Mutter fühlt, nicht so lange arbeiten solle. Wenn die Zentrums­abgeordneten nicht für Verkürzung der Arbeitszeit eingetreten seien, so geschah es deshalb, weil sie den Zeitpunkt gewiß noch nicht für gekommen hielten.( Die liebe Unschuld vom Lande!) Im weiteren Verlaufe seiner Ausführungen warnte der Herr Pfarrer feierlich seine lieben Brüder" vor der Sozialdemokratie, welche die Religion abschaffen wolle. Nach dieser Kraftproduktion mußte noch Obergenosse Bebel mit seiner Villa aus Arbeitergroschen herhalten, und als letzter Trumpf wurde der Artikel der schwarzen Presse aus­gespielt, wonach Bebel   auf dem Münchener   Parteitag von der bäuer­lichen Klasse als einer bornirten gesprochen haben soll. Der Herr Pfarrer ließ sich nicht stören, als der Vorsitzende ihn ganz energisch darauf aufmerksam machte, daß er in einer Gewerkschaftsversamm­lung und in feiner politischen sei. Jedenfalls glaubte der Wackere, daß ihm Niemand entgegen treten würde. Er mußte jedoch erfahren, daß er nicht auf der Kanzel stand, sondern in einer Versammlung, wo Rede und Gegenrede erlaubt war. Es war geradezu eine Freude, zu beobachten, wie während der Erwiderung der Referentin das Siegesbewußtsein von seinem Gesicht verschwand, und der Silbergriff des Spazierſtocks mit den Zähnen bearbeitet wurde. Genossin Greifen­ berg   belehrte den Pfarrer darüber, daß das Zentrum nicht ernstlich für eine Verkürzung der Arbeitszeit eingetreten ist. Beweis: die Rede des Abgeordneten Hertling 1897 im Reichstag und die Haltung der Partei betreffend die Petition der christlichen Textilarbeiter. Des Weiteren hob sie hervor, daß der Redner sich in Widerspruch zu sich selbst gestellt habe. Zuerst erklärte er, auch er sei dafür, daß die Arbeiter und Arbeiterinnen nicht zu lange schaffen müssen. Dann aber beschönigte er die Oberhofer Verhältnisse damit, daß die Leute ja noch ein Stückchen Land zu bewirthschaften hätten. Was heißt das? Daß fie nach 11, 12 und noch mehr stündiger Arbeitszeit in der Fabrik noch 3 und 4 Stunden auf dem Felde arbeiten müssen. Die Feld­arbeit kann nur nach der Fabrikarbeit verrichtet werden, weil die meisten verheiratheten Frauen mit in der Fabrik zu schaffen gezwungen sind. Und trotz aller emsigen Thätigkeit gehört das Land nicht einmal den Arbeitern, sondern ist über und über verschuldet, so daß sie sich für die Gläubiger placken. Den Nutzen ihrer Feldarbeit hat der Fabri­kant, der damit rechnet und noch schlechtere Löhne zahlt. Was die Rede des Genossen Bebel   anbelangt, so führte die Rednerin aus, daß der Herr Pfarrer die Pflicht gehabt hätte, sich genau zu informiren. Da er dies unterlassen, müsse er sich schon gefallen lassen, von einer Frau eines Besseren belehrt zu werden. Genosse Bebel   hat nicht von der Klasse der Bauern, sondern der Agrarier gesprochen. Es wäre

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furz erzählen, welche die vielseitigen hohen Eigenschaften und die moralische Macht der Mutter Jones beleuchten.

Vor einigen Jahren, als sie nach einer ihrer Untersuchungen über die Arbeitsbedingungen in den Baumwollfabriken der Süd­staaten durch Montgomery   in Alabama   tam, besuchte sie den Kon­greß der demokratischen Partei, der gerade stattfand. Einer der Delegirten, der sie kannte, schlug vor, sie solle eine Ansprache an den Kongreß halten, und sie willigte ein. Als der diesbezügliche Antrag gestellt wurde, wendeten sich mehrere Delegirte, welche Mutter Jones fannten, gegen ihn, allein sie wurden Dank der südländischen Ritterlichkeit Frauen gegenüber überstimmt, Mutter Jones erhielt das Wort und sprach so, daß die Delegirten nach­träglich ihre Ritterlichkeit bedauerten.

Mutter Jones dankte dem Kongreß für die ihr bewiesene Höflichkeit, knüpfte aber an ihren Dank sofort die Frage: Wie steht's um die Frauen, die Sie in den Fabriken von Alabama  sechzehn Stunden täglich für zwei oder drei Dollar Wochenlohn arbeiten lassen? Meinen Sie nicht, daß auch diese ein Anrecht auf Rücksicht haben?" Sie ließ sich dann angelegen sein, die demokratische Verwaltung des Staates fräftigst zu geißeln wegen ihrer verrätherischen Haltung den Arbeitern gegenüber, ganz be­sonders wegen der vor mehreren Jahren erfolgten Aufhebung des gesetzlichen Verbots, Kinder unter zwölf Jahren in den Fabriken zu beschäftigen. Als die Rednerin geendet hatte, herrschte Be­stürzung. Mehrere Delegirte protestirten gegen ihre Ausführungen, andere erwiderten ihnen, und als Mutter Jones den Kongreß ver­ließ, wurde noch gekämpft.

Am nächsten Tage denunzirten die Zeitungen den Versuch, durch die Rede einer Arbeiteragitatorin auf dem Kongreß Zwietracht in die demokratische Partei zu tragen".

( Schluß folgt.)

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wirklich recht nüßlich, wenn Herren, wie der Pfarrer von Oberhof  , öfter in Versammlungen kommen würden, wo Redefreiheit herrscht, wo man ihnen Rede und Antwort stehen kann. Der Herr Pfarrer selbst wird wohl in Zukunft lieber von der Kanzel herab sprechen, weil ihn da Niemand widerlegen darf. Eine letzte Versammlung sollte in Bischweiler bei Straßburg   stattfinden. Dieselbe wurde jedoch ohne Angabe eines Grundes verboten. Jedenfalls war das Thema, welches in 14 Versammlungen die Behörden nicht erschreckt hatte, für Bisch­weiler zu gefährlich. Die Wege der hohen Obrigkeiten sind eben un­erforschlich und dunkel wie die der Vorsehung. Trotz alles behördlichen Eifers geht es jedoch rüftig vorwärts mit der Arbeiterbewegung. Auch die Agitation im Elsaß   und in Baden hat ihr neue Streiter, neue Streiterinnen gewonnen und dem Deutschen Textilarbeiter­M. G. verband neue Mitglieder zugeführt.

Einer Aufforderung des Agitationskomites der organisirten Textil­arbeiter für Schlesien   zufolge unternahm Genossin Altmann­Berlin in diesem wichtigen Bezirk der Textilindustrie eine Agitations­tour, die von gutem Erfolg begleitet war. Versammlungen fanden statt in Grünberg  , Freystadt  , Liegnig, Reichenbach, Lands­ hut  , Ober- und Nieder- Langenbielau, Liebau, Peters­ waldau  , Gebhardtsdorf, Seidenberg und Görlitz  . Das Thema, das die Referentin behandelte, lautete: Die Textilindu­strie und die Kultur der Menschheit". Die Versammlungen waren, mit Ausnahme derjenigen in Freystadt   und Liegni, gut, ja hier und da glänzend besucht. Die Ausführungen der Rednerin fanden allerorts Beifall und Zustimmung. In Peterswaldau   und Liebau folgte dem Vortrag eine rege, interessante Debatte. Ein guter Gewinn an neuen Mitgliedern war zu verzeichnen in Reichen­bach, Landshut  , Ober- und Nieder- Langenbielau. Jn Geb­hardtsdorf, Seidenberg und Görlitz   blieb dagegen trotz des stattlichen Versammlungsbesuchs die Zunahme an Mitgliedern hinter den Erwartungen zurück. Es bestätigte sich wieder einmal die alte Erfahrung, daß der Erfolg der Agitation dort am größten war, wo ihr am Orte gut vorgearbeitet worden. Der Zuwachs an Mit­gliedern für den Verband ist übrigens nicht der alleinige Nußen der entfalteten Agitation. Diese hat auch Muth und Arbeitsfreudigkeit der bereits organisirten Arbeiter und Arbeiterinnen gestärkt, ihr Wissen bereichert und den ersten Funken des Verständnisses für die moderne Arbeiterbewegung in ganz Indifferenten geweckt, die hoffent lich eines Tages auch noch zu guten Gewerkschaftern und Klassen­kämpfern werden.

In Berlin   und mehreren Vororten hat in den letzten Monaten die Berichterstattung der Vertrauenspersonen und Neuwahl derselben stattgefunden. In Berlin   geschah das in einer öffentlichen Versammlung, in welcher die Genossinnen Panzeram und Weyl ihren Bericht über die Frauenkonferenz und den Parteitag erstatteten. Die Versammlung erklärte sich mit der Thätigkeit der Delegirten in München   einverstanden. Nach dem dann erstatteten Jahresbericht der zwei Vertrauenspersonen der Berliner  Genossinnen verzeichnete Genossin Weyl eine Einnahme von 472,45 Mt. und eine Ausgabe von 471,09 Mt.; Genossin Wengels vereinnahmte 662,04 Mt. und verausgabte 657,54 Mt. Den Vertrauenspersonen wurde Decharge ertheilt. Für das neue Geschäftsjahr wurden die Genossinnen Bauschke und Wengels zu Vertrauenspersonen ge­wählt. In Rigdorf ging der Berichterstattung und Neuwahl der Vertrauensperson ein Vortrag des Genossen Davidsohn über Zola voraus. Der Bericht der Vertrauensperson verzeichnete die Ver­anstaltung von fünf öffentlichen Versammlungen und zwei Diskussions­abenden, eine Einnahme von 150,68 Mt. und eine Ausgabe von 146,90 Mt. Als Vertrauenspersonen wurden die Genossinnen Jeeze und Mohr gewählt, als Revisorinnen die Genossinnen Quitt, Lang, Habel und Kramer. Die Wahl einer Kreisvertrauensperson für den Kreis Teltow Beeskow erfolgte in einer öffentlichen Ver­sammlung zu Schöneberg  , in welcher die Vertrauensmänner der Genossen wie die Vertrauensperson der Genossinnen, Frau Thiel­Tempelhof, Bericht erstatteten. Sie hatte im vergangenen Ge­schäftsjahr eine Einnahme von 494 Mk. und eine Ausgabe von 373 Mt. Zur Vertrauensperson des Kreises wurde Genossin Thiel wiedergewählt. In Charlottenburg   schloß sich die Bericht­erstattung der Vertrauensperson an einen Vortrag von Genossin Braun über Die Politik und die Frauen" an. Nach dem Bericht der Vertrauensperson, Genossin Liedtke, haben im letzten Jahre vier öffentliche Versammlungen stattgefunden, es wurden 22,65 Mt. vereinnahmt und 14,18 Mf. verausgabt. Als Vertrauens­person wurde Genossin Liedtke wiedergewählt.

Eine Agitationstour der Genoffin Popp- Wien in Deutsch­ land  . Die Genossinnen von Dresden  , Leipzig  , Berlin  , Ham­ burg   und Altona  - Ottensen   hatten die sehr große Freude, Genossin Popp Wien, die seit langen Jahren bewährte, kraftvolle Vor­