Arbeiterorganisation an seine Existenz erinnerte. Die bezüglichen Vorschriften bestimmen in der Hauptsache: 12 Uhr Nachts Feierabend für das Personal; ununterbrochene Nachtruhe von 8 Stunden zwischen 8 Uhr Abends und 8 Uhr Morgens; mindestens 6 Freistunden jede Woche und zwar zwischen 8 Uhr Morgens und 8 Uhr Abends; ferner alle 3 Wochen einen ganzen freien Tag, eventuell nach besonderer Vereinbarung beider Parteien jährlich zweimal ein je viertägiger Urlaub. Jm verflossenen Jahre ist man in der Stadt Zürich endlich energisch an den Vollzug der Bestimmungen über den Feierabend und die ununterbrochene achtstündige Nachtruhe gegangen und hat gegen fehlbare Wirthe in 189 Fällen Bußen verhängt. Nun natürlich große Aufregung in Wirthskreisen, zahlreiche Beschwerden und Rekurse an die Gerichte, sowie Gesuche an den Stadtrath, den betreffenden Gesetzesparagraphen auf sie, die Petenten, ausnahmsweise" nicht anzuwenden! Ein seltsames Verlangen, auf das die Behörde selbstverständlich nicht eingehen konnte. Schließlich hatten die betreffenden Wirthe auch beim Obergericht mit ihren Rekursen kein Glück, denn dasselbe bestätigte die Bußen. Um von vornherein vorzubeugen, daß die Feierabendbestimmung mittels von Hinterthüren und faulen Einwänden wie„ freiwilliger Anwesenheit" des Personals nach Mitternacht , und das Personal verrichte keine Dienste mehr" umgangen werde, erklärte das Obergericht in seinen Entscheiden, daß in allen Fällen Bußen zu verhängen seien, in denen ein Bediensteter oder eine Bedienstete des Wirthes in den Wirthschaftslokalitäten betroffen werde, auch wenn die betreffende Person keinerlei Dienste verrichte. Bußen können im Betrag von 10 bis 300 Frcs. verhängt werden. Es ist wünschenswerth, daß die neue Praxis konsequent durchgeführt wird und zwar im ganzen Kanton, nicht blos in der Stadt Zürich . dz.
Verschiedenes.
Das Jnteresse der Arbeiterinnen unserer Putindustrie an guten Handelsverträgen wird durch die folgenden Angaben gezeigt, durch welche der Modist" darthut, in welchem Maße sich auch unsere Buzzindustrie zur Exportindustrie entwickelt.
Es wurden zum Beispiel im Jahre 1900 allein nach Chile 55465 Dutzend Damenhüte aller Art ausgeführt.
Die Einfuhr und Ausfuhr von Blumen und Knospen in Verbindung mit Blättern stellt sich wie folgt:
Ausfuhr
Einfuhr
1899 1900
O
°
54 Doppelzentner
567 Doppelzentner
51
V
759
In der Schmuckfedernindustrie betrug die
Einfuhr
1899.. 66,63 Doppelzentner
.
=
Ausfuhr 414,25 Doppelzentner 204,38
1900. 79,19 Diese Zahlen lassen erkennen, wie wichtig es ist, daß alle für die Exportindustrie Arbeitenden über den Waarenmarkt unterrichtet werden und daß sie erfahren, welchen großen Werth vernünftige Handelsverträge mit niedrigen Zollsägen für sie haben.
E. J.
Die Einführung der unentgeltlichen Geburtshilfe im Kanton Tessin , welche, wie mir mittheilten, von der Regierung beantragt wurde, ist kürzlich beschlossen worden. Der Große Rath des Kantons hat den regierungsräthlichen Gesetzentwurf betreffend den unentgeltlichen Dienst der Hebammen und der Kreisärzte bei Geburten angenommen und damit auch einmal etwas Gemeinnütziges geschaffen. Die Kosten der Geburtshilfe werden von der Gemeinde und dem Staate( Kanton ) getragen. Ferner ist das Lotterie- und Hazardspiel verboten worden, was ebenfalls einen begrüßenswerthen Fortschritt bedeutet.
dz.
Solidarität schweizerischer Lehrer zu Gunsten einer Lehrerin. Die schweizerische Lehrerschaft ist sehr gut organisirt. Sie besitzt neben der amtlichen Organisation in Kapiteln" und ,, Synoden " noch eine besondere, über das ganze Land ausgedehnte Organisation, die über 5000 Mitglieder zählt, darunter auch zahl= reiche Lehrerinnen. Eine der ersten und wichtigsten Aufgaben, an deren Lösung die gewerkschaftliche" Lehrerorganisation herantrat, war die geeignete Abwehr unbegründeter Wegwahl von Lehrern und Lehrerinnen anläßlich der periodisch wiederkehrenden Erneuerungswahlen in den Gemeinden. Als das wirksamste Mittel zur Erreichung dieses Zweckes erachtete man den Boykott, der in der That seit Jahren mehrfach mit vollem Erfolg angewandt worden ist. Jüngst nun wurde in der Gemeinde Zuzgen im Kanton Aargau die Lehrerin Frl. Wernly weggewählt. Der Lehrerverein verlangte die Wiederwahl der Lehrerin, die vielleicht einem mächtigen Dorfmatador nicht
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paßte. Für den Fall der Ablehnung seiner Forderung drohte er mit dem Boykott. Das wirkte. In einer zweiten Gemeindeversammlung wurde die Lehrerin mit 91 gegen 20 Stimmen wiedergewählt- ein glänzender Erfolg der Solidarität! dz.
Schlotjunkerbrutalität gegen eine Frau. Der Herr Fabrikbefizer und Leutnant der Reserve Hans Köller aus Barmen liebte es, bei seinen Ausflügen zu Pferde seinen Weg über bestellte Aecker zu nehmen. Natürlich ließ er sich durch Verbot in seinem Vergnügen nicht stören. Wofür ist man denn auch Reserveleutnant? Als eines Tages die Frau des Aeckerers Frielinghaus bei Hagen dem fühnen Reitersmann den Weg über ihre Wiesen wehren wollte, beschimpfte der„ noble Herr" die Frau in gemeinster Weise, achtete des Verbots nicht und drohte die Frau über den Haufen zu reiten. In vornehmem Trotz fehrte er später wieder zurück, nahm denselben Weg und forderte seinen Lakai auf, der Frau mit der Reitpeitsche in die Augen zu schlagen. Aeh, schneidig, pyramidal! Der industriefeudale Junker hatte sich vor Gericht zu verantworten. Das Schöffengericht in Hagen verurtheilte den tapferen Frauenbeschimpfer wegen öffentlicher, schwerer Beleidigung zu zwei Monaten Gefängniß und wegen Uebertretung der feld- und forstpolizeilichen Vorschriften zu 80 Mark Geldstrafe, eventuell zu 8 Tagen Haft. Auf eingelegte Berufung zeigte die Straffammer ein besseres Verständniß der Herrenthaten. Sie wandelte die Gefängnißstrafe in eine siebenwöchentliche Haft um, reduzirte die Geldstrafe auf die Hälfte und, wahrscheinlich um den„ edlen Herrn" in der öffentlichen Achtung nicht zu schädigen, ließ die in erster Instanz angeordnete Publikation des Urtheils in Fortfall kommen. Was würde wohl der Frau geschehen, wenn sie das Leutnäntchen in ähnlicher Art beleidigte, wie dieser sie? W. D.
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Literatur zur Frauenfrage.
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Zur Frauenfrage sind in letzter Zeit eine Reihe von Werken erschienen, die sich über die durchschnittliche Frauenfrage- Literatur erheben und eingehende Würdigung erheischen. Es sind vor Allem folgende Bücher:
,, Mutterschaft und geistige Arbeit", von Adele Gerhard und Helene Simon . Berlin , Verlag von Georg Reimer. Preis 3 Mt. „ Die Frauenfrage, ihre geschichtliche Entwicklung und ihre wirthschaftliche Seite", von Lily Braun . Leipzig , Verlag von S. Hirzel. Preis 10 Mt.
" Handbuch der Frauenbewegung", herausgegeben von Helene Lange und Gertrud Bönner. Berlin , Verlag von W. Mosers Buchhandlung. I. Theil: Die Geschichte der Frauenbewegung in den Kulturländern, 9 Mt.; II. Theil: Frauenbewegung und soziale Frauenthätigkeit in Deutschland nach Einzelgebieten, 5 Mt. ( III. Theil: Der Stand der Frauenbewegung in den Kulturländern, und IV. Theil: Die deutsche Frau im Beruf, werden demnächst erscheinen).
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Die Wenigen und die Vielen", Neue Essays von Ellen Key ." Berlin , Verlag von S. Fischer. Preis 4 Mt.
Mann und Frau", Die wirthschaftlichen Beziehungen der Geschlechter als Hauptfaktor der sozialen Entwicklung, von Charlotte Perkins Stetson , deutsch von Marie Stritt . Dresden und Leipzig , Verlag H. Minden. Preis 3 Mt.
" Die Lage der weiblichen Dienstboten in Berlin", von Dr. Oskar Stillich. Berlin , Verlag John Edelheim. Preis 5 Mt. Die Gleichheit" wird demnächst Besprechungen dieser Werke veröffentlichen.
Adressen der weiblichen Vertrauenspersonen. Den in Nr. 1 mitgetheilten Adressen ist noch die folgende hinzuzufügen: Charlottenburg : Frau M. Liedtke, Wilmersdorferstr . 69, Hof I. Ottilie Bader, Vertrauensperson der Genossinnen Deutschlands , Berlin W., Groß- Görschenstr. 38, II. Hof rechts, 3 Tr.
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Zur Beachtung.