flossenen Krisenjahr die Zahl der männlichen Mitglieder der Nürn­ berger   Gewerkschaften von 11 862 auf 11067 zurückging, stieg die Zahl der organisirten Arbeiterinnen von 1030 auf 1124. Unter den 29 Zahlstellen von Gewerkschaften, die in Nürnberg   ver­treten sind, umschlossen Anfang 1901 14, Ende 1901 16 organisirte Arbeiterinnen. Weibliche Mitglieder fehlten während des ganzen Jahres in den Organisationen der Bader   und Friseure, der Bäcker, Bau- und Erdarbeiter, Bildhauer, Buchdrucker, Büttner( Böttcher), Chemigraphen, Eisenbahner, Former, Glaser  , Hafner, Handlungs­gehilfen(?), Handelshilfsarbeiter, Heizer und Mechaniker, Kupfer­schmiede, Lackirer, Lederarbeiter, Lithographen, Maler, Maurer, Porzellanarbeiter, Sattler, Schmiede, Städtische Arbeiter, Stein­arbeiter, Steindrucker, Stukkateure, Tapezirer, Zimmerer, Zinngießer. Am Ende des Jahres, nicht aber am Anfang, hatten weibliche Mit­glieder die Brauer und die Sektion Schniegling   des Deutschen Metall­arbeiterverbandes. Die Zahl der weiblichen Mitglieder stieg im Laufe des Jahres bei den Zigarren- und Tabatarbeitern von 7 auf 8, bei den Feingoldschlägern von 533 auf 547, bei der allge­meinen Verwaltungsstelle des Deutschen Metallarbeiterverbandes von 59 auf 86, bei den Schneidern von 4 auf 10, bei den Schuh­machern von 36 auf 159. Mit einer Zahl von 28 weiblichen Mit­gliedern blieb sie gleich bei den Flaschnern, dagegen sank die Mit­gliederzahl bei den Buchbindern von 48 auf 14, bei den Konditoren von 2 auf 1, bei den Holzarbeitern von 226 auf 206, bei der Sektion Mögeldorf   des Deutschen Metallarbeiterverbandes von 11 auf 8, bei den Metalldrückern von 2 auf 1, bei den Reißzeugmachern von 45 auf 36, bei den Schleifern und Polirern von 12 auf 4, bei den Textil­arbeitern von 17 auf 12. Besonders erwähnenswerth ist die Sektion der Feingoldschläger des Deutschen Metallarbeiterverbandes, die mehr weibliche wie männliche Mitglieder zählt, sie hatte Anfangs des Jahres neben 533 weiblichen 286 männliche, am Ende des Jahres 547 weibliche und 304 männliche Mitglieder.

395 Arbeiterinnen traten im Jahre 1901 in die Nürnberger   Ge­werkschaften ein, 12 reisten zu, 17 reisten dagegen ab, 2 starben und 294 traten aus. An Aufnahmegebühren vereinnahmten die Nürn­ berger   Gewerkschaften von den weiblichen Mitgliedern 73,70 Mt., an Mitgliederbeiträgen 4802,05 Mk.

Den Zahlen nach steht Nürnberg   unter den Städten mit weib­lichen Gewerkschaftsmitgliedern in erster Reihe, trotzdem fehlt es aber noch an einer lebendigen Arbeiterinnenbewegung.

Frauenstimmrecht.

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Die Entscheidung des Parteitags der belgischen Arbeiter­partei betreffs des Frauenstimmrechts haben wir bereits furz in Nr. 8 mitgetheilt. In Folgendem nun eine ausführlichere Wiedergabe der einschlägigen bedeutsamen Verhandlungen. Sie freisten natur­gemäß um den nachstehenden Antrag des Generalraths der Arbeiter­partei:

" In Erwägung: daß für einen günstigen Abschluß dieser Wahl­rechtsbewegung die Einigkeit aller Revisionsfreunde nothwendig ist; daß die liberale Partei und die christlichen Demokraten ihre Zustim mung und Theilnahme an dem Wahlrechtskampfe von der konsti­tutionellen Festlegung der proportionalen Vertretung und von der Ausscheidung des Frauenwahlrechts abhängig machen,

beschließt der Kongreß:

Das Prinzip der proportionellen Vertretung wird in die Verfassung eingeschrieben, wenn das für die Erringung des allgemeinen Wahlrechts unerläßlich ist;

Die Verfassungsrevision bezieht sich nur auf das all­gemeine Männerstimmrecht; und im Falle, daß die kleri­fale Partei das Frauenstimmrecht in die Debatte einführt, verläßt sich der Kongreß auf das Geschick seiner Abge ordneten, dieses Manöver zum Scheitern zu bringen und die Vereinigung der Wahlrechtsfreunde aufrecht zu er­halten."

Vandervelde vertheidigte als Erster den Antrag der Partei leitung. Zur Frage des Frauenstimmrechts führte er aus: Diese große sozialistische Forderung fann vertagt, aber niemals von der Tagesordnung abgesetzt werden. Im Interesse der Partei nehmen wir momentan von ihr Abstand. Wir, die wir stets diese Reform vertheidigt haben, müssen leider selbst verlangen, sie jetzt dem Männer­stimmrecht zu opfern. Der Parteivorstand hat beschlossen, in diesem Punkte, wie in dem der Proportionalvertretung nachzugeben, wenn dies für den endgiltigen Sieg des allgemeinen Wahlrechts unerläßlich ist. Genosse Destrée bekämpfte scharf die Stellungnahme der Partei­leitung. Es handelt sich um Prinzipienfragen von großer Bedeutung,

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so sagte er. Die Liberalen verlangen von uns drei Konzessionen Einschreibung der Proportionalvertretung in die Verfassung; Aus­scheidung des Frauenstimmrechts; Verzicht auf alle revolutionären Maßnahmen, und sie geben uns nichts dafür, mehr noch, sie haben uns jederzeit verrathen. Wenn es sich um prinzipielle Dinge handelt, wie das Frauenstimmrecht, dann darf die Partei keine Zweideutigkeit walten lassen. Unsere Partei ist die Partei der Arbeiterklasse, die nicht ihr Programm nur hervorzieht, um es zu verleugnen. Wir fönnen fein Rompromiß abschließen, das auf Verleugnung der wich­tigsten Programmforderungen hinausläuft. 1895 stimmten wir in der Rammer einstimmig für das Wahlrecht der Frauen, und heute, nach sieben Jahren, haben Viele ihre frühere Stellungnahme preisgegeben und behaupten, die Frage sei nicht reif. Wenn es nun absolut im Interesse des allgemeinen Stimmrechts für die Männer liegt, will ich auch noch einer Vertagung dieser Frage zustimmen( Destrée hatte erklärt, seine Bedenken gegen die verfassungsgemäß festgelegte Pro­portionalvertretung zu opfern). Aber das ist das Höchste, was wir geben können. Kein Aufgeben der revolutionären Taktik, wie es die Liberalen fordern. Das Volk wird wie 1893 zum Generalstreit greifen müssen. Wenn die Einigkeit der Liberalen nicht bis ans Ende hält, so wird die Arbeiterklasse ohne sie siegen. Gegen Destrées Ausfüh­rungen wendete sich Dewinne. Die Bundesgenossenschaft der Libe­ralen, so meinte er, läßt der Arbeiterpartei den Sieg, das allgemeine Wahlrecht ohne Blutvergießen erringen. Die geforderten Konzessionen sind keine großen. Die proportionelle Vertretung wird nicht mehr bestritten. Bleibt das Frauenstimmrecht. Wir opfern es nicht, sondern wir vertagen blos den Kampf um dasselbe. Das Frauenwahlrecht jetzt einzuführen, wäre ein schreckliches Unglück für die Partei eben­sowohl, wie für die Frauen selbst. Seine Einführung bedeutet eine Verlängerung der klerikalen Herrschaft um 50 bis 100 Jahre. Die ganze Partei nimmt in der Sache eine ablehnende Stellung ein. ( Rufe: nein, nein!) Alle großen Föderationen haben dagegen ge­stimmt, weil sie der Ansicht waren, daß durch dieses Experiment nicht die Früchte einer achtzehnjährigen Agitation aufs Spiel gesetzt werden dürfen. Es ist beleidigend zu sagen, wir geben unsere revolutionäre Tattit auf. Prinzipien werden nicht geopfert. Nur der Wunsch, das allgemeine, gleiche Männerstimmrecht endlich einmal zu erlangen, hat uns die Resolution diktirt und zu den Konzessionen gezwungen. Genosse Vandervelde   ersuchte den Kongreß, auf keinen Fall von den sozialistischen   Abgeordneten in der Kammer zu verlangen, gegen ihre Ueberzeugung zu stimmen. Fällt heute hier in puncto Frauen­stimmrecht die Abstimmung negativ aus, erklärte er, so halte ich mich für nicht gebunden. Ich behalte mir vor, im gegebenen Augenblick meine Stellung zu präzisiren. Niemals dürfen wir uns hier schon jetzt festlegen, wo wir nur eine dunkle Ahnung haben, welche Wen­dung die Dinge nehmen können. Sehr energische Angriffe richteten die Genossen Pechin und Volkaert, der Organisator und Führer der Jungen sozialistischen Garden", gegen das vorgeschlagene Kom­promiß, das von Ersterem als Kuhhandel" bezeichnet wurde. Er hob hervor, daß die Resolution des Generalraths nicht einmal die For­derung enthalte: Buerkennung des Wahlrechts vom 21. Lebensjahre ab und bei sechsmonatlichem Wohnsitz, eine Forderung, die von den Liberalen bekämpft werde. Genosse Anseele trat dagegen mit dem Gewicht seiner verdienstreichen Persönlichkeit für den Antrag der Partei­leitung ein. Er sagte im Wesentlichen: Wir können nicht für alle Programmpunkte gleichzeitig kämpfen. Heute für das Wahlrecht der Männer, morgen für das der Frauen. Ist es keine Konzession von den Liberalen, wenn sie auf ihre Privilegien des Pluralsystems ver­zichten? Es kann sich jetzt nur darum handeln, die Einigkeit unter den Wahlrechtsfreunden aufrecht zu erhalten. Dieses Motiv ließ die vorliegende Resolution zu Stande kommen. Haben wir das Wahl­recht der Männer, dann haben wir größere Macht und größeren Einfluß, die wir dann für das Frauenstimmrecht einsetzen. Die so­ zialistischen   Frauen nahmen in guter Zahl an dem Parteitag theil. Aus ihren Reihen betheiligte sich nur Genossin Gatti de Gamond mit den folgenden Ausführungen an den Debatten: Wenn wir für den Antrag des Parteivorstandes stimmen, so geben wir nichts von unserer sozialistischen Ueberzeugung auf. Es ist schwer für uns Frauen, unsere eigenen Forderungen abzulehnen. Im Interesse des allgemeinen Männerstimmrechts stimmen wir der Resolution des Generalraths zu. Die vorgelegte Resolution wurde fast einstimmig angenommen. Bekanntlich hatten die sozialistischen   Frauen auf ihrem Landeskongreß eine Resolution zur Frage des Frauenstimmrechts beschlossen, welche dem Parteitage vorgelegt werden sollte. Sie hielt das Begehren des Frauenwahlrechts grundsätzlich mit allem Nachdruck aufrecht und forderte die sozialistische Fraktion auf, dieses so bald als möglich in der Kammer zu beantragen. Nach der entscheidenden Abstimmung erklärte Genossin Paula Gil im Namen der soziali­ stischen   Frauen: In Anbetracht der ernsten Situation, in der sich