anmeldung bei der Polizei, Vertheilung der Handzettel u. s. w. In Ammendorf betheiligte sich auch eine Frau an der Diskussion. In schlichten, aber ergreifenden Worten forderte sie ihre Geschlechtsgenossinnen auf, das Gehörte nun auch zu be herzigen und darnach zu handeln. Mit Recht wurde ihr reicher Bei­fall zu Theil. Es ist sicher der schönste Lohn der Referentin, wenn sie sieht, daß die Zuhörer mit Interesse und Verständniß ihren Aus­führungen folgen. Ebenso erfreulich sind natürlich die greifbaren Erfolge der Agitationsarbeit. Als Ergebniß dieser Agitationstour ist zu verzeichnen die Gewinnung von 170 neuen Mitkämpfern für die verschiedenen gewerkschaftlichen und politischen Organisationen, L. Z. wie die einiger Abonnenten für die Arbeiterpresse.

Notizentheil.

( Von Lily Braun   und Klara Betkin.)

Weibliche Fabrikinspektoren.

Als Assistentin der Fabrikinspektion in Württemberg   ist Frau Marie Grünau ernannt worden. Frau Grünau ist Witwe, wohnt in Stuttgart   und war zuletzt Maschinenschreiberin in der württembergischen Kammer der Standesherren, dem Hause der ge­borenen" Gesetzgeber. Ihr verstorbener Mann war zuerst Inspektor der großen Pulverfabrik von Rottweil   die Herrn v. Duden­hofer, einem berühmten württembergischen Scharfmacher" gehört- dann Direktor der Pulverfabrik in Para   in Brasilien  . Die Dame ist weder in den Kreisen der Frauenrechtlerinnen bekannt, die sich mit Wohlfahrtseinrichtungen" befassen, noch in denen der Arbeite­rinnen. Es liegen, wie allgemein behauptet wird, keinerlei Leistungen ihrerseits vor, die einen Rückschluß zulassen auf ihr Vertrautsein mit den Arbeiterinnenverhältnissen und ihre Befähigung für das neu­geschaffene Amt. Allzu kühn und wenig stichhaltig dünkt uns die Annahme, daß sie als Frau ihres Mannes, zumal durch den Aufenthalt in Brasilien   die nöthige Einsicht in die Arbeits- und Eri­stenzbedingungen der württembergischen Arbeiterinnen gewonnen und sich ein Mindestmaß praktischer und wissenschaftlicher Vorbildung für die Thätigkeit als Assistentin der Fabrikinspektion erworben habe. So erscheint ihre Ernennung als einer jener wundersamen Fälle, in denen die Regierung Vorsehung lenkt, ohne daß der profane Unter­thanenverstand plausible Gründe für das Wie des Lenkens zu er­denken vermag. Es wäre natürlich müßiges Beginnen, darüber zu prophezeien, ob Frau Grünau ihrem Amt mit Erfolg vorstehen wird oder nicht. Das ist, wie die Dinge liegen, wesentlich Sache der Persön­lichkeit. Jedennoch das Eine wissen wir schon jetzt, ohne Prophet zu sein in Israel  : wenn die Assistentin sich nicht bewährt, so werden reaktionäre Elemente den mißlungenen Versuch" als Beweis dafür ausschlachten, daß die Frau für die Pflichten der Gewerbeaufsicht nicht geeignet ist, und daß der Boden für die Thätigkeit weiblicher Fabrikinspektoren fehlt. Gerade weil dem so ist, hätte die Regierung unseres Erachtens mehr Garantien für die Befähigung zu dem Amte fordern sollen, als, soweit bekannt, Frau Grünaus Vergangenheit sie bietet. Der eine Schwabenstreich in Sachen der Fabrikinspektion -die Aufstellung von barmherzigen Schwestern und Diakonissinnen als Vertrauenspersonen genügt vollauf.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Arbeiterinnenelend in Gera  . Eine bekannte Geraer   Firma für Wäschekonfektion zahlt den beschäftigten Heimarbeiterinnen für das Nähen eines Männerhemds aus Barchent   15 Pf., für das Nähen eines Frauenhemds oder einer Jacke 10 Pf. Die Arbeiterinnen müssen den Zwirn aus der eigenen Tasche zahlen, auch