fordert es zum Kampfe heraus, wenn die Frauen als Schmutz­fonkurrenten des Mannes ausgebeutet werden. Allerdings nicht zum Kampfe gegen das Eindringen weiblicher Arbeitskräfte in neue Er­werbszweige, wohl aber zum Kampfe für die höhere Entlohnung der Frauenarbeit, zum Kampfe für die Forderung: gleicher Lohn für gleiche Leistung ohne Unterschied des Geschlechts des Leistenden.

Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.

Die Gewerkschaftsorganisation der Toilette- und Garde­robefrauen, Frühstücks- und Zeitungsausträgerinnen, Put­und Scheuerfrauen 2c. von Berlin , deren Gründung vor etlicher Zeit schon von der Freien Vereinigung der deutschen Gewerk­schaften" in die Wege geleitet worden,( Siehe Nr. 3 der Gleichheit") ist nun ins Leben getreten. Die Konstituirung erfolgte am 10. Februar in einer öffentlichen gewerkschaftlichen Frauenversammlung, welche die Freie Vereinigung" in Verbindung mit einem Frauenkomite vor­bereitet und einberufen hatte, das überhaupt für die Ausbreitung der lokalen Gewerkschaftsorganisation unter den Arbeiterinnen wirken soll. Genosse Groger referirte unter lebhaftem Beifall über die Nothwendigkeit der gewerkschaftlichen Organisation für die Frauen und Mädchen Berlins ." Der Redner entrollte ein eindruckvolles Bild von der schändlichen Ausbeutung, welcher die oben angeführten Arbeiterinnenkategorien unterworfen sind, ganz besonders auch die Arbeiterinnen der Reinigungsinstitute. Genossin Gubela verlas das vom Frauenkomite ausgearbeitete Statut der neuen Dr­ganisation. Mit Ausnahme der Geschäftsordnung, die später feſt­gestellt werden soll, wurde es von der Versammlung angenommen. Die Organisation führt den Namen: Gewerkschaftlicher Frauen­verein sämmtlicher Berufszweige Berlins und Umgegend". Das Eintrittsgeld ist auf 40 Pf. festgesetzt, der monatliche Beitrag ebenfalls auf 40 Pf. Das Statut sieht für die Mitglieder einige Unterstützungen vor. Wie Genossin Gubela mittheilte, sind der neuen Organisation bereits gegen 100 Frauen und Mädchen beigetreten. Der Vorstand besteht aus den Frauen Gubela und Drese als Vor­sitzenden, Westfal und Grun als Kassirerinnen, Bartel und John als Schriftführerinnen, Jahn, Kurz, Feder, Lutas, Ranno und Schultz als Beisigerinnen und Ersazbeisigerinnen.

Die gewerkschaftliche Agitation unter den Arbeiterinnen des Buchbindergewerbes behandelte Genosse Quint- Fürth in einem vorzüglichen Referat vor der kombinirten Mitgliederver­sammlung des Gaues Nordbayern des deutschen Buchbinderver= bandes, die kürzlich in Fürth stattfand und zahlreich besucht war. Klar und überzeugend begründete der Referent die Nothwendigkeit einer planmäßig und geduldig betriebenen Agitation und Kleinarbeit unter den Arbeiterinnen, um diese für die Gewerkschaft zu gewinnen und zu tüchtigen Gewerkschaftern zu erziehen. Die lebhafte Debatte zeitigte nur zustimmende Ausführungen und Klagen darüber, daß sogar die politisch und gewerkschaftlich organisirten Arbeiter in den vertretenen Orten sich nicht bemühen, ihre im Buchbindergewerbe be­schäftigten Frauen und Töchter dem Verbande zuzuführen. Der Vor­sitzende der Zahlstelle Fürth , Genosse Dürr , hob hervor, daß bekannte Gewerkschafts- und Parteiführer ihre berufsthätigen weiblichen An­gehörigen nicht veranlassen, sich zu organisiren. Dieser Gleichgiltigkeit und Lauheit müsse man einen moralischen Druck entgegenstellen. Eine vorzunehmende Enquete werde in Fürth den Beruf des Vaters oder Mannes der Arbeiterinnen in Buchbindereien feststellen und dann solle auf die Betreffenden eingewirkt werden. Auch bei den Berichten der einzelnen Zahlstellen war mehrfach auf die Nothwendigkeit einer regen gewerkschaftlichen Agitation unter den Arbeiterinnen hingewiesen worden. So vor allem von den Vertretern für Fürth , Nürnberg und Würzburg . Der Letztere führte an, daß die Unter­nehmer in Würzburg fürzlich einen Arbeiterinnenverein," Patronage", gegründet haben. Er veranstaltet jeden Sonntag einen großen Klim­bim, bei welchem die Arbeiterinnen mit Kaffee, Ruchen und schönen Redensarten bewirthet werden. Die Hebung der Sittlichkeit" soll der Zweck sein, den der Verein verfolgt. Natürlich wird aber den Arbeiterinnen verschwiegen, daß ihre Sittlichkeit am wirksamsten durch Erhöhung der Schundlöhne gehoben werden könnte, die in Würz­ burg üblich sind. Bei den Verhandlungen wurde ferner berichtet, daß seitens der Unternehmer unter den Arbeiterinnen sehr rege mit den berüchtigten Schriften der berüchtigten Pastor Hülleschen Bro­chürenfabrik agitirt würde. Dieser Agitation, welche den Geist der Arbeiterinnen vergiftet und ihren Willen lähmt, soll durch Verbreitung der Gleichheit" entgegengewirkt werden. Die Konferenz wird sicherlich dazu beitragen, die Agitation unter den Arbeiterinnen des Buchbinder­gewerbes zu beleben, sie einheitlich und fruchtbar zu gestalten. Wie noth das thut, erweisen die folgenden Zahlen: in Fürth waren im

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Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Bettin( 8undel) in Stuttgart .

letzten Quartale von 450-500 Arbeiterinnen 37 organisirt; in Er­ langen 25; in Nürnberg gar nur 14; in Regensburg 24.

Das Organ des Vereins der Arbeiterinnen und Arbeiter der Wäsche und Kravattenbranche Berlins wird seit dem 1. Januar dieses Jahres in vergrößertem Format herausgegeben. Es führt den Titel Der Wäsche- Bote", erscheint monatlich und steht im 2. Jahrgange. Hoffentlich wird der Wunsch erfüllt, mit dem das Blatt den neuen Jahrgang einleitete: dazu beizutragen, daß ,, Selbst­bewußtsein, Kollegialität und Solidarität" unter den betreffenden Schichten der Ausgebeuteten gehoben und gefördert werden.

Frauenbewegung.

Zu Gunsten des Frauenstimmrechts fand in Berlin eine öffentliche Versammlung statt, welche von dem Verein für Frauen­stimmrecht", einer Gründung der radikalen Frauenrechtlerinnen, einberufen worden war.( Siehe Nr. 2 der Gleichheit".) Die Ver­

ſammlung war von etwa 1000 Personen besucht und nahm fol­gende Resolution an:" Die am 12. Februar in Berlin , Beuth­straße 19/20, tagende Versammlung von Männern und Frauen erklärt, daß die Ausübung des Stimmrechts durch die Frauen vom ethischen und wirthschaftlichen, vom politischen und sozialen Standpunkte aus eine unbedingte Nothwendigkeit ist. Sie rechnen zuversichtlich darauf, daß bei den nächsten Reichstagswahlen dieser Punkt von allen Par­teien in ihre Programme aufgenommen und diese Forderung energisch vertreten wird." Die Resolution soll dem Reichstag übergeben werden. Ein eingehender Bericht über die Versammlung liegt uns zur Zeit noch nicht vor. Was die Resolution anbelangt, so befundet sie einen ganz außerordentlichen Grad von Utopismus. Sie giebt der zuversichtlichen Erwartung Ausdruck, daß bis 1903 alle Parteien die Forderung des Frauenstimmrechts in ihre Programme aufnehmen. Bis jetzt hat nicht einmal die süddeutsche Volkspartei so viel Ein­sicht besessen, um auf ihren Tagungen die Frage der vollen Gleich­berechtigung der Geschlechter auch nur zur Verhandlung zu bringen. Der resolvirten schönen Zuversicht gegenüber können wir deshalb nur mit dem Berliner sagen: Allerhand Hochachtung!

Die erste deutsche Frau als Referentin einer bürgerlichen politischen Partei über eine politische Frage. Ende Februar wird in Königsberg Fräulein Dr. Augspurg im Auftrag der Freisinnigen Volkspartei über den Zolltarif" sprechen. Es ist zum ersten Male, daß in Deutschland eine bürgerliche politische Partei eine Frau beauftragt, ein politisches Thema zu behandeln. Bei der Sozialdemokratie besteht bekanntlich auch in dieser Hinsicht die volle Gleichberechtigung der Geschlechter. Nach vielen Hunderten zählen die Referate, die im Laufe der Jahre in ihrem Auftrag über politische Fragen von Frauen gehalten worden sind. Jetzt erst scheint man seitens bürgerlicher Parteien der Sozialdemokratie nachhumpeln zu wollen. Die Frauenbewegung" irrt deshalb, wenn sie ihren Leserinnen vorplaudert, es sei das erste Mal, daß eine politische Partei eine Frau entsendet, um über ein politisches Thema zu sprechen". Oder zählt bei ihr die Sozialdemokratie vielleicht nicht zu den poli tischen Parteien, und diese fangen erst bei dem imposanten Freisinn und den ebenso imposanten Nationalsozialen an?

Die Zulassung von Frauen als Gerichtsbeisiger in Nor­ wegen ist vom Odelsthing durch die Aufnahme eines entsprechenden Gesetzentwurfes beschlossen worden. Ein weiterer Gesetzentwurf, den das Justizdepartement gegenwärtig ausarbeitet, sieht den Zutritt der Frauen zu allen juristischen Staatsämtern vor.

Die Eröffnung einer höheren Handelsschule für Mädchen in Moskan, die mit einem Vorbereitungskursus verbunden ist, wurde von den Behörden genehmigt. Die Absolvirung der Schule giebt das Anrecht auf ein Diplom als berufstechnisch geschulte Korrespondentin oder Buchhalterin.

,, Neues Frauenleben" ist der Titel, unter dem Fräulein Auguste Fickert , Vorsitzende des Allgemeinen österreichischen Frauenvereins " in Wien , seit 1. Januar eine Frauenzeitschrift weiterführt, die bisher von Fräulein Littman herausgegeben wurde. Die Zeitschrift erscheint monatlich und will hauptsächlich die Pro­paganda der Jdeen der Frauenbewegung fördern. Die Herausgeberin ist als radikale und äußerst rührige Frauenrechtlerin vortheilhaft bekannt, ebenso als charaktervolle Gemeindeschullehrerin, die in ver dienstvollster Weise unter den größten Schwierigkeiten gegen die anti­semitische Verdummungs- und Schandwirthschaft in Wien fämpft. So darf man hoffen, daß die neue Zeitschrift ein wackerer Kämpe für die Ziele der bürgerlichen Frauenbewegung und Demokratie sein wird. Neues Frauenleben" ist zu 4 Kronen pro Jahr in allen Buchhandlungen und der Administration Wien XVIII/ I, Schulgasse 41, zu abonniren.

Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. s.) in Stuttgart .