abhandlung die Stellungnahme der Konservativen und des Zentrums zur sozialen Gesetzgebung des Deutschen Reiches kennzeichnen und vor Allem die zuletzt ausschlaggebenden Motive ihrer Politik flar­legen.

Soziale Gesetzgebung.

Krankenversicherung der selbständigen Hausgewerbetreiben­den. Am 1. Januar 1902 ist für Berlin   das Ortsstatut in Kraft getreten, durch das die Krankenversicherungspflicht auch auf die selbständigen Hausgewerbetreibenden ausgedehnt wird und das mit­hin von Bedeutung für die Berliner   Heimarbeiterinnen ist. Aus­genommen von der Versicherungspflicht sind nur diejenigen Haus­gewerbetreibenden, die zur Gewerbesteuer veranlagt sind, also über 1500 Mart Jahreseinkommen haben, sowie andrerseits diejenigen, deren hausgewerbliche Beschäftigung durch die Natur ihres Gegen­standes oder durch den Arbeitsvertrag auf einen Zeitraum von weniger als einer Woche beschränkt ist. Die der Versicherungspflicht unterworfenen Gewerbetreibenden, sofern sie nicht einer den An­forderungen des§ 75 des Krankenversicherungsgesetzes genügenden eingeschriebenen oder auf Grund landesrechtlicher Vorschrift errich teten Hilfskasse angehören, sind vom 1. Januar 1902 ab bezw. in Zukunft von dem Tage ihres Eintritts in die Beschäftigung Mit­glieder derjenigen Orts-, Betriebs- oder Jnnungskrankenkasse, die für den Betrieb ihres Arbeitgebers zuständig ist. Hausgewerbetreibende, die gleichzeitig bei mehreren Arbeitgebern in versicherungspflichtiger Beschäftigung stehen, sind zu versichern in der für denjenigen Arbeit­geber zuständigen Rasse, bei dem sie zuerst eine versicherungspflichtige Beschäftigung begonnen haben. Für An- und Abmeldung sind in allen Fällen verantwortlich die unmittelbaren Arbeitgeber. Als solche sind auch Zwischenpersonen( Zwischenmeister, Ausgeber, Faktoren u.s.w.) anzusehen. Die Anmeldung hat bis zum 4. Januar bezw. in Zu­funft spätestens am dritten Tage nach dem Eintritt der Beschäftigung zu erfolgen. Die Beiträge fallen zu zwei Dritteln auf die Versicher ten, zu einem Drittel auf die Arbeitgeber. Als Arbeitgeber gilt in dieser Hinsicht der eigentliche Unternehmer, sobald der unmittelbare Arbeitgeber als Hausgewerbetreibender selber der Versicherungspflicht unterliegt oder als Zwischenperson gewerbesteuerfrei ist.

Eine Vorlage zum Schutze der gewerblichen Kinderarbeit hat der deutsche Bundesrath dem Ausschuß überwiesen. Diese Vor­lage hat lange genug auf sich warten lassen, und ob von ihr das Wort gelten wird:" Was lange währt, wird gut", ist mehr als zweifelhaft. Und doch liegen seit langen Jahren Berge von Ma­terial vor, welches die Nothwendigkeit des umfassenden Schutzes der Kinderarbeit und zwar nicht blos der gewerblichen eindringlich begründet. Nicht die höhere Einsicht in die Interessen der arbeitenden Massen, die Rücksicht auf die Interessen der Besitzenden regiert die deutsche Sozialpolitik.

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Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.

Die Zahl der weiblichen Mitglieder der Gewerkschaften in Leipzig   betrug am Ende des Jahres 1901 nach einer Zusammen­stellung des Vorstandes des Gewerkschaftskartells 1272 auf 23 913 Mitglieder überhaupt. Leider liegt uns keine Angabe darüber vor, in welcher Stärke die Arbeiterinnen der verschiedenen Industrien in ihrer Berufsorganisation vertreten sind.

Die gewerkschaftliche Agitation unter den Arbeiterinnen der Bürsten- und Pinselindustrie von München  , welche letzten Herbst von Genossin Greifenberg  - Augsburg   unternommen wurde, hat, wie die Holzarbeiter- Zeitung" mittheilt, sehr befriedigende Resultate ergeben.

Die Organisirung der Heimarbeiterinnen in Wien   soll in Angriff genommen werden. Der Verein der Näherinnen von Wien  " hat beschlossen, sich in einen Verein für Heimarbeite­rinnen umzuwandeln. Die ersten einleitenden Schritte dazu wurden in einer Agitationsversammlung gethan. Der Verein will verschiedene Unterstützungszweige pflegen und seinen Mitgliedern die Arbeite­rinnen- Zeitung" gratis liefern.

Die Gründung einer Organisation der in Reinigungs­instituten beschäftigten Frauen, der Toiletten- Frauen, Früh­stücks- und Zeitungsansträgerinnen, Waschfrauen und Anf­wärterinnen steht in nächster Zeit bevor. Bereits am 13. Dezember vorigen Jahres fand eine Versammlung der einschlägigen Arbeite­rinnenkategorien statt, in welcher die Gründung einer Organisation angeregt und eine viergliedrige Kommission eingesetzt wurde, die der Frage näher treten sollte. Die Kommission berief für den 13. Januar

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eine zweite Versammlung ein, welche im Anschluß an ein Referat des Genossen Kater einer Resolution zustimmte, die die Gründung einer Organisation billigt und die Kommission beauftragt, ein Statut auszuarbeiten, welches einer weiteren Versammlung zur Beschluß­fassung vorgelegt werden soll. Dreißig der anwesenden Frauen haben sich bereits als Mitglieder der Organisation eingezeichnet. Hoffentlich hält der Fortgang der eingeleiteten Bewegung, was dieser erfreuliche Anfang versprochen.

Eine Landeskonferenz der Schneider und Schneiderinnen Sachsens   fand am 13. Januar in Chemnitz   statt. 19 Orte waren durch 25 Delegirte vertreten. Den Hauptverhandlungspunkt bildete die Anregung des Vorstandes: Ist die Einführung von Filialen in Sachsen   zweckmäßig? Nach einer längeren Diskussion wurde beschlossen, an dem alten System der Vertrauensmänner festzuhalten und das im Interesse der Tschechen und Minderjährigen. Auch der 3. Punkt der Tagesordnung: Agitation und Organisation führte zu lebhafter Debatte. Beschlossen wurde: 1. in den Gegenden, wo die Heimarbeit vorherrschend ist, eine intensive Hausagitation zu betreiben; 2. beim Vorstand zu beantragen, den tschechischen Ver­bandsmitgliedern das tschechische Fachorgan statt der deutschen Fach­zeitung" zu liefern. Als 4. Punkt der Tagesordnung wurde die Einführung einheitlicher Lohntarife für Sachsen   behandelt. Der Anregung des Vorstandsvertreters entsprechend beschloß man, diesbezügliche Erhebungen vorzunehmen und möglicherweise 5 Lohn­staffeln einzuführen: I und II für die Großstädte, III und IV für die mittleren Städte und V für die Kleinstädte. Betont wurde, daß es nothwendig sei, in Sachen der Lohntarise bezirksweise vorzugehen, weil die Lohnverhältnisse im deutschen Schneidergewerbe sehr bunt­scheckig sind. Der 18. Bezirk wurde mit den Vorarbeiten für Auf­stellung der Lohnstaffeln betraut. Der vorliegende Antrag, sämmt­liche Extrasteuern zu beseitigen und dafür die regelmäßigen Mit­gliederbeiträge zu erhöhen, wurde dem nächsten Verbandstag über­wiesen.

Genossenschaftsbewegung.

W. K.

Das Recht der Ehefrauen auf selbständige Mitgliedschaft in Konsumvereinen ist nun in Sachsen   vom Oberlandesgericht an­erkannt worden. Wie wir seiner Zeit mittheilten, hatten sächsische Gerichte entschieden, daß Ehefrauen, soweit sie nicht Handelsfrauen seien, der Genehmigung des Ehemannes zum Eintritt in einen Ron­sumverein bedürften. Das Oberlandesgericht wurde in den strittigen Fällen als Revisionsinstanz angerufen. Es entschied, daß die Ge nehmigung nicht erforderlich ist.

Frauenarbeit auf dem Gebiete der Jndustrie, des Handels und Verkehrswesens.

Die Zahl der gesetzlich geschützten Arbeiterinnen im Her­zogthum Altenburg   betrug 1900 nach dem Bericht der Fabrik­inspektion 5056 gegen 4887 im Vorjahr. Es erfolgte also im Ganzen eine Zunahme dieser Arbeiterinnen um 169; in der Textilindustrie, wurden in Folge des schlechten Geschäftsganges 120 Arbeiterinnen weniger beschäftigt als 1899. Während die Zahl der in inspektions­pflichtigen Betrieben verwendeten Arbeiter überhaupt von 21 504 auf 22 343 stieg, mithin um 839 oder um 3,75 Prozent, vermehrte sich die Zahl der betreffenden Arbeiterinnen nur um 3,30 Prozent. 294, also fast 6 Prozent der gesammten Arbeiterinnen, waren jugendliche. In der Holzindustrie, zu der auch die Knopf- und Bürstenfabrikation ge­hört, famen auf 5262 Arbeiter 463 weibliche, von denen ungefähr die Hälfte ledig, die Hälfte verheirathet war. Daß die Gesammt­zahl der Arbeiter stärker gewachsen ist als die Zahl der beschäftigten Arbeiterinnen, erklärt sich nicht blos durch die angeführte Entlassung von Textilarbeiterinnen, sondern auch durch die steigende Verwendung jugendlicher Arbeitskräfte. 1900 waren von der Gesammtarbeiterschaft der inspektionspflichtigen Betriebe 1,3 Prozent weibliche und 3,6 Pro­zent männliche jugendliche Arbeiter. Die mitgetheilten Zahlen spiegeln die Krise wieder, die 1900 heraufzuziehen begann. Die Unternehmer suchen bekanntlich die bitteren Folgen schlechten Geschäftsganges für ihren Geldbeutel auch dadurch zu mildern, daß sie die billigsten und widerstandsunfähigsten Arbeitskräfte möglichst zahlreich verwenden.

Die Zahl der englischen Postbeamtinnen betrug im letzten Jahre 35 000. Die Verwendung von Frauen im englischen Postdienst erfolgte zuerst 1870. 1871 wurden auf Grund der gewonnenen Er­fahrungen 1000 Postbeamtinnen angestellt. Ihre Zahl hat sich mit jedem Jahre vermehrt, ein Beweis dafür, daß die Frauen sich dem Thätigkeitsgebiet gewachsen gezeigt haben.