Wollen die Frauen ihre Kraft erfolgreich dafür einsetzen, daß Geschlechtsgenossinnen nicht mehr in ihrer persönlichen Ehre auf das Tiefste beleidigt werden können und das müssen sie wollen so ist der Sachlage entsprechend nothwendig, daß sie zielklar ihren Kampf über 8 361 Ziffer 6 hinaus gegen den Polizeistaat richten und das von ihm gezeugte und gehätschelte System der Hudelei und Bütteln. Es versteht sich dabei am Rande, daß der Kampf für Beseitigung des in jeder Hinsicht reaktionären Paragraphen ungeschwächt weiter geführt werden muß. Nicht nur deshalb, weil es gilt, das oben gebrandmarkte Ausnahmerecht gegen das weib­liche Geschlecht zu zerschmettern. Auch um jene alberne, seichte Auffassung aus der Gesetzgebung zu vertreiben, daß der Drache Prostitution mittels der Papierkügelchen behördlicher Verordnungen erlegt werden könne. Und zuletzt, aber nicht zum Blindesten, um einen gesetzlichen Flitter zu zerreißen, mit dem Polizeiwillkür ihre Blöße zu decken vermag. Aber thöricht wäre es, sich über die Tragweite des Erfolges in diesem Kampfe Illusionen hinzugeben und über ihm den Felvzug gegen den Hauptfeind zu vernachlässigen. Solange die Polizeiallmacht nicht gefesselt und geknebelt un­schädlich am Boden liegt, solange wird auch die Aufhebung des § 361 Ziffer 6 nicht das von Frauenrechtlerinnen erhoffte Idyll herbeiführen, daß jede polizeiliche Pickelhaubenspitze in seliger Ver­klärung auf das reform kühnste Damenkostüm herabglänzt und wonnig ob der männlichsten Züge und Gesten einer Frau erglüht. Der Einbruch in das persönliche Recht, die rücksichtsloseste Brutalisirung der Ehre und des Empfindens, die polizeiliche und richterliche Ge­walt nicht mehr auf Grund des beseitigten Gesetzestcxtes gegen eine Frau verüben darf, kann sie unter Berufung auf andere Para­graphen und Vorschriften praktiziren. Wo Willkür zum System erhoben herrscht, werden sich stets zur rechten Zeit Vorwände ein­stellen, die ihre Missethatenvon rechtswegen" in blüthenweiße Unschuld verkehren. Die schmachvolle Behandlung, die seinerzeit Genossin Zietz erfahren, der Fall Rappoport bestätigen dies klärlich. Die Frauenrechtelei beweist wieder einmal ihre unverfälscht bürgerliche Halbheit, daß sie angesichts der letzten Vorkommnisse ihren Kampf lediglich auf die Beseitigung des abscheulichen 8 361 Ziffer 6 konzentrirt und dem Hauptmissethäter gegenüber, dem Polizeistaat, mit seiner Wachtstubenaufsassung und Wachtstuben- gepflogenheit höchstens schüchterne Klagen stammelt. Sie ist eben Bein vom Bein und Fleisch vom Fleisch der nämlichen deutschen Bourgeoisie, die das absolutistische Büttelregiment in den bürger­lichen Staat hinübergerettet hat. Das aber zu dem Zwecke, die sich klassenbewußt regendeKanaille" in ihre Abhängigkeil und Aus­beutung zurückknuffen zu können, und in der stillen Hoffnung, daß die Kniffe und Püffe sich niemals sündhaft respektlos an Leute in honetten" Kleidern verirren würden. Bei Lichte betrachtet hat denn auch die bürgerliche Entrüstung in der Presse und im Parla­ment weit mehr der polizeilichen und richterlichen Unvorsichtigkeit ge­golten, Herren und Damen in gut bourgeoiser Stellung mißhandelt zu haben, denUebergriffen" der Polizeiwirthschaft, als ihrem stockreaktionären System selbst. Wie könnte auch die Bourgeoisie mit frevelhafter Kritik an den Bestand dieses Systems tasten! Hat es ihr doch unter dem Sozialistengesetz zur Niederknutung des kämpfenden Proletariats treuliche Dienste geleistet und erweist sich auch heute noch als treffliche Waffe gegen die Lohnsklaven, die politisch oder gewerkschaftlich gegen des Kapitals Herrschaft zu meutern" wagen. Dieses System sündigt nicht bloß in Verbindung mit 8 361 Ziffer 6 gegen die Frauen. Es herrscht gemeingefährlich wie die Jnterpellationsredner der Sozialdemokratie, Heine und Bebel  , durch erdrückendes Anklagematerial vorzüglich erhärtet haben auf den verschiedensten Gebieten des öffentlichen Lebens, ganz be­sonders aber auf dem des Vereins- und Versammlungsrechtes, der Koalitionsfreiheit. Hier vor Allem kehrt es seine volle Wucht gegen die Proletarier ohne Unterschied des Geschlechtes. Es muß deshalb überall bekämpft, aus jedem Schlupfwinkel vertrieben werden. Es hieße Trauben von den Disteln und Feigen von den Dornen lesen wollen, wenn man erwartete, daß die Frauenrechtelei den Kampf gegen dieses System aufnehmen würde. Vor etwa Jahres­frist konnte es sogar eine der hervorragendstenradikalen" Führe­rinnen der Frauenbewegung wagen, einen warmen Lobeshyninus auf die Polizeiwillkür   anzustimmen, die sich ans dem Gebiete des Vereins­rechtes frauenrechtlerischen Veranstaltungen gegenüber alsKoulanz" vermummte. Keine einzige Stimme hat sich im frauenrechtlerischen Lager gegen das Tedeum des Unrechts erhoben, obgleich es auf der Hand liegt, daß dieKoulanz" der Polizei gegen bürgerliche Damen die Zwillingsschwester ist der Schneidigkeit und Auslegungs­kunst gegenüber dem Proletariat. Der Konfusion in ihren Köpfen entsprechend habenradikale" Frauenrechtlerinnen trotz allem wieder einmal im Namen des ganzen weiblichen Geschlechtes alle Frauen zu einer gemeinsamen Aktion aufgefordert, die dem Protest gegen dieMißgriffe" der Polizei und der Beseitigung des 8 361 Ziffer 6 gilt. Die Genos­sinnen sympathisiren gewiß mit dem Zwecke dieser Aktion. Allein wie die Dinge liegen, verbieten es ihnen wesentliche Unterschiede der Auffassung, sich mit dem Vorgehen der Frauenrechtlerinnen zu solidarisiren. Sie führen den Kampf gegen die Schmach, welche die Ausnahmemacht des Büttelthums über Frauen wie Männer ver­hängen kann, und sie führen ihn nicht mit bürgerlicher Halbheit. Der Losung:Gegen 8 361 Ziffer 6" fügen sie deshalb vor Allem die andere hinzu: Gegen die Rücken und Tücken, gegen die Allgewalt des Polizeistaats. Ein neues Arbeiterinnenschulzgesetz in der Schweiz  . Sehr langsam, wie überall, geht es auch in der Schweiz   auf dem Gebiet der sozialen arbeiterfreundlichen Gesetzgebung vorwärts. Der beste Beweis hierfür ist die Tyatsache, daß das eidgenössische Fabrikgesetz, welches am 21. Oktober 1S78 mit 181 201 gegen 170857 Stimmen in einer Volksabstimmung angenommen wurde, heule nach 25 Jahren noch in seiner ursprünglichen Gestalt besteht. Alle in dieser Zeit von der organisirten Arbeiterschaft wie ihren parlamen- tarlschen Vertretern unternommenen Versuche, eine zeilgemäße Re­vision desselben herbeizuführen, namentlich die Ersetzung des Elf­stundentags durch den Zehnstundentag, sind erfolglos geblieben. Er- wähnenswerlh ist, daß der Bundesrath in Bern   das Fabrikgesetz in erweiterndem Sinne durchführte, und es so auf Betriebe aller Art ausdehnte, deren Zahl heule fast dreimal so groß ist, als sie vor 25 Jahren war. War der Bund nicht dazu zu bewegen, das Fabrikgesetz zu ver­bessern, so gingen die Kantone daran, ihrerseits eine neue Arbeiter­schutzgesetzgebung zu schaffen. Den Anfang damit machte im Jahre 1833 der Kanton Basel-Stadt   und seinem guten Beispiel folgten allmälig nach die Kantone St. Gallen, Glarus  , Zürich  , Luzern  , Solothurn  , Genf  , Neuenburg, Waadt  , Frelburg und kürzlich der Kanton Aargau  . Die bezüglichen Gesetze erstrecken sich auf alle jene Betriebe mit Arbeiterinnen und Lehrmädchen, die dem Fabrik­gesetz nicht unterstellt sind; ferner auf die weiblichen Angestelllen in den Ladengeschäften, auf das weibliche Wirthschaftspersonal und theil- weise auf das gesammte Lehrlingswesen. Die meisten der Arbeiterinnen­schutzgesetze sind in der Haupsache Uebertragungen der Bestimmungen des Fabrikgesetzes auf alle Kleinbetriebe mit welblichen Arbeitskräften, so daß davon auch die hausindustriellen Betriebe erfaßt worden sind. Nur das 1894 geschaffene Gesetz des Kantons Zürich   geht weiter als das Fabrikgesetz, indem es den Zehn-, für die Vorabende von Sonn- und Festtagen den Neunstundentag festsetzt, außerdem eine 1'/» stündige Mittagspause, Lohnzuschlag von 25 Prozent für Ueberstunden und noch manche andere gute Bestimmung. Das jüngst vom Kanton Aargau   erlassene Arbeilerinnenschutzgesetz erstreckt sich ebenfalls aus alle dem Fabrikgesetz nicht unterstellten gewerblichen Betriebe, in denen eine oder mehrere weibliche Personen gegen Lohn oder zur Erlernung eines Berufs arbeiten, auch wenn sie Kost und Logis im Hause des Unternehmers haben. Mädchen im schulpflichtigen Alter dürfen weder als Arbeiterinnen noch als Lehrlöchler angestellt werden. Die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit soll nicht mehr als 10 Stun­den, an den Vorabenden von Sonn- und Festtagen nicht mehr als 9 Stunden betragen. Die Arbeitszeit muß in die Stunden von 0 Uhr Morgens bis 3 Uhr Abends fallen. Um die Mitte der Arbeitszeit muß eine Pause von mindestens einer Stunde eintreten. Arbeiterinnen, die ein Hauswesen zu besorgen haben, sind jeweilen Stunde vor der Mittagspause und an den Vorabenden von Sonn- und Festlagen um 4 Uhr zu entlassen. Ruhepausen dürfen von der Arbeitszeit nur insofern abgerechnet werden, als den Arbeiterinnen gestaltet ist, während derselben die Arbeitsräume zu verlassen. Unterrichtsstunden sind im Maximalarbeitslag inbegriffen, und es darf hierfür kein Ab­zug gemacht werden. Die Arbeit an Sonn- und Festtagen ist unter­sagt, ferner auch die Mitgabe von Arbeit nach Hause über die ge-