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in Mannheim  , Ludwigshafen  , Frankenthal  , Speyer  ,| Raiserslautern, Mundenheim  , Flomersheim, Oggersheim, Lambsheim  , Hettenleidelheim, Eisenberg, Neckarau  , Op­ penau  , Heidelberg  , Offenburg  , Friesenheim   und Bruchsal  . Die Versammlungen waren fast sämmtlich gut, zum Theile sogar glänzend besucht, und erfreulicherweise waren auch fast überall die Frauen stark vertreten. In Offenburg   und Bruchsal   gelang es, eine Genossin für den Posten der weiblichen Vertrauensperson zu ge winnen. Zahlreiche Frauen traten ihren Gewerkschaften bei, dem Verband der Tabatarbeiter und dem der Fabrikarbeiter. In fünf Orten wurden neue Zahlstellen für den Fabrikarbeiterverband ge­gründet. Die entfaltete Agitation führte gegen 200 Arbeiter und Arbeiterinnen ihren Gewerkschaften zu. L. Z. Um die Frauen über die moderne Arbeiterbewegung aufzuklären und für sie zu gewinnen, fanden auf Veranlassung der Chemnitzer  Agitationsfommission in und bei Chemniz, sowie im Erzgebirge  mehrere Versammlungen statt. Genossin Kähler- Dresden sprach über folgende Themen:" Arbeiterinnenelend und Arbeite rinnenschutz";" Warum müssen die Frauen für die allge: meine Arbeiterbewegung gewonnen werden?";" Bürger­thum und Sozialdemokratie". In Chemniß selbst war die Versammlung nur mäßig besucht, eine rege Debatte schloß sich an den Vortrag an. Die Versammlung in Gablenz erfreute sich eines groß­artigen Besuchs, zwanzig Mitglieder wurden der Parteiorganisation und fünf dem Textilarbeiterverband zugeführt. Der Besuch der Ver­sammlung in Koppel ließ viel zu wünschen übrig. Mag die Ursache davon in der herrschenden hohen Temperatur oder in anderen Um­ständen zu suchen sein: die Lauheit und Flauheit der Proletarierinnen des Ortes ist damit nicht entschuldigt. In Chemnitz   und Umgegend verharren leider die vorhandenen großen Arbeiterinnenmassen ihren ureigensten Interessen gegenüber noch in Gleichgiltigkeit. Es bedarf einer sehr aufopferungsreichen, geduldigen Arbeit, um sie zu wecken und dem Kampfe gegen Unrecht und Unterdrückung zuzuführen. In Delsnit wurde die für einen Sonntag Nachmittag geplante Versamm­lung wegen des Trauergottesdienstes für den verstorbenen König Albert in letzter Stunde verboten. Acht Tage später konnte sie jedoch ohne jeden Zwischenfall stattfinden. Sie bot einen imposanten, herz­erhebenden Anblick. Auf Schustersrappen waren die Theilnehmer, Frauen und Männer, stundenweit herbeigeeilt. Das sehr geräumige Versammlungslokal vermochte bei Weitem nicht alle Besucher zu fassen, und ein sehr großer Theil derselben mußte im anstoßenden Garten Posto fassen. In Crottendorf  , wo die nächste Versammlung statt­fand, hatte einige Wochen früher der Herr Pfarrer mit seinen Ge­treuen in echt christlicher Liebe und Duldsamkeit eine Gewerkschafts­versammlung mittels der geistigen Waffen" des Pfeifens und Johlens illusorisch gemacht. Genossin Kähler ließ in ihrem Referat über Bürgerthum und Sozialdemokratie" manchen kräftigen Hieb auf die Versammlungsstörer herabsausen. Ihre Ausführungen wurden oft von Beifall unterbrochen. Als der Vorsitzende anfrug, ob Gegner das Wort wünschten, herrschte Kirchhofsruhe, ein charakteristisches An­zeichen, wie es um den sittlichen Muth der Radauhelden bestellt ist. Prächtig verlief auch die Versammlung in Geyer  , die unter freiem Himmel tagte. Die Agitationstour hat der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbewegung neue Mitglieder zugeführt und der Ar­beiterpresse eine Zahl Abonnenten gewonnen. Nun heißt es, nicht ruhen und rasten, damit das Erreichte behauptet und vermehrt wird. Die moderne Arbeiterbewegung ruft auch die Frauen in die Reihen der Kämpfer für Freiheit und Recht. Wohlan, Ihr Frauen und Mädchen, laßt diesen Ruf nicht ungehört verhallen. Folgt der Losung: Hinein in die gewerkschaftliche, hinein in die politische Organisation!"

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W. K.

Jn Colditz und in Bischofswerda   sprach Genossin Kähler fürzlich in gut besuchten Versammlungen. 3weck und Nußen der Gewerkschaftsorganisation" war die Frage, die sie in dem erst= genannten Orte behandelte. Die Versammlung führte dem Verband der Fabrik-, Land- und Hilfsarbeiter gegen zwanzig neue Mitglieder zu. In Bischofswerda   tagte die Versammlung unter freiem Himmel. Die Ausführungen der Rednerin über das Thema: Warum müssen die Frauen für die moderne Arbeiterbewegung gewonnen werden?" fanden reichen Beifall, der die Zustimmung der Versam­melten bekundete.

W. K.

In Greiz  , wo das reaktionäre Vereinsrecht, das richtiger Vereinsunrecht heißen sollte, die Frauen von dem Beſuch aller öffent­lichen Versammlungen ausschließt, waren die Behörden bekanntlich einsichtsvoll genug, während der letzten großen Textilarbeiterstreits den Arbeiterinnen die Betheiligung an den Versammlungen zu ge statten. Diese Ausnahmebewilligung wurde auch für die Versamm­lung gewährt, in welcher die Lohnkommission ihre Abrechnung er­stattete. Erfreulicherweise haben die Frauen das Eintagsrecht aus­

genutzt und sich an den Debatten betheiligt. Genossin Kühn schilderte in ergreifenden Worten die traurige Lage der Arbeiterinnen, die sie gründlich kennen lernte, als sie in die rauhe Wirklichkeit hinaus­gestoßen wurde. Genossin Geinitz- Gera wies die Frauen eindring­lich auf ihre Pflicht hin, sich zu belehren und zu organisiren, um mit den Männern zusammen für eine bessere Existenz und für die Be­freiung vom Joche des Kapitals zu kämpfen. Sie mahnte die Männer, sich die Aufklärung der Frauen angelegen sein zu lassen. Hoffentlich beherzigen die Textilarbeiterinnen von Greiz   und Umgegend das, was ihnen an diesem Abend von Frauen und Männern gesagt worden ist, wie auch die Lehren, welche der Streit ihnen ertheilt hat: Ohne eine starke Gewerkschaftsorganisation keine Aussicht auf Erringung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen! Ohne Erkenntniß, Begeiste rung und Opferbereitschaft der Arbeiterinnen feine starke Gewerk­schaftsorganisation! Arbeiterinnen, organisirt Euch! Arbeiterinnen, seid treue Mitglieder Eurer Gewerkschaft! W. G.

Dom Versammlungsrecht der Frauen in Bayern  .

Das vor circa vier Jahren reformirte bayerische   Vereinsgesetz gestattet großjährigen Frauen die Betheiligung an öffentlichen politischen Versammlungen, wenn diese nicht Versammlungen politischer Vereine sind. Denn wie in Preußen und anderen deutschen  Bundesstaaten dürfen auch in Bayern   die Frauen nicht Mitglieder politischer Vereine sein oder den Sizungen und Versammlungen solcher Organisationen beiwohnen. Man sollte nun meinen, daß innerhalb der blauweißen Grenzpfähle auf Grund des Gesetzes großjährige Frauen unbeanstandet an allen öffentlichen politischen Versammlungen theilnehmen könnten, die nicht von einem politischen Verein ver­anstaltet worden sind. Aber der gewöhnliche Menschenverstand denkt, und der außergewöhnliche Amtsverstand der Polizeibehörden und Ge­richte lenkt! Und so kommt es, daß auch in Bayern   wie anderwärts die Handhabung des Gesetzes den Frauen häufig das dürftige poli­tische. Recht illusorisch macht, das der Text des Gesetzes ihnen läßt.. Was polizeiliche Schneidigkeit in dieser Beziehung beginnt, das voll­endet juristische Weisheit, und die Regierung sagt Ja und Amen dazu. Sonnenklar geht das aus dem folgenden Falle hervor, der vor mehreren Instanzen verhandelt und schließlich in der Kammer zur Sprache gekommen ist.

In Ochenbruck  , Bezirk Altdorf bei Nürnberg  , fand am 17. No­vember 1901 eine Volksversammlung statt, in der Genosse Eizinger über die politische Lage referirte. Einberufer und Leiter war Ge­nosse Huber- Nürnberg. Dieser weigerte sich, der Aufforderung des überwachenden Gendarmen entsprechend eine Frau auszuweisen, Ge­nossin Koch- Fürth, welche der Versammlung beiwohnte. Seine Weige­rung begründete er damit, daß die betreffende Versammlung eine öffentliche und keine Vereinsversammlung sei. Der über­wachende Beamte stellte nun gegen die beiden Uebelthäter Straf­antrag. Das Amtsgericht Altdorf lehnte jedoch die Eröffnung des Verfahrens mit der Begründung ab, daß nicht festgestellt sei, ob der Einberufer im Auftrag eines Vereins gehandelt habe. Gegen diesen Entscheid legte der Amtsanwalt beim Landgericht Nürnberg   Be­schwerde ein und dieses ordnete an, daß das Hauptverfahren zu er­öffnen sei. Die Angelegenheit kam nun vor dem Schöffengericht Altdorf   zur Verhandlung. Außer dem Vorsitzenden saßen hier zwei Laien zu Gericht, und es erfolgte ein Freispruch der Angeklagten, wie ja seinerzeit auch das Schöffengericht Nürnberg Genossen Bohl und Genossin Rudolph von einer ähnlichen Anklage der Uebertretung des Vereinsgesetzes freigesprochen hatte. Der Amtsanwalt hatte in dem vorliegenden Falle für Genossen Huber 30 Mt. Geldstrafe, even­tuell sechs Tage Haft beantragt, für Genossin Roch 10 Mt., eventuell zwei Tage Haft. Zur Begründung des freisprechenden Urtheils hieß es, man habe zwar annehmen können, daß die betreffende Versamm­lung eine Vereinsversammlung gewesen, doch schlössen die bestimmten Aussagen des Zeugen Herrmann jeden Zweifel aus. Der Amts­anwalt legte gegen das Urtheil beim Landgericht Nürnberg   Berufung ein, vor dem am 28. Juli die Angelegenheit zur Verhandlung ge­langte. Dieses erachtete den Beweis für die gesetzesbrecherische Hand­lung der Angeklagten für erbracht und verurtheilte Huber zu 12, Frau Roch zu 3 Mt. Geldstrafe. Die Begründung des Urtheils ver­dient tiefer gehängt zu werden. Zeuge Herrmann, früher Sekretär des Sozialdemokratischen Vereins Nürnberg, hatte eidlich bekundet, daß Huber vom Verein keinen Auftrag hatte, die Versammlung ein­zuberufen, sondern aus eigener Initiative handelte. Ferner daß alle Vereinsversammlungen von der Vorstandschaft beschlossen werden und der Vereinssekretär die Vorarbeiten zu ihnen zu erledigen hat. Keiner dieser Umstände lag betreffs der Versammlung in Ochenbruck   vor. Trotzdem nahm das Gericht an, daß Huber im Auftrag des Sozial­