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Die Gleichheit
Nr. 23
Wag's einmal.*
Bon Franz Diederich.
Du hast die Sprache. Doch wozu? Zum Schweigen? D brauche deine Sprache fühn zum Sprechen! Laß in dem Frühling edlen Wollens brechen Des Schweigens Eis, das deine Lippen zeigen! Willst du dich zählen zu den ängstlich Feigen, Die ewig wandern auf den sichern Flächen? Nein, wag einmal zu reisen mit den Bächen In wilden Meeres tollen Wogenreigen!
Dort, wo die Sturmflut donnert an die Düne, Wo sich der Gischt in weißen Wirbeln bäumt, Dort suche deines Lebens Tatenbühne!
Der ist ein Feind, der noch in Träumen säumt, Zu häufen Dämme vor das Land, das grüne, Wenn die Vernichtung schon herüberschäumt.
Wandern, ach Wandern.
Bon A. R.**
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Er mußte fich oft abweisen laffen; dann schien ihm der Herr mit einer ganz anderen Stimme, ich habe mir das Leben so ein buntes Narrenspiel zu sein wie seine wohl gedacht, daß du heute nacht dabei gewesen bist. Seidenläppchen. Am liebsten hätte er den verdammten Ja ja! heute nachmittag werden sie dich abholen. schwarzen Koffer auf die Straße geschmissen oder in das Du kommst auf zwei Monate ins Gefängnis." blanke Fenster eines Hoflieferanten. Aber wenn solche Plöglich brach es los wie ein Wasserfall! Mann Anwandlungen famen, so griff er nach seiner Brieftasche und Frau schrien durcheinander, das Mädchen kam hinter und dachte an die tapfere Lore und war still und ging dem Ofen hervor und stimmte ein, der Lahme schrie und in das nächste Geschäft:„ Entschuldigen Sie, ich bin der wälzte sich die Worte waren nicht zu unterscheiden, Reisende von Zeller& Söhne aus Zürich ", und er aber die Leute, die Augen, die Hände es war, als breitete seine bunte Herrlichkeit aus. müsse der kleine dumpfe Raum durch all die Leidenschaft, So war sein Leben, und er befann sich und war die hier explodierte, auseinander gesprengt werden. traurig und glücklich und hatte feuchte Augen. Die Frau Warden erbleichte und erhob sich. Der Herr Menschen liefen an ihm vorüber und keiner sah ihn an. öffnete die Türe und beide eilten hinaus. Im Korridor Er blickte auf das Bild und sah den roten warmen hörte fie das fürchterliche Lachen eines Weibes hinter sich Wein und vergaß die Welt und den Lärm um ihn her. Her ertönen. Das mußte die Frau sein, dieselbe Frau, Der Portier schellte:„ Einsteigen in der Richtung die so milde und traurig von den armen Kindern ge nach Eisenach , Leipzig , Berlin ! drittes Geleise!" sprochen.
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Der Reisende legte gewohnheitsmäßig die Papiere Faft unwillig folgte sie dem Manne, der diese erzusammen in die Brieftasche und das Bild auch; das schütternde Veränderung hervorgerufen hatte, und als faßte er leicht und scheu an, als ob es die Lore selber fie nun miteinander über die Gasse gingen, hörte sie ihm wäre. Er griff nach dem Koffer. Das ging immer weiter mit stolzer, vornehmer, falter Haltung zu. von der Heimat. Berger schüttelte fich und drängte mit den anderen Menschen dem Ausgang zu.
Ein gutes Gewissen.
Von Alexander L. Kielland.
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( Fortsetzung.)
Frau Warden bekam Angst.„ Euer Mann?" fragte sie. Die arme Frau antwortete ja es sei ihr Mann. Heute war er nicht auf Arbeit gegangen, weil er von einem wütenden Zahnweh geplagt wurde.
Das war der Musterreisende der großen Seidenfirma Beller& Söhne aus Zürich , Friedrich Berger. Er setzte fich in ein ruhiges Eckchen des Wartesaals. Die Menschen liefen an ihm vorüber; sie liefen schnell und sahen nach Uhren und blätterten in Büchern mit vielen Namen und Zahlen. Friedrich Berger setzte sich; neben ihm stand der schwarze Musterkoffer. Der Reisende zog die Brieftasche heraus und blätterte die Aufträge durch. Friedrich Berger konnte nicht viel reden und seine Ware loben. Das fonnten andere. Da war Schreber von Schott& Co., der log immer; und Heßler von Seidemann& Sohn, Frau Warden hatte selbst an Zahnschmerzen often der konnte reden! Der fonnte reden! So war Friedrich und wußte, wie qualvoll es war. Deshalb sprach sie Berger nicht. Der legte ruhig alle die bunten Seiden- einige Worte aufrichtigen Mitgefühls.id Läppchen auf den Ladentisch , weiße und rote, schwarze Der Mann murmelte etwas in den Bart und legte und grüne und graue, und freute sich an den Farben sich wieder; in demselben Augenblick entdeckte Frau Warden und nannte die Preise. Samuel Veilchenfeld, der vor eine Person, die sie bis jetzt nicht bemerkt hatte. zwei Jahren die große Pleite gemacht hatte, faufte viel für seinen neuen, schönen Laden und betrachtete die Läppchen lange durch die goldene Brille mit dunklen, scharfen, heimlichen Augen. Auch Breitinger hatte getauft nicht viel; da redete die Frau immer mit darein; " das ist zu teuer", und das haben wir noch", usw.
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Es war ein sehr junges Mädchen, welches in dem Winkel an der entgegengesetzten Seite des Ofens saß. Einen Augenblick starrte dies Wesen die feine Dame an; aber sofort zog es den Kopf zurück, beugte sich vornüber und drehte der Fremden den Rücken zu.
Frau Warden glaubte, daß das junge Mädchen eine Handarbeit im Schoße habe, die sie verbergen wolle; vielleicht war es ein altes Kleidungsstück, das geftopft und geflicht werden sollte.
" Weshalb aber liegt der große Junge auf dem Fußboden?" fragte die Dame.
Dann hatte der Reisende eine Modiftin besucht. Die sah spitz und scharf auf die Nummern und wollte immer handeln. Wenn sie redete, sahen die beiden Nähmädchen im Nebenzimmer scheu von der Maschine auf und blickten durch das Fenster. Da waren grüne Wipfel von Straßenbäumen. Dann blickten die Mädchen nach einem„ Er ist lahm"-antwortete die Mutter. Und jetzt sauberen Schlächtergesellen; der lenkte sein Rad mit einer folgten viele Klagen und eine umständliche Beschreibung Hand und hielt mit der anderen den Fleischkorb. Sie über den armen Jungen, welcher nach dem Scharlachfreuten sich an ihm, weil er so frisch und jung war und fieber hüftlahm geworden war.
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so geschickt ausweichen konnte. Wer wohl sein Schah„ Sie müssen ihm," begann Frau Warden, einen war?" Die jungen Dinger lachten leise, und ihre Füße Rollstuhl kaufen," wollte sie vollenden. Aber da fiel es ruhten. Ein Schatz, das muß schön sein, ja! Da rief ihr plöglich ein, daß es beffer wäre, wenn sie selbst ihn die Modiftin: Was seht ihr zum Fenster hinaus; habe faufte. Es ist nicht ratsam, dem Armen so viel Geld in ich euch dafür bezahlt?" Die Mädchen setzten die Maschine die Hand zu geben. Aber etwas wollte sie der Frau in Gang, zogen den schönen, neuen Stoff unter der Nadel weg und waren still.
„ So sind die Mädchen heute, Herr Berger, keine will was tun. Da hat man immer seinen Arger. Fräulein" soll man sie auch noch nennen; sehen Sie"
„ Das hier ist etwas ganz Neues." Die Frau griff in den Stoff, prüfte das Gewebe und die Zahlen und schwieg.
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Das waren seine Aufträge. In seiner Brieftasche war noch etwas: das Bild seiner Lenore und des Buben. Geheiratet hatte er seine Lore noch nicht; es hatte immer am Geld gefehlt, und Friedrich Berger war so oft auf Reisen.
doch gleich geben. Denn hier wollte sie helfen, hier war wirkliche Not und Bedrängnis, und sie griff in die Tasche, um ihr Portemonnaie hervorzuholen.
Es war nicht da. Das war zu ärgerliches mußte im Wagen liegen.
Gerade als sie dem Weibe ihr Unglück flagen und ihr versprechen wollte, das Geld später zu schicken, wurde die Tür geöffnet, und herein trat ein elegant gekleideter Herr. Sein Gesicht war sehr voll und von einer eigentümlichen, trockenen Blässe, als äße er viel Mehl.
Aber nach und nach veränderte sie die Miene. Es lag doch so viel Wahrheit in allem, was er sagte.
Der Armenvorsteher sprach davon, wie wohl es ihm tue, zu sehen, daß eine Dame wie Frau Warden so viel Herz für die beklagenswerten Armen habe. Wenn es auch zu beklagen, daß selbst die wohlgemeinteste Hilfe so oft in die unrechten Hände fomme, so bliebe es doch immer etwas Schönes und Erhebendes, daß eine Dame wie Frau Warden-
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" Aber," unterbrach sie ihn,„ bedürfen denn diese Menschen der Hilfe nicht im höchsten Grade? Ich empfing den Eindruck, daß besonders die Frau einmal bessere Tage gesehen haben müsse wenn dort Hilfe zu rechter Zeit täme fönnte man ihr möglicherweise wieder empor helfen."
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„ Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen- gnädige Frau daß sie eine sehr berüchtigte öffentliche Person gewesen," sagte der Armenvorsteher in mildem, klagendem Tone.
Ein Schauer überlief Frau Warden.
Mit einem solchen Weibe hatte sie gesprochen- über Kinder gesprochen; sie hatte sogar ihres eigenen Kindes erwähnt, das daheim in seiner reinen Wiege lag. Es war ihr beinahe, als müsse sie nach Hause eilen, um zu fehen, ob es noch gesund und rein wie zuvor geblieben. Und das junge Mädchen?" fragte fie furchtsam. Ja gnädige Frau haben Sie denn nicht ihren Zustand bemerkt?"
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Nein Sie meinen?"
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Der fette Herr murmelte einige Worte. Frau Warden fuhr zusammen:„ Mit dem Manne!- dem Manne im Hause!"
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" Ja, gnädige Frau! Es tut mir leid, Ihnen das erzählen zu müssen, aber Sie können sich doch vorstellen, daß diese Menschen" und er flüsterte wieder. Das war zuviel für die vornehme Frau. Ein Schwindel erfaßte fie, und dankbar nahm sie den ihr dargebotenen Arm des Herrn. Jezt gingen sie schnell auf den Wagen zu, der etwas weiter von der Stelle entfernt hielt, wo fie ihn verlassen. Denn der Unerschütterliche hatte ein Kunststück ausgeführt, das sogar der Wizbold mit einem Kernfluch anerkannt hatte.
Nachdem er eine Zeitlang gerade und unbeweglich wie eine Kerze auf dem Bock gesessen, hatte er die fetten Tiere Schritt für Schritt zurückgehen lassen, bis sie an eine unmerkbare Erweiterung der Gaffe gekommen, die unsichtbar für alle anderen Augen war, nur nicht für " Frau Warden, wie ich vermute," sagte der fremde die eines ausgelernten herrschaftlichen Kutschers . Herr; ich traf Ihren Wagen oben in der Gasse; und Ein ganzes Knäuel wilder, zerlumpter Kinder umhier bringe ich Ihnen- vermutlich Ihr Portemonnaie?" schwärmte den Wagen, fie taten was sie konnten, um | Nun wohnte Lore in Zürich in einem Hinterhaus Die Dame sah es an, ja, allerdings, es gehörte die Fetten außer Faffung zu bringen. Aber der Geist drei Treppen hoch. Das war eine kleine Wohnung. thr; auf der glatten Elfenbeinfläche war ein schwarzes des Unerschütterlichen war in ihnen. Lore stopfte Strümpfe und flickte mit ihren geschickten E. W. eingraviert. Fingern feine Herrenwäsche und hütete das Kind. Der Reisende stellte das schlichte Bild gegen den Streichholzständer und sann und ließ sich ein wenig Wein fommen. Den trant er langsam und blickte freundlich auf das Bild. Wenn er doch heiraten fönnte und abends mit Frau Warden dankte, obgleich der Mann ihr feinesLore zusammen am Tisch sitzen und sich etwas erzählen. wegs sympathisch war. Als sie fich aber wieder dem Und dann würden beide nach dem Kinde sehen. Oder Zimmer zuwandte, war sie heftig erschrocken über die er würde Gedichte lesen. Das tat er manchmal heimlich. Veränderung, welche plötzlich mit dessen Insassen vor Vielleicht wurde die Buchhalterstelle frei. Buchhalter fich gegangen war. Braun war schon alt. Er sah schlecht und schrieb langfam. Ob er die Stelle wohl bekommen würde?
Das ewige Reisen, wollte es denn gar kein Ende nehmen? Da sagten die Käufer:„ Wir bedauern, wir sind noch versehen," oder:„ Kommen Sie das nächste Mal wieder," oder:" Wir brauchen nichts." Heute war er fünfmal abgewiesen worden.
Als ich um eine Ecke bog, sah ich es zufällig in den Händen einer Dirne einer der schlimmsten im ganzen Biertel", erklärte der Fremde,-, ich bin nämlich Armenvorsteher im Distrikt," fügte er hinzu.
Der Mann hatte sich im Bette aufgerichtet und stierte den dicken Herrn an; das Weib trug ein häßliches, gemeines Lächeln zur Schau, und der arme kleine Lahme hatte sich bis an die Türe gewälzt, und auf seine mageren Arme gestützt, stierte er empor wie ein kleines Tier.
Und in all diesen Augen lag derselbe Haß, derselbe tampfbereite Trozz- und jetzt war es Frau Warden, wie wenn sich ein ungeheurer Abstand zwischen sie und mit dem fie soeben noch so offen * Aus ,, Die Hämmer dröhnen", Werbestimmen. Dresden , das arme Weib le und vertraulich geprochen hatte. Berlag und Druck bei Kaden& Co. Wie du heute wieder aussiehst Martin!" sagte
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Nachdruck nur mit Erlaubnis des Verfassers.
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Und nachdem er mit ruhigem Blick den Abstand zwischen zwei Treppenstufen an beiden Seiten der Straße gemessen, ließ er die Pferde langsam und Schritt für Schritt eine Wendung machen so scharf, so fnapp, daß es aussah, als müsse der feine Wagen in Stücke zerbrechen, aber so affurat, daß nicht ein zollbreit zu viel oder zu wenig an jeder Seite blieb.
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Jetzt faß er wieder kerzengerade da und maß noch einmal mit den Augen den Abstand zwischen den Treppenstufen. Aber in seinem Gedächtnis notierte er sich doch die Nummer des Polizeidieners, der das Kunststück mit angesehen hatte, um einen Zeugen zu haben, auf den er sich berufen fonnte, wenn man daheim im Stalle seiner Erzählung keinen Glauben schenken sollte.
Frau Warden ließ sich vom Armenvorsteher in den Wagen helfen. Sie bat ihn, am folgenden Tage bei ihr einzusehen, und gab ihm ihre Adresse. ( Schluß folgt.)