verwendet, die dafür nur 1 Mt. bis 1,50 Mt. die Woche erhalten. Sind keine Nadeln einzufädeln, so müssen die Kinder auf die Maschine achten, um den Sticker darauf aufmerksam zu machen, wenn ein Faden gerissen ist oder eine Nadel versagt hat, damit der dadurch verursachte Fehler nicht durch das ganze Stück geht. Auch die kind­lichen Hilfskräfte hat der Arbeiter zu bezahlen. Daß da von seinem Verdienst nicht viel übrig bleibt, kann Jeder ausrechnen. Wenn die Männer für die schwere Arbeit so gering entlohnt werden, so liegt auf der Hand, daß die Arbeiterinnen an den leichteren Maschinen noch weniger verdienen und nur die Hälfte des angegebenen Betrags erreichen. Die schlechte Bezahlung zwingt die Eltern, ihre Kinder mit für den Erwerb einzuspannen. Dem Uneingeweihten muß es auffallen, daß er in Auerbach   sehr selten ein Arbeiterkind auf der Straße beim Spielen antrifft. Es könnte ihm scheinen, daß es im Drte sehr wenig Kinder giebt. Geht er jedoch in die Werk­stuben, wo die Stickmaschinen stehen, so erhält er einen anderen Eindruck. Hier ist der Aufenthaltsort der meisten dieser armen Ge­schöpfe, die, statt im Freien auf dem Spielplatz sich tummeln zu tönnen, angestrengt arbeiten müssen, ohne daß Rücksicht auf ihre Gesundheit, auf ihre Bildung genommen wird. So will es die heutige, die beste aller Welten. Hervorgehoben sei, daß alle ange­führten Arbeiten hausindustriell sind. Die angegebenen Löhne werden also nicht in einer geregelten Arbeitszeit erzielt, sondern müssen durch Schaffen von Morgens früh bis tief in die Nacht hinein er­reicht werden. Dieser Umstand, zusammen mit der ganz ungenügenden Ernährung, welche eine unausbleibliche Folge des niedrigen Verdienstes ist, läßt die betreffenden Arbeiterinnen und Arbeiter langsam aber sicher dem Siechthum verfallen. Die Ausdehnung des gesetzlichen Arbeiterschutzes auf die Hausindustrie und Heimarbeit ist dringend nöthig, wenn breite Schichten der Textilarbeiterschaft der völligen Verelendung entzogen werden sollen. M. G.

Koalitionsrecht.

Ganze Arbeit auf dem Gebiete des Koalitionsrechts leistet die sozialdemokratische Partei. Sie hat einen Antrag im Reichstag eingebracht, welcher darauf abzielt, allen Lohnarbeitenden die freie Ausübung des Koalitionsrechts thatsächlich zu sichern. Der Antrag ist von Seiten der Scharfmacherpresse als der Anfang zu der Dikta­ tur des Proletariats  " mit einem wahren Wuthgeheul begrüßt worden. Die sozialreformelnde Gruppe der Nationalliberalen hat sich ihm gegenüber im Handumdrehen auf ihr besseres kapitalistisches Selbst besonnen und in holder Eintracht mit den unentgleisten Verfechtern fommerzienräthlicher Interessen den sozialdemokratischen Forderungen ihre Gegnerschaft erklärt. Die Blätter des Zentrums und der bürger­lichen Demokratie bringen für einige Bestimmungen des Antrags ein winziges Bischen süß- saures Wohlwollen auf, dem Ganzen stehen sie ablehnend gegenüber. Kurz, die Aufnahme des Antrags zeigt mit wünschenswerthester Deutlichkeit, die auch für das naivste Gemüth jede Illusion zerstören muß, daß in Deutschland   das Proletariat die wichtigsten positiven Reformarbeiten nicht im Bunde mit dem Bürger­thum, sondern nur in scharfer Gegnerschaft zu ihm leisten kann. Der sozialdemokratische Antrag lautet:

Artikel I.

§ 152 der Gewerbeordnung erhält folgende Fassung: Personen, welche gegen Vergütung die Leistung von Diensten oder die Herstellung von Werken übernehmen, haben das Recht, Ver­einigungen zu bilden oder Verabredungen zu treffen, die eine Ein­wirkung auf Gehalts-, Arbeits- oder Lohnverhältnisse, für die Theil­nehmer oder für Dritte, bezwecken. Dies gilt insbesondere für Ge­werbetreibende, Beamte, Angestellte und Arbeiter des Reiches, des Staates, der Gemeinden und öffentlich rechtlicher Korporationen, sowie der für deren Rechnung geführten wirthschaftlichen Betriebe, Hand­lungsgehilfen, Gewerbegehilfen, Lehrlinge, Tagelöhner, Heimarbeiter, Hausindustrielle, Gesinde, Hofgänger, Landarbeiter, Forstarbeiter, Instleute, Einlieger, Seeleute und von Vereinigungen und Verab­redungen, welche die Wahrnehmung von Berufsinteressen, die Er­langung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen durch Einstellung der Arbeit oder durch Entlassung der Arbeiter, sowie die Unterstützung Arbeitsloser und Hilfsbedürftiger bezwecken.

Jedem Theilnehmer steht der Rücktritt von solchen Vereinigungen und Verabredungen frei, und es findet von letzteren weder Klage noch Einrede statt.

Alle entgegenstehenden Verbote und Strasbestimmungen sind aufgehoben.

200

§ 152 a.

Vereinigungen und Versammlungen der in§ 152 genannten Art unterliegen nicht den landesgesetzlichen Bestimmungen über das Versammlungs-, Vereins- und Versicherungswesen. Insbesondere dürfen solche Vereinigungen mit anderen in Verbindung treten und Versammlungen veranstalten und in denselben zur Förderung der in § 152 gedachten Zwecke politische Gegenstände erörtern und auf die Verwaltung und Gesetzgebung einzuwirken suchen.

§ 152 b.

Aufforderungen zur Förderung der in§§ 152 und 152 a auf­geführten Zwecke oder Unternehmungen, Geldsammlungen, welche diesen Zwecken oder Unternehmungen dienen, Mittheilungen und Er­fundigungen, welche dieselben betreffen, die Verbreitung oder Ver­theilung von Druckschriften, welche diesen Zwecken dienen, sind Jeder­mann gegenüber zulässig und unterliegen keinen landesgesetzlichen Be­stimmungen, dürfen auch nicht als grober Unfug oder als Verlegung der Bestimmungen über Sonntagsruhe erachtet werden.

Der Aufenthalt auf öffentlichen Plägen, Straßen und an an­deren öffentlichen Orten zum Zwecke solcher Aufforderungen, Mit­theilungen oder Erkundigungen darf nur untersagt werden, wenn durch den Aufenthalt der Thatbestand der in den§§ 115, 116, 123 bis 125, 127 des Strafgesetzbuchs gedachten Handlungen erfüllt wird. § 152 c.

Das Verlangen, einen Arbeitsvertrag zu schließen, Andere in Arbeit zu nehmen, andere Arbeitsbedingungen, insbesondere höhere Löhne, kürzere Arbeitszeit zu gewähren, oder bestimmte Bedingungen als Voraussetzungen für Fortsetzung oder Aufnahme der Arbeit zu erfüllen, sowie das Verlangen, einer Wohlthätigkeitsanstalt, einer öffentlich rechtlichen Korporation oder einer politischen, gewerblichen oder gemeinnüßigen Vereinigung eine Zuwendung zu machen, ist nicht als rechtswidrig im Sinne irgend eines Gesetzes zu erachten. Artikel III.

§ 153 der Gewerbeordnung wird aufgehoben.

Artikel IV.

In§ 154 a der Gewerbeordnung wird statt der Worte§ 152 und 153 gesetzt§§ 152, 152 a, 152b, 152 c.

Artikel V.

In das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich ist als§ 107 a einzuschalten:

§ 107a.

Ein Arbeitgeber oder Stellvertreter eines solchen, der sich mit einem anderen Arbeitgeber oder dessen Stellvertreter verabredet oder vereinigt, Arbeitern deshalb, weil sie an den in§§ 152 und 152 a der Gewerbeordnung genannten Vereinigungen, Versammlungen, Geld­sammlungen, Aufforderungen, Mittheilungen oder Erkundigungen theilgenommen haben, ihr ferneres Fortkommen oder die Arbeits­gelegenheit zu erschweren, sie nicht in Arbeit zu nehmen oder ste aus der Arbeit zu entlassen, wird mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft, sofern nicht nach dem allgemeinen Strafgesetz eine höhere Strafe eintritt.

Der Versuch ist strafbar.

Zur Beachtung.

Alle auf die Agitation unter der proletarischen Frauen­welt bezüglichen Briefe und Sendungen sind von nun ab an die Adresse der nengewählten Vertrauensperson der Genossinnen Deutschlands   zu richten:

Fräulein Ottilie Baader  , Berlin   0, Straußbergerstraße 28, 4 Tr.

Quittung.

Zu Agitationszwecken gingen bei der Unterzeichneten im Oktober ein: 7 Mt. von den Genossinnen in Chemnitz  . Dankend quittirt

Frau M. Wengels,

Berlin   O, Fruchtstraße 30, Quergeb. 2 Tr. In Folge eines Versehens gelangt die obenstehende Quittung verspätet zur Veröffentlichung. Der eingegangene Betrag ist jedoch von Genossin Wengels bei ihrer Rechnungsablegung mit verrechnet Hinter§ 152 der Gewerbeordnung werden folgende Paragraphen worden, weshalb nicht die neugewählte Vertrauensperson, Genossin eingeschaltet: Baader, über den Einlauf quittirt.

Artikel II.

Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Bettin( Bundel) in Stuttgart.  - Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart  .