In der oben besprochenen Ausdehnung der Streik- und Arbeits­losenunterstützung auf die durch Arbeitslosigkeit und Streit ihrer Männer betroffenen verheiratheten Mitglieder ist übrigens meines Erachtens ein kleiner Beitrag zur Lösung des schwierigen Problems gegeben, die jungen Arbeiterinnen trotz der Aussicht auf Verehelichung für unsere Gewerkschaften zu gewinnen. Wir haben es hier mit einer neuen Art der Entschädigung von Mitgliedern zu thun, welche den Beruf in Folge Verheirathung verlassen, aber noch nicht ausgesteuert sind, einer Art der Entschädigung, welche der Beachtung werth ist. Sie erinnert an die in einzelnen englischen Gewerkschaften mit Er­folg eingeführte Brautsteuer. Eine offene Frage bleibt selbstverständ­lich bis auf Weiteres, ob diese nicht mehr im Beruf thätigen Frauen nach einmaligem Bezug der ihnen statutarisch zukommenden Streif­oder Arbeitslosenunterstützung noch länger als in der Gewerkschaft versicherte Mitglieder zu führen wären, oder ob sie nach der Aus­steuerung ihre frühere Organisation im Interesse der Aufrechterhal­tung der beruflichen Schranken verlassen müßten. Fanny Imle.

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. In Stralsund   fand Ende Juli eine öffentliche Frauenversammlung statt, in der Genosse Genzen über das Thema referirte: Ist es nothwendig, daß die Frauen sich am politischen Leben betheiligen?" Der Redner bejahte diese Frage mit allem Nachdruck. Seinen beweiskräftigen Ausfüh­rungen lag ein Ueberblick über die wirthschaftliche Entwicklung, den Umfang und die Bedingungen der Frauenarbeit zu Grunde. Ein­gehend beschäftigte er sich dabei mit der Entlohnung der Frauen­arbeit in Stralsund  . Die Versammelten dankten durch reichen Beifall für den trefflichen Vortrag, der ihre Aufmerksamkeit voll fesselte. In einer einstimmig angenommenen Resolution erklärten sie sich mit den Ausführungen des Redners ganz einverstanden und versprachen, fünftig ihre eigenen Interessen zu vertreten und mit den Männern Schulter an Schulter für die Befreiung des Proletariats zu kämpfen. Die Versammlung nahm des Weiteren Stellung zur Frauenkonferenz in München   und wählte einstimmig Genossin Wulff als Delegirte. Nach Schluß der Versammlung traten mehrere Frauen dem Ar­beiterinnenbildungsverein" bei. A. N.

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Bericht der Vertrauensperson der Genossinnen von Köln  am Rhein  . Nach der Konferenz zu Mainz   setzte unsere Thätigkeit mit der Verbreitung von 10000 Exemplaren des Flugblattes ein, den gesetzlichen Arbeiterinnenschutz betreffend. Dieser Frage galt auch die erste der vier Versammlungen, welche von den Genossinnen in Köln   einberufen wurden. Es war eine öffentliche Arbeiterinnen­versammlung, in der Genossin Gotthusen Düsseldorf unsere Ar­beiterinnenschutzforderungen begründete und die bekannte Resolution einstimmig zur Annahme gelangte. Im Mai 1901 sprach Genossin Kähler- Dresden bei uns, und dies gelegentlich einer Agitations­tour, die sie im Auftrag der hiesigen Genossinnen durch das Rhein­land unternahm. Außer in Köln   fanden Versammlungen statt in Ehrenfeld  , Deuß, Kalt, Bonn  , Duisburg  , Kreuznach, Saar­ brücken   und Aachen  . Sie waren durchweg gut besucht und er­hoben in der Mehrzahl Protest gegen den geplanten 3ollwucher. Im Juli vorigen Jahres referirte Genossin Zieh- Hamburg in einer Volksversammlung über das Thema: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst." Obgleich das Stattfinden dieser Versammlung nur zwei Tage vorher bekannt gegeben werden konnte, war sie doch bis auf den letzten Platz gefüllt; unter den Anwesenden befanden sich auch zahlreiche Frauen. Eines glänzenden Besuchs erfreute sich eben­falls die letzte der Versammlungen, die in der Berichtszeit von den Kölner   Genossinnen einberufen worden ist. Das Lokal war nicht blos vor der Zeit von Besuchern und Besucherinnen überfüllt, sondern sehr viele Leute mußten wieder umkehren, darunter auch leider nicht wenige Frauen. Genossin Altmann- Berlin sprach in dieser Versammlung über Die gegenwärtige Arbeitslosigkeit und die Vertheue­rung der nothwendigsten Lebensmittel". Das Flugblatt gegen den Zollwucher wurde von den Genofsinnen in 5000 Exemplaren verbreitet. Die Einnahmen der Vertrauensperson beliefen sich in der Berichtszeit auf 395 Mt. 48 Pf., die Ausgaben auf 337 Mt. 12 Pf., so daß ein Kassenbestand von 58 Mt. 36 Pf. verbleibt. Der Plan, wicklung aufweisen. Siehe unter Anderem ,, Die Gleichheit" 1894, Nr. 16 und 17: Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisationen in England"; Nr. 22: , Der Kongreß der englischen   Trade- Unions zu Norwich  "; 1896, Nr. 6: Die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen in England"; Nr. 17: ,, Ansichten einer englischen Agitatorin über die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen"; 1897, Nr. 6: Ueber den Trade- Unionismus der eng­lischen Arbeiterinnen"; Nr. 8( Notizentheil): Die öffentliche Jahresversamm­lung des englischen Zentralausschusses für Frauenarbeit" 2c. D. R.

einen Frauenbildungsverein zu gründen, mußte vor der Hand zurück­gestellt werden. Daß es in Köln  , einer Zentrumshochburg, ganz be­sonders schwer ist, Aufklärung unter den Frauen zu verbreiten, braucht kaum besonders hervorgehoben zu werden. Von dem fleri­falen Einfluß abgesehen sind es zwei Umstände, welche der Thätigkeit der Genossinnen sehr hinderlich sind: der leidige Lokalmangel und die vielgestaltige, schwere Arbeitsbürde, welche die Genossinnen in ihrer Eigenschaft als proletarische Frauen belastet. Trotz aller Schwierig­feiten geht es aber auch in Köln   mit unserer Bewegung vorwärts, und immer mehr wächst die Zahl der Proletarierinnen, welche zu denken beginnen. Ein gutes Anzeichen dafür ist es, daß Frauen den Versammlungen des sozialdemokratischen Vereins regelmäßig als Zu­hörerinnen beiwohnen, obgleich das natürlich noch abgesondert, im " Segment" geschehen muß. Die vorhandenen Ansäge zur plan: mäßigen Agitation unter der proletarischen Frauenwelt Kölns   werden sich hoffentlich künftig gedeihlich entwickeln, so daß der nächste Bericht gute Fortschritte melden kann. M. Zeise, Vertrauensperson.

Die Gleichberechtigung der Frauen in der Sozialdemokratie. Das neue Organisationsstatut der Genossen des Wahlkreises Pots­ dam  - Spandau  - Westhavelland   bestimmt, daß sämmtliche Aemter auch von Frauen bekleidet werden können. Diese Bestimmung ist selbstverständlich, nichtsdestoweniger aber anerkennenswerth. Hoffent lich beweisen die Genossinnen des Wahlkreises durch fleißige und ver­ständige Mitarbeit, daß sie nicht blos gleichberechtigte, sondern auch gleichwerthige Kräfte im Parteileben sind.

Notizentheil.

Frauenarbeit auf dem Gebiet der Industrie, des Handels und Verkehrswesens.

Frauenarbeit in der französischen, belgischen und deutschen  Industrie. Eine sehr interessante vergleichende Statistik über die industrielle Frauenarbeit in den drei genannten Ländern bringt das neueste Heft des Bulletin de l'Office du Travail"( Berichte des Arbeitsamtes), des offiziellen Organs des französischen   Handels­ministeriums. Die gegebenen Zahlen beruhen für Deutschland   auf der Gewerbezählung von 1895, für Frankreich   auf der Volkszählung von 1896 und für Belgien   auf der Zählung des gleichen Jahres. Es entfallen danach in der Gesammtindustrie auf je 100 beschäftigte Männer in Deutschland   25, in Belgien   33 und in Frankreich   51 Frauen. Der auffallend starke Umfang der Frauenarbeit in Frank­ reich   wird vor Allem durch das Ueberwiegen weiblicher Arbeitskräfte in der Textil- und Bekleidungsindustrie bedingt. In diesen beiden Gruppen entfallen auf je 100 beschäftigte Männer in Frankreich  256 Frauen, in Belgien   dagegen nur 194, in Deutschland   nur 114 weibliche Arbeiter. Auch in den Nahrungsmittelindustrien und in der Metallindustrie ist in Frankreich   der Prozentsatz der beschäftigten Frauen ein größerer als in Deutschland   und Belgien  . In den Nahrungsmittelindustrien beträgt er in dem erstgenannten Lande 22, in Deutschland   15, in Belgien   7 Prozent; in der Metallindustrie stellt er sich auf 7, bezw. 5, bezw. 5 Prozent. Die chemische und die keramische Industrie verwenden in Deutschland   mehr weibliche Ar­beitskräfte als in den beiden anderen Ländern, nämlich 46 bezw. 24 auf je 100 beschäftigte Männer, während in Frankreich   auf sie nur 40 bezw. 18, in Belgien   25 bezw. 18 Frauen entfallen. Ein Ver­gleich der absoluten Zahlen erweist, daß in Deutschland   in den meisten Industrien weit mehr Arbeiterinnen beschäftigt sind, als in Frankreich   und Belgien  . In der Bergwerksindustrie sind in Deutsch­ land   16702, in Belgien   10395, in Frankreich   nur 8204 Frauen thätig; in den chemischen Industrien stellen sich die Zahlen wie folgt: Deutsch­ land   140569 Arbeiterinnen, Frankreich   45632, Belgien   9659. Die Zahl der verwendeten Frauen beträgt in den Nahrungsmittel­industrien in Deutschland   89385, in Frankreich   79885, in Belgien  5678, in der Metallindustrie 58192, 41236, 6009. Die photographi­schen Industrien beschäftigen in Deutschland   34712, in Frankreich  15656, in Belgien   696 Frauen; in der Bauindustrie sind in Deutsch­ land   35391, in Frankreich   8320, in Belgien   759 weibliche Arbeits­kräfte thätig. Dagegen sind in der Textil, der Konfektions-, Be­kleidungs- und Wäscheindustrie in Frankreich   1578333 Frauen auf 615946 Männer beschäftigt, in Deutschland   1054613 Frauen und 928325 Männer, in Belgien   213059 weibliche auf 109651 männliche Arbeiter.

Frauen- und Kinderarbeit in der Steinindustrie. Die Organisation der Steinarbeiter hat vor etlicher Zeit statistische Er­hebungen über die Arbeits- und Lohnverhältnisse der Steinarbeiter Deutschlands   veröffentlicht. Aus denselben ergiebt sich, daß im Jahre 1900/01 385 weibliche Arbeitskräfte in 25 Orten beim Schrift­