abgeschieden" von den Männern, daß sie diesen nicht einmal sicht­bar war. Des Weiteren beanstandete der Ueberwachende die An­wesenheit von Frauen in einer Versammlung der Maurer zu Hannover  , die aus uns nicht bekannten Gründen zu einer ,, politischen" gestempelt wurde. Der Beamte forderte die Aus­weisung der Zuhörerinnen. Diese verfügten sich in einen Neben­saal, allein diese Absonderung" genügte dem Ueberwachenden nicht, er drohte mit Auflösung. Daraufhin schloß leider der Vorsitzende die Versammlung, statt es zur Auflösung kommen zu lassen. Unseres Erachtens haben die überwachenden Beamten in den drei vorstehenden Fällen auf gewerkschaftlichen Versammlungen ganz zu Unrecht die Be­stimmungen des Vereinsrechts angewendet. In Kiel   und Halle ist gegen ihr Vorgehen Beschwerde eingelegt worden, die hoffentlich die hohen Obrigkeiten darüber belehrt, daß sie die Koalitionsfreiheit des Reiches nicht durch irrthümliche Anwendung des preußischen Vereins­rechtes illusorisch machen dürfen. In Sachen der höchst eigenthüm­lichen Auflösung einer Versammlung des Textilarbeiterverbandes zu München- Gladbach( siehe Nr. 8 der" Gleichheit") ist die ein­gereichte Beschwerde von dem Bürgermeister abgewiesen worden. In der Begründung des Entscheids heißt es, daß der Polizeikommissar

den Vorschriften entsprechend korrekt verfahren ist und ein Anlaß zur Rechtsbelehrung desselben nicht vorlag". Diese Auffassung des Ortsgewaltigen ist um so wundersamer, als die Düsseldorfer  Straffammer wie wir schon mittheilten die betreffende Filiale des Textilarbeiterverbandes entgiltig für unpolitisch erklärt hat. Die Organisation wird übrigens für ihr Recht kämpfen und hat bereits beim Regierungspräsidenten Beschwerde eingereicht.

Notizentheil.

Soziale Gesetzgebung.

Eine winzige Reform des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes hat die Reichsregierung endlich in Aussicht genommen. Der Reichs­fanzler hat die Gewerbeinspektionen um Bericht über folgende Fragen ersucht:

, Erscheint es zweckmäßig und durchführbar, die nach§ 137 Ab­satz 2 der Gewerbeordnung zulässige tägliche Arbeitszeit von 11 auf 10 Stunden herabzusetzen; die nach§ 137 Absatz 3 zu gewährende Mittagpause von 1 Stunde auf zu ver= längern und den Arbeitsschluß am Sonnabend früher als Uhr zu legen, oder stehen Bedenken entgegen?"

Wir beschäftigen uns an anderer Stelle mit diesem Trippel­schrittchen nach vorwärts, das ein Beweis mehr dafür ist, wie saum­selig und unentschlossen die Sozialpolitik des Deutschen Reiches nach den fleinsten Zielen humpelt.

Die Verkürzung der Samstagarbeitszeit der Arbeiterinnen in der Schweiz   steht in Aussicht. Der Nationalrath hat beschlossen, der Bundesrath möge ein Bundesgesetz vorlegen des Inhaltes, daß die dem Fabrikgesetz unterstellten Arbeiterinnen und Arbeiter an Sonnabenden und an den Vorabenden von Feiertagen nur neun Stunden beschäftigt werden dürfen, keinesfalls aber länger als bis Nachmittags fünf Uhr. Eine sehr magere Reform, die in schroffem Gegensatz steht zu den Bedürfnissen und Forderungen des Schweizer  Proletariats.

Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.

Die

Ein Hirsch Dunckerscher Gewerkverein der deutschen  Frauen ist am 29. Juni in Berlin   gegründet worden. Der konsti­tuirenden Generalversammlung wohnten die Delegirten von 16 Frauen­ortsvereinen bei, die in verschiedenen Theilen des Reiches bestehen. Nach einem einleitenden Vortrag des Verbandsanwaltes Dr. May Hirsch wurde unter dem Vorsitz von Frau E. Zerbst der Statuten­entwurf nebst Rechtsschutzreglement eingehend durchberathen, in manchen Punkten wesentlich abgeändert und schließlich angenommen. Debatten brachten einen heftigen Zusammenstoß zwischen dem reaktio­nären Flügel der Gewerkvereine, den Märchen Hirsch führt, und den Rheinländern, welche in allen Gewerkvereinen die fortschrittliche Richtung repräsentiren. Frau Brocker- Düsseldorf, welche 5 Ver­eine vertrat, aber nur 1 Stimme erhielt, gab die Erklärung ab, daß die rheinischen Organisationen sich ihre Entscheidung bezüglich des Eintrittes in die Zentralisation vorbehalten. Am Ende der Statuten­berathung ließ Dr. Hirsch seinem parteipolitischen Haß gegen die Sozialdemokratie die Zügel schießen. Er befürwortete den unver­meidlichen, modernisirten Revers", nach welchem sich jedes auf­zunehmende Mitglied zum Eintreten für die" genossenschaftliche Selbsthilfe und Privatwirthschaft" verpflichten soll. Sein Vorschlag

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Berantwortlich für bie Redaktion: Fr. Alara Bettin( 8undel) in Stuttgart  .

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stieß auf heftigen Widerspruch. Eine Rednerin bedauerte, daß Fragen von derartiger Tragweite im letzten Augenblick in die Debatte ge­worfen würden. Zwei andere Rednerinen pflichteten ihr bei. Die Opposition war so wirksam, daß Dr. Hirsch vor den Abstimmungen den auf den Revers" bezüglichen Theil seines Antrags zurückzog. Die weiblichen Mitglieder der Gewerkvereine haben sich also als männlicher und einsichtsvoller bewiesen, wie die männlichen Hirsch­Dunckerianer. Hervorgehoben sei noch, daß der neue Gewerkverein neben der Streitunterstützung die Arbeitslosenunterstützung auch im Falle der Arbeitslosigkeit des Mannes

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obligatorisch

eingeführt hat. Zum Vorort wurde Berlin   gewählt; der Generalrath des Gewerkvereins besteht aus 13 Frauen und Mädchen, von denen 6 den auswärtigen Ortsvereinen angehören. Die konstituirende Generalversammlung beschäftigte sich noch lebhaft mit der Frage der Agitation unter den Arbeiterinnen.

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Vereinsrecht der Frauen.

Ist das preußische Vereinsrecht ein Gesetz oder eine Verordnung, die zu Unrecht besteht?, über diese hochwichtige Frage sucht Genosse Stadthagen   eine Entscheidung herbeizuführen. In einer Volksversammlung, die am 10. Juni in Berlin   tagte und zur Hälfte von Frauen besucht war, referirte er über das Thema: Was wollen die Frauen von der Polizei". Vor Schluß der Versammlung erklärte er ungefähr Folgendes: Seiner Ueberzeugung nach sei das geltende preußische Vereinsrecht kein Gesetz im eigent­lichen Sinne des Wortes, sondern nur eine Verordnung, die oben­drein zu Unrecht bestehe. Die Verfassung garantire jedem Preußen ausdrücklich die Vereinsfreiheit, mithin gelte letztere auch für die Frauen. Habe man seinerzeit die Frauen von der Bethätigung in politischen Vereinen ausschließen wollen, so sei vor der gesetzlichen Sanktionirung dieser Vereinsverordnung eine Aenderung der damals erst gegebenen Verfassung nothwendig gewesen. Diese sei jedoch nicht erfolgt. In der Folge könnten auch die den Frauen auferlegten vereinsgesetzlichen Beschränkungen keine Giltigkeit beanspruchen. Da sich nun das Oberverwaltungsgericht in der Beurtheilung dieser Frage bisher stets als inkompetent erklärt habe, so sei es endlich an der Zeit, diese Angelegenheit vor die Entscheidung des Reichsgerichtes zu bringen. Um dies zu ermöglichen, bedürfe es eines Anlasses. Diesen Anlaß wolle er( Stadthagen  ) heute geben. Bekanntlich werde die Aufforderung zum Ungehorsam gegen bestehende Gesetze strafrechtlich verfolgt. Da sich nun eine Anklage, welche aus solch einer Aufforderung entsteht, vor das Reichsgericht zur Ent­scheidung bringen lasse, so fordere er hiermit die Frauen öffentlich zum Ungehorsam gegen§ 8 des preußischen Vereinsrechtes auf. Unseres Wissens hat Stadthagens Vorgehen bis jetzt noch keine Anklage zur Folge gehabt. Das ist auffallend bei dem hoch gesteigerten Pflichteifer, mit welchem preußische Behörden gewöhnlich die Aufreizung zum Ungehorsam gegen bestehende Gesetze zu ahnen, nachzuweisen und zu strafen pflegen. Sollten sie in diesem Falle die Gesetzwidrigkeit für weniger staatsgefährlich" erachten, als die reichsgerichtliche Entscheidung über die aufgeworfene Frage?

Frauenbewegung.

Eine staatliche Fortbildungsschule für weibliche Handels­befliffene ist in Hamburg   kürzlich mit mehr als 100 Schülerinnen eröffnet worden, von denen manche schon seit Jahren im Handels­gewerbe thätig sind.

Eine Assistentin der Gesundheitskommission zur Ueber­wachung unehelicher Kinder soll laut Beschluß der Gemeinde­verwaltung von Drontheim  ( Norwegen  ) angestellt und mit 900 Kronen befoldet werden.

Quittung.

Für den Agitationsfonds der Genossinnen gingen im Mai und Juni bei der Unterzeichneten folgende Beiträge ein: Berlin   Genossin Bauschte 8,50 Mt.; Genossin Hofmann 32 Mt; Genossinnen in Lemgo   durch Genossin Althage 5 Mt.; Genoffinnen in Halberstadt   durch Genossin Schulze 20 Mt.; Genossinnen in Wismar   durch Genossin Thon 4 Mt. Summa 69,50 Mk. Dantend quittirt:

Anfang Juli 1902.

Ottilie Baader  , Vertrauensperson der Genossinnen Deutschlands  , Berlin   W., Groß- Görschenstr. 38, II. Hof rechts, 3 Tr.

Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. s.) in Stuttgart  .