Verständniß geleitet, thaten sie einen wichtigen Schritt, um bessere Fühlung mit den Arbeiterinnen und größeres Vertrauen derselben zu erlangen. Wenn konsequent weiter verfolgt, kann der unternommene Schritt wesentlich dazu beitragen, die Aufgaben der Gewerbeaufsicht zu erleichtern und zu fördern und den Arbeiterinnen ein höheres Maß gesetzlichen Schutzes zu sichern.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

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Die Herrlichkeiten der Existenz weiblicher Angestellten werden durch den folgenden Fall illustrirt, welcher durch die Herz losigkeit und Wortbrüchigkeit eines Chefs veranlaßt wurde, und der jüngst vor der Zivilabtheilung des Amtsgerichts I Berlin   zur Ver­handlung gelangte. Bei der bekannten Handlungsfirma Ottomar Anschütz  ( photographische Artikel) hatte ein junges Mädchen eine Stel­lung als Korrespondentin angetreten. Sofort beim Engagement theilte die Dame ungefragt dem Prinzipal mit, daß sie etwas lungenleidend sei, und bei Beendigung der Probezeit setzte sie den Herrn davon in Kenntniß, daß sie wahrscheinlich gezwungen sein würde, sich auf Kosten der Landesversicherung einer Kur in Görbersdorf zu unterziehen. Herr Anschütz versprach wiederholt, ihr in jedem Falle die Stellung offen zu halten. Die Korrespondentin trat demgemäß an dem von der Versicherungsanstalt Berlin   bestimmten Tage die Reise nach dem Kurorte an. Hätte ihr Herr Chef das erwähnte Versprechen nicht gegeben, so würde sie sich in keinem Falle der Kur unterzogen haben. Völlig mittellos und alleinstehende Waise, fehlte ihr andernfalls jede Aussicht, von Görbersdorf zurückgekehrt irgendwo Unterkommen oder sofort Stellung zu finden. Einige Tage nachdem die Korrespon­dentin in der Heilanstalt angekommen war, erhielt sie von ihrem Chef einen Brief des Inhalts, daß sie aus seinem Geschäft entlassen sei, nicht mehr dorthin zurückkehren dürfe und auch keine Gehalts­ansprüche mehr habe. Man kann sich denken, wie dieses Schreiben auf die Leidende wirken mußte. Thatsächlich drohte ihr, nach Be­endigung der Kur die öffentliche Armenpflege angehen zu müssen die Hilfe von Privatwohlthätigkeitsanstalten hatte sie vergebens an­gerufen, als sie schwer frank aufs Lager geworfen, viele Wochen lang beschäftigungs- und brotlos war. Auf mehrfache Briefe an den Prin­zipal, in denen sie diesen an sein wiederholtes Versprechen erinnerte, erhielt sie die Antwort, sein Versprechen wäre nur als eine durch die Theilnahme eingegebene Höflichkeitsform an zusehen, er müsse sie auf den Klageweg verweisen. Vor Gericht erhob der Angeklagte unter Anderem den Einwand, die Klägerin habe sich durch Betrug die Stellung bei ihm verschafft; sie habe ihm auf seine bezügliche Frage geantwortet, sie sei gesund. Da diese Behauptungen sich ebenso wie die anderen Einwürfe als haltlos er­wiesen, wurde Anschütz verurtheilt, sechs Wochen Salair an seine frühere Angestellte zu zahlen.

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t. n.

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Noth und Elend als Folge der herrschenden Krise treten besonders kraß in Werdau   zu Tage. Dort sind bei noch nicht ganz 20000 Einwohnern über 1200 Arbeitslose. Dazu kommen noch die sehr vielen Arbeiter und Arbeiterinnen, die verkürzte Arbeitszeit und in der Folge schlechteren Verdienst haben. Ganze Fabriken stehen leer, andere sind nur in theilweisem Betrieb, manche sind abgebrannt. Die Proletarierinnen, die dem Verdienst nachgehen, wie jene, welche den bescheidenen Haushalt führen, leiden sehr schwer unter diesem Stande der Dinge. In Grüneberg i. Schl. sind die Verhältnisse ebenfalls die denkbar traurigsten. Schon in verhältnißmäßig guten wirthschaftlichen Zeiten reicht hier der Verdienst von Mann und Frau zusammen kaum aus, um den Unterhalt der Familie zu decken. Man denke, welche Entbehrungen und Sorgen jetzt ihren Einzug in die ärmlichen Wohnungen gehalten haben, wo bald der Mann, bald die Frau nur theilweise beschäftigt ist, vielleicht auch beide brotlos sind! Viele wissen nicht mehr, wie sie die wichtigsten Lebensmittel er­schwingen sollen. Eine Vertheuerung derselben durch die Zollvorlage würde in Grüneberg und Umgegend wie in vielen anderen Bezirken die Volksgesundheit auf das Schwerste schädigen.

Soziale Gesetzgebung.

P. T.

Ein neues Arbeiterinnenschutzgesetz in der Schweiz  . Dem Großen Rathe( Landtag  ) des Kantons Aargau   liegt der Entwurf zu einem neuen kantonalen Arbeiterinnenschutzgesetz vor, der sich mehrfach an das Arbeiterinnenschutzgesetz des Kantons Zürich  anlehnt und daher ziemlich weitgehend ist. Das Gesetz soll sich er­strecken auf alle gewerblichen Betriebe, in denen eine oder mehrere weibliche Personen als Arbeiterinnen oder Lehrtöchter beschäftigt sind und zwar auch dann, wenn sie im Hause des Geschäfts­inhabers Rost und Wohnung haben. Mädchen im schulpflichtigen Alter, das heißt unter 14 Jahren, dürfen weder als Arbeiterinnen

noch als Lehrtöchter eingestellt werden. Die Dauer der täg­lichen Arbeitszeit beträgt 10, an den Vorabenden von Sonn- und Festtagen 9 Stunden. Arbeit an Sonn- und Fest­tagen ist verboten. In Ausnahmefällen kann die tägliche Arbeitszeit mit Erlaubniß der Behörden verlängert werden. Die gegenseitige Kündigungsfrist beträgt 14 Tage, die Lohnzahlung hat ebenfalls spätestens alle 14 Tage zu erfolgen. Für die Beschaffenheit der Arbeits­räume enthält der Entwurf sanitarische Vorschriften. Den weib lichen Angestellten in Ladengeschäften ist eine ununter­brochene Nachtruhe von mindestens 10 Stunden zu gewähren. Die für den Betrieb von Wirthschaften angestellten weiblichen Be­diensteten können, soweit es zur Bedienung der Gäste nöthig ist, Abends bis zum Eintritt der Polizeistunde und bei Freinächten auch über dieselbe hinaus verwendet werden. In allen Fällen ist ihnen aber eine ununterbrochene achtstündige Nachtruhe zu gewähren. Mädchen unter 18 Jahren dürfen, wenn sie nicht zur Familie des Wirthes gehören, zur Bedienung der Gäste nicht verwendet werden. Weibliche Angestellte in Ladengeschäften und Wirthschaften sollen monatlich mindestens einen Sonntag frei haben. Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz werden mit Geldbußen bis zu 200 Fr. und mit Gefängniß­strafen bis zu 3 Monaten bedroht. Soweit der Schutz der gewerb­lichen Arbeiterinnen und Lehrtöchter in Betracht kommt, ist der vor­liegende Gesetzentwurf zu begrüßen; dagegen sind die Bestimmungen, betreffend die weiblichen Angestellten in Ladengeschäften und Wirth­schaften, absolut unzulänglich und nur als ein schüchterner Anfang eines gesetzlichen Schutzes zu betrachten. Die vierzehnstündige tägliche Arbeitszeit für Ladenangestellte, die sechzehnstündige für Kellnerinnen 2c., das sind Normalarbeitstage", die einen blutigen Hohn auf jeden Arbeiterinnenschutz bilden, nicht minder die Bestimmung, daß den beiden Kategorien weiblicher Erwerbsthätiger nur je ein Sonntag im Monat freigegeben werden soll. Den Ladnerinnen müßte jeder Sonn­tag freigegeben werden, man dürfte zu diesem Zwecke ja nur den Ladenschluß anordnen. Für das Wirthschaftspersonal liegen die Ver­hältnisse freilich ungünstiger, da im Wirthschaftsgewerbe der Sonntag der hauptsächlichste Geschäftstag ist. Gerade darum steht für das Wirthschaftspersonal auch der eine freie Sonntag im Monat auf dem Papier, und es müßte, wie im Züricher   Wirthschaftsgesetz, durch Freigabe von Wochentagen Ersatz für den entgehenden Sonntag geschaffen werden.

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d. z.

Einen wirksamen gesetzlichen Schutz der Frauen- und Kinder­arbeit hat das italienische Proletariat kürzlich in einer imposanten Aktion gefordert. Am 23. Februar fanden in Städten und größeren Landorten mehr als 300 Versammlungen statt, welche sich für den Gesezentwurf zur Regelung der Frauen- und Kinderarbeit erklärten, den die sozialistische Fraktion bereits vor längerer Zeit in der Kammer eingebracht hat. Die Versammlungen waren von den Arbeitskammern einberufen worden und erfreuten sich ausnahmslos eines glänzenden Besuchs. In vielen Orten nahm die gesammte werkthätige Bevölke­rung Landproletariat und Kleinbauern inbegriffen an ihnen Theil. Die Frauen waren in großer Zahl in den Versammlungen vertreten, in Oberitalien   vor Allem die Textilarbeiterinnen, in der Poebene   die Reisarbeiterinnen. Die bekanntesten Vortämpferinnen der sozialistischen   Frauenbewegung in Italien   die Genossinnen Altobelli, Cabrini, Bronzini, Malnati 2c. befanden sich unter den schäßt nach den ihm zugegangenen Berichten die Zahl der Versamm­Referenten, aber auch viele einfache Arbeiterinnen. Der Avanti" lungstheilnehmer auf 7-800 000. Am Vorabend der Demonstration telegraphirte der Minister des Innern an die Präfettur die Weisung, die Versammlungen eventuell zu verbieten. Die offiziöse Presse be­gründete dies damit, daß das Kabinet sich nicht die Autorität zu­traue, die bisher gewährte Versammlungsfreiheit aufrecht zu erhalten. Nur in wenig Orten erfolgten jedoch Versammlungsverbote, so in Ordnung. Wir haben bereits früher die Bestimmungen des sozia­Rom, Turin   2c. Die gewaltige Kundgebung verlief überall in bester listischen Gesetzentwurfs mitgetheilt, die von unserer tapferen Ge­nossin Kulischoff ausgearbeitet worden sind, die von Anfang an die treibende Kraft der sozialistischen   Aktion zu Gunsten des Schutzes der Frauen und Kinderarbeit gewesen ist. Wir werden auf den Entwurf wie auf den der Regierung und die Vorschläge der parla­mentarischen Kommission noch zurückkommen.

Vereinsrecht der Frauen.

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Das Versammlungsrecht der Frauen vor dem preußischen Abgeordnetenhaus. Der letzten großen Versammlung des zoll­wucherischen Bundes der Landwirthe" im Zirkus Busch zu Berlin   wohnten auch Damen bei. Ihre Anwesenheit provozirte durchaus nicht das gesetzes- und staatsretterische Einschreiten der hoch­