über ausgiebig ausgenügt werden würde, dafür bürgt der glänzend bewährte Amtseifer der Polizeibehörden und Gerichte im Klassenstaat. Die gefeßlich verpönte politische Angelegenheit bliebe nach wie vor der Strick, mittels dessen das Streben der Proletarierinnen abgewürgt werden könnte, sich durch gewerkschaftliche und sozialpolitische Aktionen menschenwürdigere Lebensverhältnisse zu erringen. Was das Vorurtheil gegen die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts geschaffen, das würde sich das Klasseninteresse der Besitzenden im Kampfe gegen die Begehrlichkeit" der Werkthätigen dienstbar machen.
Dem reaktionären Zwitterding bürgerlicher Reformlerei stellte Bebel mit eindringlicher Beredsamkeit die Forderung entgegen: volle Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts auf allen Gebieten, die Theilnahme an der Regierungsgewalt inbegriffen. Und thm erstand ein Bundesgenosse, den die Wenigsten sich träumen ließen. Der Konservative von Stardorff erklärte sich für die politische Gleichberechtigung der Geschlechter, sogar das Frauenwahlrecht hat seine Schrecken für ihn verloren. Diese Erklärung ist von großer symptomatischer Bedeutung. Sie tundet, daß auch in Deutschland allmälig eine Entwicklung beginnt, die durch den Druck des sich schärfer zuspizenden Klassenkampfes zwischen Proletariat und Stapital bedingt wird. Je unwiderstehlicher die werbende Straft ist, mit der die sozialdemokratische Bewegung die Massen ergreift, je unaufhaltsamer nach und nach die bürgerlichen Parteien die Gefolgschaft ihrer proletarischen Wähler verlieren: um 10 mehr werden diese dazu gedrängt, in der Entfesselung und Ausnuzung des politischen Einflusses der Frauen das lezte Heil für die Aufrechterhaltung ihrer Machtposition zu erblicken. So begegnen sich Reaktionäre und Revolutionäre in der gleichen Forderung: volle politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts. Die Emen wollen das politische Hecht der Frau, um Dank der wirthschaft lichen Herrenmacht und geistlichen Demagogie die politische Unreife großer Frauenmassen für die Zwecke der Reaktion auszubeuten. Die Anderen begehren dieses Recht, weil sie von der Logik der Thatsachen, welche durch die Klassengegensäge eingepaukt wird, weil sie von der wachsenden Netfe und Schulung der Frauenmassen eine Förderung des Umsturzes" der kapitalistischen Ordnung erwarten. Die bürgerlich Liberalen haben wir sehen hier von England ab, wo die Verhältnisse in mancher Hinsicht anders ge= artet sind den ärgsten Reaktionären gleich, den politischen Stumpfsinn der Frauen als Tugend gepflegt. Sie haben den Kampf um die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts nicht grundsäßlich zu dem ihrigen gemacht, wie die Sozialdemokratie. Sie sind nicht in der Lage, wie Zentrümler und Stonservative großen Schaaren wirthschaftlich und geistig verknechteter Frauen zu kommandiren. Sie können deshalb weder den Reaktionären von rechts gleich auf die Gefolgschaft blinder politischer Höriger spekuliren, noch wie die Sozialdemokratie auf politisch geschulte Anhängerinnen zählen. So sind es die bürgerlichen Liberalen, welche sich allen Grundsäßen des Liberalismus und der Demokratie zum Troß mit der größten Heftigkeit gegen die volle politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts sträuben.
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Das Verhalten der Parteien in Belgien zur Forderung des Frauenwahlrechts; das Eintreten der katholischen Frauenbewegung und einflußreicher Klerikaler in Frankreich für dieselbe; die Umstände, unter denen in Norwegen das tommunale Frauenwahlrecht eingeführt wurde: bestätigen unseres Erachtens, daß die Dinge auf dem europäischen Festlande in der gekennzeichneten Richtung vorwärts treiben. Die Aeuße= rung des brotwucherischen Junters im deutschen Reichstag aber ist eines jener fliegenden Strohhälmchen, die da anzeigen, wohin der Wind bläst. Wir verzeichnen sie als ernste Mahnung, wie dringend nöthig es ist, daß wir Alle mit größtem Nachdruck an dem Werke der Aufklärung der proletarischen Frauenmassen arbeiten. Die Sozialdemokratie muß geruhig und gewappnet den Zeiten entgegenjehen können, wo die Reaktion auch in Deutschland die Parole zum politischen Wettrennen um die arme Frau ausgiebt. Sie muß versichert sein, daß für sie diese Parole mehr geschulte Mitkämpferinnen als turzsichtige Gegnerinnen in das Blachfeld des Klassentampfes ruft.
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Frauenarbeit in der Montanindustrie.
Die Frau gehört ins Haus! Die 1899 er Berichte der Gewerbeaufsichtsbeamten haben gezeigt, was es mit diesem schönen Schlagwort auf sich hat. Sie haben erwiesen, daß regelmäßig über die
Hälfte, und daß recht häufig zwei Drittel und mehr der verheiratheten Arbeiterinnen durch die bittere Noth dazu gezwungen sind, zum Unterhalt der Familie beizutragen oder gar vorwiegend dafür zu sorgen.
So lange dieser Zwang der Noth besteht, ist es nichts weiter als eine tönende Phrase, im Namen der gefährdeten Sittlichkeit und des bedrohten Familienlebens die gesetzliche Abschaffung der gewerblichen Arbeit verheiratheter Frauen zu fordern. Unbedingt nothwendig ist es dagegen, mit aller Energie dafür einzutreten, daß die Schäden gemindert werden, welche gegenwärtig der Frauenarbeit in Folge der kapitalistischen Ausbeutung anhaften, und daß die gesammten Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlohnung und Lebenshaltung eine solche Umgestaltung erfahren, daß die Arbeit sich aus einem Fluche in einen Segen, in ein Mittel zur inneren und äußeren Selbständigkeit umwandeln kann. Weiter ist es nothwendig, das Verbot der Frauenarbeit überall da zu fordern, wo sie die Frauen selbst, sowie die heranwachsende oder künftige Generation empfindlich bedroht und schädigt. Wenn aber irgendwo, so ist das bei der Berg- und Hüttenarbeit der Fall.
Aus dieser Einsicht ist die Arbeit unter Tage im deutschen Berggebiet für alle weiblichen Arbeiter verboten worden. Die über Tage sollte verboten sein. Allerdings ist sie geringfügig überall da, wo der Bergmann annähernd genug für den Unterhalt der Familie verdient. Wohl aber blüht sie dort, wo die erblichen Wächter der Sitte und Sittlichkeit, die patentirten Schüßer der Familie ihre weitausgedehnten Besitzungen haben. Im streng fatholischen Oberschlesien ist sie vor allem daheim. Dort wo die reichen Kohlenmagnaten, die festesten Stützen des scheinbar so arbeiterfreundlichen Zentrums hausen, dort schuften Frauen jahraus jahrein in der Montanindustrie bei schwerer zerrüttender Arbeit. Sie verdienen damit durchschnittlich 1,30 Mark täglich und zusammen mit ihren Männern so viel, oder sogar weniger als der männliche Bergarbeiter des Ruhrgebietes allein. Weil der Mannesverdienst in der schlesischen Montanindustrie zum Unterhalt der Familie nicht ausreicht, muß die Frau zum Erwerb mit heran. Also nicht, weil die Arbeiterinnen keinen Sinn für die Häuslichkeit und Familienpflichten haben, sondern weil sie müssen, verwahrlosen sie ihr Heim und ruiniren sie ihre und der künftigen Generation Lebenskraft und Gesundheit vor den gluthheißen Dejen der Zinkhütten, beim Kohlenverladen, Wagenstoßen 2c. 2c. Jm Bayreuther Bergbezirk wurden übrigens 1898 Arbeiterinnen sogar unter Tage angetroffen und bei Gelegenheit eines Prozesses tam heraus, daß 14- bis 16 jährige Kinder 18 Stunden ununterbrochen auf der Grube arbeiteten.
1882 wurden 13092 Arbeiterinnen gezählt, die bei der Gewinnung von Kohlen, Erzen, Salzen und Hüttenprodutten thätig waren. 1895 hatte sich ihre Zahl auf 14032 und 1896 auf 15779 erhöht. Für 1899 wurde ein kleiner Rückgang auf 15 092 konstatirt. Da dieser Rückgang aber zusammen mit einer Vermehrung der jugendlichen Arbeiterinnen auftritt( ihre Zahl betrug 1896 1022, 1899 aber 1278), so fann man wohl vermuthen, daß in Folge der allgemeinen wirth schaftlichen Prosperität alle verfügbaren vollkräftigen Arbeiterinnen in anderen Gewerbearten Verwendung fanden, so daß die schlechtzahlende oberschlesische Montanindustrie sich mit den 13 bis 16 jährigen Arbeitskräften begnügen mußte. So wurden 1896 in der Metallverarbeitung 35356, 1898 aber 38988 erwachsene Arbeiterinnen gezählt. Auch die größere Billigkeit der jugendlichen Arbeiterinnen ist sicher von Einfluß auf ihre steigende Verwendung gewesen.
Von den 6064 Arbeiterinnen, die 1899 im Steinkohlenbergbau gezählt wurden, entfielen 3815( über 50 Prozent) allein auf Ober schlesien , auf Schlesien überhaupt 4199, also nahezu 70 Prozent. In Oberbayern wurden 290, in der Provinz Sachsen 381, im Königreich Sachsen 502, in Altenburg 170 und in Lothringen 39 Arbeiterinnen beim Steinfohlenbergbau verwendet. Von den 1436 weiblichen Eisenerzbergleuten kommen 1185 gleich 81 Prozent auf Oberschlesien , von den 2452 Zinterzarbeiterinnen entfallen 2330 auf Oberschlesien , die übrigen 100 auf das katholische Köln - Aachener Revier.
Diese Zahlen spiegeln wieder, wie in Wirklichkeit die familienerhaltende politik des frommen Zentrums aussieht. Was diese Wirklichkeit bedeutet, das wird klar, wenn wir einen Blick auf die Art der Arbeit und die dadurch bedingten Gesundheitszustände werfen. Bei der Kohlenverladung, an den Koks- und Zinköfen schaffen die Frauen. Der Wertsarzt in Antonienhütte, Dr. Seiffert, sagt darüber:
,, Unsere Zinthüttenarbeiterinnen, bei denen man doch, im Gegensatz zu den besser situirten Ständen, Neigung zur Bleichsucht nicht gerade voraussetzen kann, leiden häufig und intensiv daran. Die