Es ist nicht richtig was dem Verein für Frauenstimmrecht von verschiedenen Seiten unterstellt wird, daß er die Frauen­bewegung als solche oder auch nur seine Mitglieder der freisinnigen Volkspartei anschließen will.

Richtig ist, daß der Verein die Frauen aller Klassen und aller Richtungen für die Mitarbeit an der Politik gewinnen will. Else Lüders  ,

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Mitglied des deutschen   Vereins für Frauenstimmrecht. Nachschrift der Redaktion. Wir wissen nicht, was wir angesichts dieser Möchte gern- Berichtigung mehr bewundern sollen: die tindliche Naivetät oder die edle Dreistigkeit, mit welcher ein Tatbestand, der authentischer" ist als alle Worte, verdunkelt werden soll. Zunächst sei hervorgehoben, daß der beanstandete Saß der Gleichheit" dem Vorstand des Vereins für Frauenstimmrecht" in seiner Gesamtheit nicht unterstellt" hat, er wolle die Frauen­bewegung als solche oder auch nur seine Mitglieder" der freisinnigen Volkspartei anschließen. Sein Wortlaut besagt vielmehr unzweideutig, daß zwei Frauenrechtlerinnen, die beide dem Vorstand der genannten Organisation angehören, für den knickebeinigen Freifinn die Werbe­trommel rühren. Mag sein, daß radikal- frauenrechtlerischer Verstand nicht ausreicht, den Unterschied zu begreifen, der damit zwischen der Aftion einzelner Mitglieder des Vorstandes und dem offiziellen Auf­treten des Vereins, beziehungsweise seiner Gesamtleitung gemacht worden ist. Jedenfalls können wir aber ruhig versichern, daß die parteigenössischen Leserinnen unserer Zeitschrift genügend deutsch  lesen und verstehen, um den aufgezeigten Gegensatz zu erfassen.

Daß die erste und zweite Vorsitzende des Vereins für Frauen­stimmrecht" nicht in politischer Neutralität die Frauen zur politischen Mitarbeit überhaupt zu gewinnen strebten, sondern ausschließlich zur Unterstützung der freisinnigen Volkspartei aufforderten, das wird auch Frl. Lüders nicht zu bestreiten versuchen. Die Behauptung gründet sich nicht auf x- beliebige unzuverlässige Zeitungsberichte, vielmehr auf einen Artikel, den Frl. Heymann im Hamburger   General- Anzeiger  " am 28. April dieses Jahres veröffentlicht hat und auf die Reden Frl. Augspurgs in Versammlungen zu Hamburg  , Berlin   und Frankfurt  .

Was übrigens die angebliche politische Neutralität des Vereins für Frauenstimmrecht" anbelangt, so steht sie unseres Erachtens auf recht schwachen Füßen, welche durch die zitierten Säße um nichts fräftiger und tragfähiger werden. Die angezogene Stelle aus der Frauen­bewegung" vom 1. Juni insbesondere ist für die Haltung der Organisation nicht im geringsten maßgebend. Sie konstatiert lediglich den Tatbestand, daß dank der Änderung des Statuts des Vereins der freisinnigen Volkspartei zu Hamburg   es nun drei politische Parteien giebt, denen Frauen als Mitglieder angehören fönnen. Daß die frauenrechtlerische Organisation herzlich gern Frauen. aller Parteirichtungen aufnimmt, sogar+++ Sozialistinnen, glauben wir aufs Wort, hat aber mit der mehr oder minder eingebildeten Neutralität ihrer Wahlaktion nichts zu tun. Trotz ihrer mit Worten bekannten Neutralität steht sie mit derselben durchaus auf bürger­lichem Boden und befindet sich mithin im Gegensatz zur Sozial demokratie. Das bezeugt der nämliche Aufruf, mit dem Frl. Lüders als mit einem erdrückenden Beweis für die unbefleckte politische Jungfräulichkeit des Vereins für Frauenstimmrecht" prunft. Das Programm, das einem Kandidaten die frauenrechtlerische Wahlhilfe sichern soll, ist mit seinen nichtssagenden Forderungen, welche sogar das wichtigste Frauenrecht preisgeben, lediglich auf bürgerliche Politiker zugeschnitten. Einen sozialdemokratischen Kandidaten darauf verpflichten wollen, ja es ihm, auch nur vorlegen, wäre ein ebenso geistreiches Ansinnen, als riefe ein Kind einem Manne zu, der rüstig die gipfelnden Höhe eines Berges zustrebt: Romm herab, und übe deine Kraft im Besteigen dieses Maulwurfshügels."

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Noch ein anderer Umstand schließt aus, daß der Verein für Frauenstimmrecht" bei der Einleitung seiner Wahlaktion an die Unter­stützung sozialdemokratischer Kandidaten gedacht haben könnte. Der zarte Wink zur Nasführung und Hintergehung der Wähler, der in dem Passus enthalten ist, daß die schriftliche Zustimmung des Kan­didaten zum frauenrechtlerischen Programm genügend ist, wenn die öffentliche Erklärung, dazu im Interesse des Wahlerfolges nicht ristiert werden könnte. In der Sozialdemokratie gibt es feinen solchen nieder­trächtigen, feigen und verräterischen Burschen, der fähig wäre, im Interesse seines Wahlerfolges dem begönnernden Frl. Augspurg   oder Heymann zuzurufen:

Blamier' mich nicht mein schönes Kind Und grüß mich nicht unter den Linden; Wenn wir allein zu Hause sind,

Wird sich schon alles finden."

Weiter heißt es im vierten Absatz des Aufrufs, denjenigen, welche willens sind, im Sinne einer bürgerlichen liberalen Politik zu wirken, wird das Abonnement auf eine von Herrn Richard Reuter, Naum­

Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Bundel) in Stuttgart  .

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burg   a. S., Morißplay, während der Wahlzeit herausgegebene, Wahl­zeitung empfohlen..... Sie werden in diesem Blatte reichhaltiges Material zur Agitation für eine freiheitliche Politik finden und an der Hand desselben imstande sein, lebhaft für deren Kandidaten zu kämpfen." In diesem Absatz ist nicht einmal der Schein der Neutrali tät gewahrt. Wäre er es, so müßten Wahlkorrespondenzen für die Frauen aller Klassen und aller Richtungen" angepriesen sein. Möglich allerdings, daß die zwei Vorstandsdamen, deren Unterschrift der Aufruf trägt, auch die Politik der Konservativen und Zentrümler als eine bürgerlichen liberale" erachten. Daß jedoch in der Sozial­demokratie die Scham erst zu den Hunden entfliehen müßte, ehe sie sich zu dieser ,, bürgerlichen liberalen Politik" bequemen würde, dürfte auch Frl. Augspurg und Frl. Heymann bekannt sein.

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Auch die Erklärung, daß der Verein für Frauenstimmrecht" die Frauen aller Klassen und aller Richtungen für die Mitarbeit an der Politik gewinnen wolle", hat nur Sinn, wenn sie sich auf die bürgerlichen Frauen, die bürgerliche Politik bezieht. Es ist eine unbestreitbare und unbestrittene Tatsache, daß in Deutschland   die tlassenwußten Proletarierinnen, die Sozialdemokratinnen im Punkte politischer Schulung und Betätigung der Bourgeoisdamen weit voraus und überlegen sind. Lange Jahre, ehe der Verein für Frauenstimm­recht" begründet wurde, haben sie dies bewiesen. Sie jetzt durch die neugebackene Organisation zur politischen Mitarbeit rufen, wäre genau so gescheit, als einen guten Schwimmer wieder an die feste Angel" hängen und die ersten Schwimmlektionen durchmachen lassen.

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Endlich aber: wie verträgt sich mit der blütenweisen Neutralität des Vereins für Frauenstimmrecht" das folgende? Im Namen der genannten Organisation wurden in Berlin   und in Frankfurt   die Versammlungen einberufen, in denen Frl. Augspurg in der ent­schiedensten Weise einzig und allein die frauenrechtleriche Unterstützung des Freisinns befürwortete und die Sozialdemokratie als unzuverlässige Vorkämpferin für Frauenrecht auf Grund von Behauptungen ver­leumdete und verdächtigte, die aus dem Blauen zusammen fabuliert waren. Sicherlich eine nagelneue und ergöglich eigene Art, die Frauen sozialdemokratischer Richtung" für die Mitarbeit an der Politik ihrer Partei zu gewinnen!

Angesichts der vorliegenden Tatsachen das frauenrechtlerische Ein­treten für die freisinnige Volkspartei etwa als rein persönliche An­gelegenheit der Damen Heymann und Augspurg   hinstellen wollen, heißt den Gepflogenheiten der Regierungen nachäffen, die offiziös die Gilde der Nichtgentlemen" verwenden, offiziell jedoch deren staats­retterische Dienste verleugnen.

Die Einsendung prahlt damit, daß dem Verein für Frauenstimm­recht" auch Mitglieder der sozialdemokratischen Partei angehörten. Uns will bedünken, daß dabei eine Verwechselung unterläuft zwischen den kämpfenden Mitgliedern unserer Partei und den bekannten, Stillen­Kämmerlein- Sozialistinnen", von denen die Gleichheit" bereits 1895 schrieb, daß sie beim five o'clock tea tapfer auf Bebels: Die Frau und der Sozialismus" schwören, aber die sozialdemokratische Be­wegung ebenso tapfer in der Öffentlichkeit verleugnen, noch ehe ein Bourgeoishahn dreimal gekräht hat." Daß sich Sozialistinnen dieser Spielart in den Verein für Frauenstimmrecht" verirren, liegt nahe genug, und wir grämen uns nicht, wenn sie ihm verbleiben. Immer­hin scheint uns, auch sie werden nach dem Verrat dieser Organisation am Frauenrecht erkennen, daß die Sozialdemokratie allein der macht­volle Verein für die Erkämpfung des Frauenwahlrechtes ist, ein Verein, der drei Millionen Mitglieder zählt.

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Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

Der Frauenverband der norwegischen Arbeiterpartei, der im Dezember 1901 gegründet wurde, zählt laut Bericht vor dem Parteitag der norwegischen Sozialdemokratie jetzt 400 Mitglieder, die sich auf 10 weibliche Fach- und Arbeiterinnenvereine verteilen. Zweck des Verbandes ist, die Fachvereine der Arbeiterinnen wie allgemeine Arbeiterinnenvereine auf der Grundlage der sozialistischen   Auffassung zusammenzuschließen und zur Wahrnehmung ihrer politischen Interessen zu befähigen.

Fraueninteressen und Frauenrecht vor dem Parteitag der norwegischen Sozialdemokratie. Der 17. Landeskongreß der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Norwegens  , der Ende Mai in Christiania   tagte, bestimmte, dem Antrag der Genossin Tynäs entsprechend im laufenden Jahre 300 Kronen für die Förderung der Frauenagitation. Er forderte eine gesetzliche Begrenzung der Arbeits­zeit, Einführung von allgemeinen Voltspensionen und Krankenpflege, Reform des Steuerwesens und der Volksschulen, Aufhebung der stehenden Heere, gefeßlichen Schutz des Koalitionsrechtes 2c. Was die Reform des Wahlrechtes anbelangt, so verlangt er das allgemeine Wahlrecht in Staat und Gemeinde für alle über 21 Jahre alten Männer und Frauen.

Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart  .