werden könnten. Die Unverfrorenheit dieser Behauptung fann gerade an dem Wohnungselend in Mannheim   und seinen Ursachen gemessen werden.

Wir haben bereits hervorgehoben, in welcher Richtung der Kongreß dem Ziele der Gesellschaft schuldig, und zwar viel schuldig geblieben ist. Gedenken wir nun der anerkennenswerten Ergebnisse, welche sich neben das Defizit seiner Leistungen stellen. Kein Zweifel, daß die Verhandlungen zu Frankfurt   ein gut Stück Aufklärungsarbeit über das Um und Auf eines der tiefwurzelndsten, folgenschwersten sozialen Übel verrichtet haben. Das ist um so verdienstlicher, je mehr die " anständige" Welt sich um das Eingeständnis und die Erörterung dieses Übels mit heuchlerischen Redensarten herumzudrücken sucht. Der Kongreß hat durch zahlreiche und erschütternd beweisträftige Tatsachen die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf die vorliegenden Fragen und Aufgaben gelenkt. Helle Streiflichter sind auf den inneren Verfall der heutigen Ehe geworfen worden, sowie auf den Umbildungs­prozeß, der sich betreffs der Stellung der Geschlechter zueinander und der geschlechtlichen Moral langsam vollzieht. Schließlich und nicht zum mindesten hat der Kongreß bestätigt was übrigens schon Hunderte sozialdemokratischer Versammlungen bewiesen haben, daß die heikelsten Materien in voller Öffentlichkeit ernst, würdig und sachlich gemeinsam von Männern und Frauen erörtert werden können.

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Ob die Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten bei ihren fünftigen Aktionen auch der sozialen Reformarbeit die ge­bührende Berücksichtigung schenken kann, hängt natürlich von dem Maße ab, in welchem es der sozialpolitisch einsichtsvolleren Minderheit gelingt, die Auffassung der konservativen Majorität umzuwandeln. Auf dem Kongreß hat der Versuch dazu offenbar die Vorwärts­wollenden mehr gehindert, als die Rückständigen vorwärts getrieben. Es bleibt ein undankbares Geschäft, um den trefflichen Vergleich der Frankfurter Volksstimme" zu gebrauchen, neuen Wein in alte Schläuche füllen zu wollen.

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Aus der Bewegung.

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Von der Agitation. Im Wahlkreis Essen   a. R. fanden Mitte März neun Volksversammlungen statt, in denen Genossin 3ieß Hamburg die Referate übernommen hatte. Die erste Versammlung in Borbeck  , der Hauptdomäne des Zentrums im Essener Kreis, war stark besucht. Zentrum und Sozialdemokratie" lautete das Thema, das die Referentin unter dem stürmischen Beifall der Versammelten behandelte. Circa vierzig Abonnenten für die lokale Arbeiterpresse und ungefähr ebensoviel für die Gleichheit", sowie zahlreiche Aufnahmen in den sozialdemokratischen Verein wurden er­zielt. Einen Einbruchsversuch in das schwarze Borbeck" nannte der katholische Volksfreund", das Organ des Herrn Stößel, die Ver­sammlung. Jedenfalls ein sehr erfolgreicher Einbruchsversuch". Die zweite Versammlung in Raternberg war vor der Zeit über­füllt, der ganze Hofraum dicht besetzt. Trotz der drangvoll fürchter­lichen Enge" folgten die Erschienenen bis zum Schluß in fast laut­loser Stille dem Referat über Bülowsche Heimatpolitik". Hier war die Zahl der neugewonnenen Abonnenten auf die Arbeiterpresse eine noch größere wie in Borbeck   In Altendorf  , wo die Refe­rentin über die bevorstehende Reichstagswahl" sprach, war der große, 2000 Personen fassende Saal bis auf den letzten Platz be­setzt. Das Gleiche gilt von den übrigen Versammlungen auf Zeche Amalia, in Essen- West, in Stoppenberg  , Rüttenscheid  , Berge- Borbeck. Überfüllt vor der Zeit, so daß viele umkehren mußten, war die Versammlung in der Borussia in Essen  . In sämt­lichen Versammlungen wurden zahlreiche Abonnenten für die Arbeiter­presse gewonnen mindestens 250 für die Arbeiterzeitung" und etwa 100 für die Gleichheit". Der politischen Organisation traten viele neue Mitglieder bei. Erfreulicherweise waren auch überall die Frauen sehr stark vertreten. An der Begeisterung, dem ganzen Ver­lauf der Versammlungen, verspürt man so recht, daß es den Arbei­tern ein Bedürfnis ist, sich mehr und intensiver an der Bewegung zu beteiligen wie bisher. Bemerkt sei noch, daß es christliche Nächsten­liebe in dem Bezirk immer wieder fertig bringt, uns die Säle ab­zutreiben. Sie hemmt uns damit, zwingt uns aber nicht. L. Z.

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In den letzten Monaten hielt Genossin 3ettin in verschiedenen Gegenden Versammlungen ab, die sehr erfolgreich waren. In Un= tertürkheim sprach sie in einer Versammlung für Fabrikarbeite­rinnen über Frauenpflichten und Frauenrechte". Die Tages­ordnung der Volksversammlung in Eningen  , einem größeren Pfarr­dorse bei Reutlingen  , lautete: Die politische Situation und die Aufgaben der Arbeiterklasse". In einer der 33 Protest­versammlungen, die Ende Januar in Berlin   stattfanden, referierte Genossin Zetkin   vor einer dichtgedrängten Menge über das Thema: " Was steht auf dem Spiele?" Ueber Die bevorstehende

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| Reichstagswahl" sprach sie in Stettin  , in Obertürkheim   und in drei Schwarzwaldorten: St. Georgen, Villingen   und Furt wangen. Bei der Märzfeier des Bezirksvereins Süden, Stutt gart, hielt sie die Gedächtnisrede. Die Volksversammlungen, welche im Dienste der Wahlagitation standen, waren überall glänzend be sucht. Die Frauen waren in ihnen erfreulich zahlreich vertreten., sogar in zwei der Schwarzwaldorte, vor allem in Furtwangen  , wo der sozialdemokratische Verein ein weibliches Mitglied und die ,, Gleichheit" seit Jahren Leserinnen besitzt.

In Stralsund   fand am 18. März eine besonders von Frauen gut besuchte Versammlung statt. Genossin Mesch- Berlin referierte über die Bedeutung des Tages. Sie gab in trefflichen Aus­führungen einen flaren Überblick über die Märzrevolution, die An­teilnahme des arbeitenden Volkes an ihr, die Errungenschaften, die sie gezeitigt und den Verrat des Bürgertums, der ihr gefolgt. An der Hand der geschichtlichen Lehren der Märzereignisse betrachtete sie dann die Vorgänge, die sich in letzter Zeit im Reichstag abgespielt: die Durchpeitschung des Zollwuchergesetzes und die Zertrümmerung des parlamentarischen Rechtes der Minderheit. Zum Schlusse zeigte sie, wie rechtlos die Frauen in Deutschland   dastehen. Besonders scharf geißelte sie, daß die Frauen im größten Teile des Reiches nicht einmal das dürftige bißchen Vereins- und Versammlungsfreiheit be­sitzen, das den Männern eingeräumt worden ist. Was dagegen die Pflichten in Staat und Gemeinde anbelangt, wie z. B. die Steuer­leistung, die zum größten Teile für den Unterhalt des Heeres und der Marine daraufgeht, so sind sie auch den Frauen auferlegt. Genossin Mesch forderte deshalb die Frauen auf, sich auf die Seite des klassen­bewußten Proletariats zu stellen und mitzuhelfen, damit immer mehr Männer in den Reichstag kommen, welche die Interessen des arbei­tenden Volkes vertreten. Reicher Beifall lohnte die Rednerin nach ihrem fast 22stündigen Vortrag. Da sich niemand zum Worte meldete, wurde zum dritten Punkte der Tagesordnung übergegangen und Genossin Anna Niemann für die verziehende Genossin Wulff als Vertrauensperson gewählt. F. W.

In Görlitz   macht die Aufklärungs und Organisierungsarbeit unter den proletarischen Frauen gute Fortschritte. Die Gewerk schaftsorganisationen nehmen erfreulicherweise an weiblichen Mitgliedern zu. Die von der Vertrauensperson geleitete politische Agitation geht munter vorwärts. Die Zahl der Abonnentinnen der ,, Gleichheit" ist auf 66 gestiegen. Die einberufenen öffentlichen Ver­sammlungen weisen guten Besuch auf, und die Frauen zeigen reges Interesse für die behandelten Fragen. Neulich hatten wir sogar eine überfüllte Frauenversammlung, ein Erfolg, der zum Teil mit auf Rechnung des Themas gesetzt werden muß, das behandelt wurde. Eine naturheilkundige Dame sprach über Frauenkrankheiten. Die Vor­tragende verstand es, den Frauen klar zu machen, was sie in gesund­heitlicher Beziehung entbehren und wieviel sie in der Folge leiden müssen, und nicht sie allein, auch die Kinder, denen sie das Leben schenken. So hat auch diese Versammlung dazu beigetragen, in immer mehr Frauen die Erkenntnis wachzurufen, daß es eine Pflicht sich selbst und den Nachkommen gegenüber ist, sich uns anzuschließen und zu Mitstreiterinnen für eine bessere Zukunft zu werden. A. G.

Der Verein für Frauen und Mädchen der Arbeiter= klasse zu Berlin   hielt im März seine Generalversammlung ab. Die Vorsitzende erstattete den Bericht. Es fanden seit der letzten Generalversammlung im Juli vergangenen Jahres zwölf Versamm­lungen und sechs Vorstandssitzungen statt. Der Besuch der Versamm­lungen war ein sehr reger, das Interesse für den Verein nimmt be­ständig zu. Immer mehr zeigt sich bei den Arbeiterinnen ein tiefes Bedürfnis nach geistiger Ausbildung und wissenschaftlicher Vertiefung. Das beweisen besonders die neu eingerichteten Diskussionsabende. Gerade für diejenigen, denen die allgemeinen Anregungen nicht ge­nügen, welche die Vortragsabende geben, ist es von besonderem Werte, sich in kleinerem Kreise in bestimmte Fragen zu vertiefen und ihre eigene Anschauung zum Ausdruck zu bringen. Bei der Behandlung rein theoretischer Fragen hat sich das lebhafteste Interesse gezeigt. Die eingerichteten Zusammenfünfte haben außer den angeführten Vorteilen auch den Wert, daß sie eine engere persönliche Fühlung der Frauen untereinander herstellen, was nach vielen Richtungen hin fördernd wirkt. Den geselligen Bedürfnissen der Mitglieder diente im letzten Halbjahr ein Ausflug, eine Uraniavorstellung und das Stiftungsfest. Die Kassiererin, welcher nach ihrem Bericht Decharge erteilt wurde, verzeichnete als Einnahme des Vereins seit Juli 471,38 Mt., als Ausgabe 340,80 Mt. und Bestand 130,58 mt. Die Mitgliederzahl beträgt 350. Die Diskussion beschäftigte sich mit der Gestaltung der Vortrags- und Diskussionsabende, der Vergrößerung der Bibliothek und den geselligen Veranstaltungen. Es erfolgte dann die Neuwahl des Vorstandes, der nun wieder aus sieben Personen besteht. +++