Nr.NDie Gleichheit95Meister für Klavier und Geige, sowie Sologesänge undDeklamationen ernsten und heiteren Inhalts vorgetragen,und der gemischte Chor parteigenössischer Sänger erfreutedurch seine Gesänge. Der Unterhaltungsabend verdientNachahmung. cK.Jahresbericht der Vertrauenspersvn der GenossinnenKönigsbergs t. Pr. Die Genossinnen Königsbergs habensich im letzten Jahre angelegen sein lassen, eifrig für die Aus-dehnung und Kräftigung der proletarischen Frauenbewegungzu arbeiten. Es fanden im Berichtsjahr vier öffentliche Frauen-Versammlungen statt; manche Arbeiterfrau, die an ihnen teil-nahm, ist wohl zum erstenmal in einer sozialdemokratischenVersammlung gewesen. Die meisten Partei- und Gewerkschafts-Versammlungen waren von Frauen gut besucht. Es ist das sehrerfreulich; die Frauen nehmen aus den Versammlungen An-regungen mit nach Hause, gewöhnen sich ans Lesen und stehendem Manne nicht mehr hindernd im Wege. Aus der politischgleichgültigen Proletarierin wird allmählich eine denkende undhandelnde Genossin. Die Vertrauensperson der Genossinnenlegte großes Gewicht darauf, daß die Parteigenossen öffent-lich e Versammlungen abhalten, in denen die Frauen nicht nuranwesend sein, sondern auch sprechen können. Als der Reichstagaufgelöst worden war und die Partei in die Wahlagitationeintrat, zeigte es sich, daß die Frauen der Wahlbewegungnicht interesselos gegenüberstanden. 40 Frauen und Mädchenhalfen dauernd bei der Wahlarbeit mit. Der Ausfall derWahl in Königsberg— wir haben diesmal nicht gesiegt— mußein Ansporn sein, mehr denn je auch die Frauen aufzuklärenund vor allen Dingen dafür zu sorgen, daß die Arbeiter die„Volkszeitung" und keine bürgerlichen Blätter lesen. Außerden Versammlungen wurden Leseabende abgehalten. Siewaren mäßig besucht, lieferten aber den Beweis dafür, daßdie Frauen Lust zum Lernen haben. Die Genossinnen be-mühen sich, auch die Frauen in der Provinz wach zu rütteln,und das mit Erfolg. Dem ostpreußischen Parteitag, derim Herbst in Jnsterburg stattfand, wohnten viele Frauenaus den umliegenden Ortschaften als ZuHörerinnen bei. Alssie, wie die„Gleichheit" seinerzeit schon berichtete, von derPolizei aus dem Saale verwiesen wurden, murrten sieund meinten, Männer und Frauen dürften doch gemeinsamarbeiten, sie dürften gemeinsam in die Kirche gehen, warumsollten sie nicht gemeinsam an dieser Versammlung teilnehmendürfen? Und mit freudigen Gesichtern drängten sie sichwieder in den Saal, als auf die sofort eingelegte Beschwerdedes Genossen Haase von der oberen Behörde das Verbotaufgehoben worden war, allerdings erst, nachdem der Partei-tag schon einige wichtige Punkte erledigt hatte. Die Zahlder„Gleichheit"- Leserinnen ist von 48 auf 81 gestiegen. DieEinnahmen der Genossinnen betrugen— den vorjährigenKassenbestand mitgerechnet— insgesamt 405,116 Mk., dieAusgaben 808,82 Mk. Unter den Einnahmen befanden sichbb Mk., die für freiwillige Beiträge einkamen; 20 Prozentdavon, also 10,60 Mk., wurden an den Agitationssonds derGenossinnen abgeführt. Auf Vorschlag der Vertrauenspersonsind noch nachträglich von den 96,24 Mk. Kaffenbestand50 Mk. dem Wahlfonds überwiesen worden, so daß noch46,24 Mk. in der Kasse bleiben. 20 Genossinnen haben sichbereit erklärt, in diesem Jahre regelmäßig freiwilligeBeiträge zu zahlen. Die Unterzeichnete wurde auf einweiteres Jahr als Vertrauensperson gewählt. GenossinD ö b l e r soll ihr bei der Agitationsarbeit Hilfe leisten. ZuRevisorinnen wurden die Genossinnen Bluhm, Hart-mann und Pahlke bestimmt. Es ist den Genossinnen ansHerz zu legen, unablässig zu lernen, damit sie mit der Zeitfortschreiten und andere mit unseren Ideen vertraut machenkönnen. Was wir lernen und an Arbeit zur Aufklärungder Ausgebeuteten leisten, das nützt nicht nur uns, sondernunserem Liebsten, unseren Kindern. Darum frischauf zuneuen Taten! Frau Nowagrotzki.Die Behörden im Kampfe gegen die proletarischen Frauen.Den Widersinn des preußischen Vereinsrechts unddie Willkür der polizeilichen Praxis zu erweisen, dasscheint offenbar das unfreiwillige, aber dankenswerte Be-mühen mancher preußischen Polizeiorgane zu sein. InThorn wies Polizeiwachtmeister Kabel die zu einer Ver-sammlung erschienenen Frauen aus dem Saale des Partei-lokals, obgleich dieser eine Galerie hat, die als„Segment"dienen konnte. Es war also die Möglichkeit vorhanden, daßdie Frauen dem bekannten Erlaß des verflossenen Polizei-Ministers Hammerstein gemäß als„passive ZuHörerinnen",„unvermischt mit den Männern" der Versammlung bei-wohnen konnten. Die Berufung des Versammlungsleitersauf diesen Erlaß blieb ohne Wirkung. Und das ist nicht zuverwundern. War doch der Herr Polizeiwachtmeister vonder vorgesetzten Behörde gleichsam zu seinem Vorgehen er-muntert worden. Im Februar hatte er nämlich in dergleichen Weise gegen den Ministerialerlaß verstoßen. Dieeingelegte Beschwerde aber hatte der zweite Bürgermeistervon Thorn mit der Behauptung zurückgewiesen, daß sie»nach den erfolgten Feststellungen jeder Begründung entbehrt". Die Thorner Genossen wollten sich durch Beschreitungdes Beschwerdewegs bis zum Minister Klarheit darüberverschaffen, ob der berühmte Segmenterlaß Hammersteinsvielleicht nur für die Damen der notleidenden Krautjunkerund deren Tagungen im Zirkus Busch gilt.—Nicht bloß in der Nachbarschaft der russischen Grenze,sondern auch vor den Toren Berlins und in Berlin selbsterfahren die Proletarierinnen, daß sie in jenem Preußenleben, wo alle vor dem Gesetz gleich sind. So steht eswenigstens auf dem Papier der Verfassung, und also muß es..uch wahr sein. In einer öffentlichen Frauenversamm-mng zu Adlershof beleuchtete Genossin Thiel alsDiskussionsrednerin die Rechtlosigkeit der Frau und er-klärte, daß diese trotzdem und trotz ihrer angeblich ge-ringeren Bildung mit dem Manne strafrechtlich gleich-gestellt sei. Das veranlaßte den überwachenden Beamten,die Versammlung aufzulösen. Nach dem Grunde dieserMaßregel fragt man sich vergeblich, aber man ist ja ge-wöhnt, daß das vom preußischen Vereinsrecht beflügeltePolizeigemüt ahnet, findet und beweist, was kein profanerUntertanenverstand sieht.— Die Anwesenheil der.Frauen führteauch in zwei Versammlungen in Berlin zu Störungen. Ineiner Mitgliederversammlung des Wahlvereins fürden dritten Berliner Reichstagswahlkreis wolltenauch Genossinnen den Vortrag des Genossen Severingüber„Das Wettrennen nach Sozialreform" hören. Derüberwachende Polizeileutnant verlangte jedoch ihre Enffer-nung aus dem Saal und wollte sich auch nicht damit zu-frieden geben, daß die Frauen in einer Ecke des Saales,getrennt von den Männern, Platz nahmen. Schließlich ge-stattete er, daß sie von einer kleinen, hochgelegenen Galerieaus der Versammlung beiwohnten. Der Umzug der Frauenveranlaßte nun einen Umzug der überwachenden Beamten.Diese verlegten ihren Platz auf die andere Seite der Bühne,um genau wahrnehmen zu können, ob die Frauen sich nichtetwa anschickten, durch„Zwischenrufe" und ähnliche„revo-luttonäre" Taten den herrlichen preußischen Staat ins Wackelnzu bringen. Der Vorgang veranlaßte den Genossen Severing,an die am selben Tage im Reichsparlament angenommeneResolution Ablaß zu erinnern, das Vereins- und Versamm-lungsrecht betreffend. Er meinte, das soeben Erlebte könnteden Glauben erwecken, als wolle die königlich preußischePolizei gerade zeigen, wie notwendig eine Reform des Vereins-und Versammlungsrechtes sei. Daraufhin erhob sich derHerr Leutnant und erklärte, das Haupt mit dem staats-erhaltenden Helm bedeckend, er verbitte sich jede Kritik derMaßnahmen der überwachenden Beamten. Genosse Severingerklärte darauf:„Ich muß Sie ersuchen, mich in meinenAusführungen nicht zu unterbrechen. Mit keiner Silbe habeich die Maßnahmen der überwachenden Beamten kritisiert.Wir müffen es der Polizei selbst überlasten, wie sie sich mitden skandalösen Zuständen abfindet, die das preußischeVereins- und Versammlungsrecht geschaffen hat." Erst nachdiesem längeren Zwischenspiel preußisch-vereinsrechtlichenJammers konnte die Versammlung in die Behandlung ihrerTagesordnung eintreten.— Lehrreich wie die Versammlungdes Wahlvereins war eine Mitgliederversamm-lung des Vereins Berliner Hausdiener.Und auch der komische Beigeschmack fehlte ihr nicht, der sooft dem Wackeln des Bureaukratenzopfs anhaftet. GenosseLedebour sollte in der Versammlung über die Revolutionvon 1843 sprechen. Auf Anordnung des überwachendenPolizeibeamten mußten sich die anwesenden Frauen in ein„Segment" begeben, weil der Vorttag, der gehalten werdensolle, politisch sei. Damit die gefährliche Wirkung des poli-tischen Vortrags immunisiert würde, suchten nun die Frauennach Vorschrift das„Segment" eines— Tisches im Hinter-grund des Saales auf. Genosse Ledebour bezeichnete denVorgang als einen Ausdruck der preußischen Rückständig-keit. Heute, 59 Jahre nach der achtundvierziger Revolutionherrsche noch polizeiliche Bevormundung der Staatsbürger,früher konnten sich die Bürger im Freien versammeln, ohnedaß die Polizei sich darum zu kümmern hatte. Der Rednererörterte dann den Segmenterlaß und hob hervor, daß derVerein der Berliner Hausdiener keine politische Organisationsei, daß er sich aber nach der Auffassung des überwachendenBeamten für diesen Abend in einen politischen Verein ver-wandelt habe, weil ein politischer Vortrag gehalten werdensolle. Er selbst habe die Absicht gehabt, einen historischenVortrag zu halten. Da jedoch nach der polizeilichen Auf-fassung der Vortrag ein polittscher sein solle, werde er dieGelegenheit benutzen, einen solchen Vortrag zu halten. Erwerde die Frage behandeln: Welche politischen Lehren hatdas Proletariat aus der Märzrevolution zu ziehen?— Diepreußischen Steuerzahler besolden nicht umsonst den zahl-reichen Stab der Polizei. Diese läßt sich durch eine rechtwirksame„Propaganda der Tat" angelegen sein, für dieNotwendigkeit eines freiheitlichen Vereins- und Versamm-lungsgesetzes zu agitieren.Politische Rundschau.Einen Wahlsieg, so groß und gewaltig, wie kaum einerin der Geschichte der Arbeiterbewegung, hat die öfter-reichische Sozialdemokratie am 14. Mai der prole-tarischen Internationale beschert. Dem glänzenden Feldzugums Wahlrecht, diesem Meisterstück festen, zum äußerstenentschlossenen Kampfesmuts, ist ein Wahlkampf gefolgt, derseines Vorgängers würdig war, und dessen Erlrag alle Er-Wartungen übertroffen hat. Gegen alle Parteien ist diesergroße Sieg erfochten worden, und über fast alle Nationenund Länder des bunt zusammengestückelten Österreichs er-streckt er sich— die Sozialdemokratie ist in Osterreich diePartei des Proletariats aller Zungen. Und dieser Sieg istkein Geschenk des Zufalls, kein über eine indifferente Masseerfochtener. Er ist erkämpft bei einer Wahlbeteiligung von85 bis 90 Prozent, er ist in verschiedenen Kronländern er-kämpft unter dem Gesetz der Wahlpflicht, und er ist endlicherkämpft unter einem Wahlrecht, das einjährige Seßhaftig-keit im Wahlkreis vorschreibt. Bestürzt steht die Bourgeoisiealler Länder vor diesem proletarischen Siege ohnegleichen.Ihre Hoffnung aufs Niederreiten der Arbeiterbewegung, diesie nach den deutschen Hurrawahlen zu kühnen Träumentrug, ist flügellahm zusammengebrochen, nachdem ihrGlauchau-Meercme schon einen kleinen Dämpfer aufgesetzthat. Das Proletariat aller Länder aber schöpft neue Kraftaus dem Siege der österreichischen Genossen, und die deutscheSozialdemokratie, deren Siege oft in bösen Tagen den öfter-reichischen Brüden, Hoffnung und Zuversicht gaben, erlabtsich an dem gewaltigen Siegesschauspiel und harrt mit Un-geduld des Tages, da sie ihre Kraft aufs neue bewähren undes den Brüdern im Osten nachtun kann.Von den bürgerlichen Parteien Österreichs haben— beidem vorwiegend agrarischen Charakter des Staates natürlichgenug— die Klerikalen die Probe des gleichen Wahlrechtsam besten bestanden, weil sie sich auf Bauern und Klein-bürger stützen. Bis auf winzige Haufen zusammengehauensind dagegen die nationalistischen Maulhelden, und dünn ge-sät sind die Reihen der Liberalen. Die klerikal-antisemiti-schen Christlich-Sozialen zeigen sich trotz großer Mandatszahlim Niedergang begriffen. Ohne den skandalösen Lueger-schen Wahlschwindel in Wien würde er noch schärfer hervor-treten. Das gleiche Wahlrecht hat die politische PhysiognomieÖsterreichs erheblich verändert; von den großen Parteiendes alten Privilegienparlaments bleibt nur die polnischeSchlachta ungeschwächt erhalten. Die Stichwahlen, für diedie Regierung nach deutschem Muster ein anttsozialdcmokra-tisches Kartell zusammenzubringen versucht— anscheinendmit teilweisem Erfolg—, werden das Werk der Hauptwahlfreilich noch verschiedentlich modifizieren. Sie werden un-seren tapferen Genoffen aber sicherlich noch manchen vollenSiegeskranz einbringen.Am selben Tage, da die Völker Österreichs zur Wahlgingen, schloß das deutsche Parlament seine Pforten.Der Hurra-Reichstag hatte den Etat durchgepeitscht, dasselbständige Kolonialamt und das Oberkommando für die„Schutz"truppen, den Grundstock für die künftige Kolonial-armee geschaffen und den Farmern von Südwestafrika fünfMillionen Entschädigung gegeben. Er hat brav bewilligt,hat seine Schuldigkeit im Dienste der Reaktion getan, undalso konnte er gehen. Für die Erledigung der von denParteien gestellten Anträge, für die auch nur teilweise Ein-lösung der Bülowschen Versprechungen an den Liberalismuswar keine Zeit mehr. Und wenn der Reichstag im Novemberwieder zusammentritt, wird es nicht viel anders sein. Dennda wird er vor allem die Mittel zum Stopfen all der Löcherbeschaffen müssen, die er mit seinen Bewilligungen in denReichssäckel gerissen hat. Die neuen dauernden Ausgabenhaben die Tendenz zum Wachsen und zeitigen ihre Kon-sequenzen. Ein Aufhalten gibt's nicht. Schon haben dieFlottenvereinler auf ihrer Kölner Tagung die Agitattons-trompete angesetzt und die Forderung nach größerer Flotteund schnellerem Bau ins Reich geschmettert. Und wozuwäre denn der„nationale" Reichstag da, wenn er nicht die„Wehrmacht" stärken sollte! Den wachsenden Ausgaben aberstehen nicht im selben Maße wachsende Einnahmen gegen-über. Die neuen Steuern, namentlich die Verkehrssteuern,bringen nicht das, was ihre Schöpfer von ihnen erhoffthaben. Der Ertrag der höheren Zölle bleibt hinter den Er-Wartungen zurück, und die vor der Tür stehende Krise wirdoen Eingang an Zöllen und Verbrauchssteuern ohnehin nochsenken. Nicht weniger als 254 Millionen Anleihen mußtenschon jetzt aufgenommen werden. Neue Steuern müffen her,das ist des Reichsschatzsekrelürs A und O. Das„glorreicheWerk" der Reichsfinanz„reform" soll im Herbste fortgesetztwerden. Da mag dann der Freisinn zeigen, welchen Gradvon Entsagungsfähigkeit er aufbringt, wieviel indirekteSteuern er bewilligen kann und wie er mit Ergebung aufdem Altar der Blockbrüderschaft seine Paradestücke, dieReichseinkommensteuer usw., opfert. Die konservative undnationalliberale Presse bereitet ihn jetzt schon darauf vor.So darf der Freisinn seinen Wählern wenigstens versichern,daß er im Herbste Gelegenheit haben werde zu großen„nationalen Taten"— die versprochenen liberalen Taten derRegierung werden dafür um so magerer sein. Die stattlich«Reihe seiner antiliberalen Blockdienste in der verflossenenSession hat der Freisinn abgeschlossen mit seiner schmählichenHaltung beim Attentat des freisinnigen VizepräsidentenKämpf auf die Redefreiheit, das er am Genossen Ledebourverübte, und mit der Abstimmung für die Gültigkeit desRichthofenschen Mandats von Bülows Gnaden für Schweidnitz-Striegau. Dafür bringt er nichts weiter heim als die un-bestimmten Versprechungen Bülows und den einen Gesetz-entwurf zur Einschränkung der Majestätsbeleidigungsprozesse,diese groteske Halbheit, die nichts anderes ist als ein Aus-nahmegesetz gegen die Sozialdemokratie. Indes, die Be-scheidenheit und der„nationale" Eifer des Freisinns findgroß, und der Block hält also noch zusammen.Der Kurs des„eisernen Besens" wider die Kolonial-greuel hat sich aufs neue herrlich geoffenbart in einemmilden Urteil gegen einen ehemaligen Gouverneur von Togo.Herr Horn, der einen Neger aus grausame Art tötete, indemer den im glühenden Sonnenbrande am Pfahl Hängendenvergaß und ihn so verschmachten ließ, geht mit zwei Dritteleiner ansehnlichen Penston in den Ruhestand. Sein Leidens-geführte v. Puttkamer kann sich indes des milden Urteilsder Potsdamer Disziplinarrichter noch nicht in Gemütsruheerfreuen. Eine kompromittierliche Veröffentlichung seinerschnöd preisgegebenen und unritterlich beschimpften Ge-liebten hat das Verfahren in ein böses Licht gestellt und dieKolonialverwaltung zur Eröffnung einer neuen Untersuchunggezwungen. Besser hat's Herr Dernburg, jetzt Staatssekretärder Kolonien, selber. Mit kühlem Gleichmut ging der Reichs-tag über die Tatsache hinweg, die Genoffe Ledebour an denPranger schlug: die Verantwortlichen der Kolonialpolitikhaben im Konzentrationslager auf der Haifischinsel von2000 gefangenen Hottentotten— überwiegend Frauen undKinder— zwei Drittel am Klima und an Skorbut„ein-gehen" lassen, wie Dernburg sich zynisch ausdrückte. Be-reits im Dezember hatte Ledebour auf die enorme Sterb-