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Die Gleichheit
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Weltgeschichte.
Don Arno holz.
Heimlich durchwandert die Nacht den Tann, Duftend im Vollmond schwanken die Gräser; Alles schläft! Nur ein steinalter Mann Putzt sich geschäftig die Brillengläser. Rimmt sich ein prischen und sagt: Hätschi! Jch bin der achte der sieben Weisen! Ach, und er merkt es nicht einmal, mie Ueber ihm leuchtend die Sterne kreisen! Sehnsüchtig harft durch die Zweige der Wind, Blüten erschließen sich, Knospen schwellen; Alles still! Nur der Nachttau rinnt
Und von den Bergen her rauschen die Quellen. Raune nur traumhaft, du dunkle Natur, Raune das Rätsel der Elemente,
Hat doch der alte Graukopf nur Sinn für Bücher und Pergamente!
Wenn er nur schnüffeln und büffeln kann, Mag dreist dies Sonnensystem erkalten;
Ihm ift's schon recht, denn was geht es ihn an, Daß sich die Welten wie Blumen entfalten? festgeleimt an den Stuhl das Gesäß,
fängt er sich Grillen und mästet sich Motten, Hästelt und schreibt gelehrte Essays Ueber Assyrer und Hottentotten.
Tintenfäffer bilden Spalier, Goldstreusand und Radiermesser blinken, Ganze Ballen von Schreibpapier Liegen bekritzelt ihm schon zur Linken.
Säuberlich hat er drin aufnotiert
Jede Schlacht und jedes Gemetzel,
Reben Rapoleon figuriert
Kaiser Tiber und der Hunnenchan Ehel.
Ekelerregend mit jedem Band
Schwillt das Gemengsel von Blut, Fleisch und Knochen;
Leute wie Sokrates , Shakespeare und Kant
Werden nur so nebenbei besprochen. Weltharmonie und Sphärenmusik
Können ihm vollends gestohlen bleiben; Interessanter ist schon die Rubrik,
Wie sich die Kaiser von China entleiben!
Also fitzt er und schmiert und schmiert Tote Zahlen und trockne Berichte,
Bis er dann endlich„ Schluß" drunter kliert Und auf das Titelblatt:„ Weltgeschichte". Weltgeschichte! O blutiger Hohn! Uralter Hymnus auf die Borniertheit! Wann, o wann kommt des Menschen Sohn, Der dich erlöst aus deiner Vertiertheit? Jmmer noch brütet die alte Nacht Grauenvoll über den Völkern der Erde, Aber schon seh' ich rotlodernd entfacht Flammen des Geistes auf ewigem Herde. Freiheit und Gleichheit und Brüderlichkeit Jubelt die neugeborene Trias!
freu dich, mein Herz, denn die goldene Zeit Dämmert und predigen wird der Messias: Lebt in Frieden und baut euer Zelt, Diel, ach, müßt ihr noch lehren und lernen; Ein Herz schlägt durch die ganze Welt, Ein Geist flutet von Sternen zu Sternen. Ruft drum als Losung von Land zu Land: Eins sei die Menschheit von Zone zu Zone! Erst wenn sie staunend sich selbst erkannt, Dann erst ist sie der Schöpfung Krone!
Molla Mohammed.
Eine turdische Erzählung.
Deutsch nacherzählt von E. Hartmann- Harder.
பிரம்
machen, daß er es nicht mehr laffen konnte. Gab es um Anweisungen zu bitten, was weiter mit dem Neunichts zu topieren, so schrieb er seine eigenen Gedanken befehrten zu tun sei.
nieder und strömte die Sehnsucht nach hohen Zielen in Es wurde angeordnet, daß der angebliche Mönch am zahllosen Versen aus. Da war ihm sein Amt eine rechte anderen Tage im Beisein des ganzen Hofes vom Sultan Last, und nur um des Weibes und der alljährlich sich selbst seinen moslimischen Namen erhalten sollte. Vor mehrenden Kinder willen, die tagtäglich ihr bescheidenes der feierlichen Versammlung verneigte sich der Molla Brot verlangten, blieb er dabei. demütig und sprach: Unter all den hohen und herrlichen
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Eines Tages riet ihm ein Kaufmann, der weit in Namen, von denen ich fürder einen tragen soll, scheint mir der Welt herumgekommen war, er solle nach Stambul feiner dem gleich, den der Gottesgesandte Gott segne gehen, dort, in der Hauptstadt, werde er schon sein Glück ihn! selbst trug. Willst du, o Herrscher der Gläubigen, machen. Das leuchtete dem Schulmeister ein, eifrig und mir hohe Gunst erzeigen, so nenne mich Mohammed ." voll freudiger Erwartung betrieb er die Vorbereitungen So erhielt Molla Mohammed den Namen Mohammed . zu der weiten Reise. Ms sein treues Weib ihn beim Am anderen Tage sprach ganz Stambul von dem Abschied weinend umschlang, tröstete er fie:„ Gedulde Neubekehrten. Er erhielt auf des Sultans ausdrücklichen dich fünf Jahre lang, in dieser Zeit hoffe ich mein Glück Wunsch einen der berühmtesten Mollas als Lehrmeister. zu machen, als wohlhabender, angesehener Mann fomme Mit dem Abc wurde begonnen. Molla Mohammed ich dann, inschallah( so Gott will), zu dir und den Kindern hütete sich wohl, zu verraten, daß er alles ebenso gut zurüd!" oder noch besser als sein Lehrmeister wußte, er spielte Nach mühevoller Reise tam Molla Mohammed in den wissensdurstigen Schüler. Der Sultan geruhte, fich Stambul an. Die geringe Barschaft, die er mitgenommen, alle paar Tage selbst nach den Fortschritten seines Günst war unterwegs verbraucht, seine Kleider abgerissen; doch lings zu erfundigen, und war hocherfreut, daß man was tat's? In Stambul erwartete ihn ja das Glück. deffen Fähigkeiten nicht genug rühmen konnte. Er machte Gleich am ersten Tage verfaßte er ein Schreiben an den unglaublich rasche Fortschritte in dem Wissen der wahren Scheich- ul- islam, den obersten geistlichen Würdenträger Religion, schon schrieb er die tadellosesten H's und K's, des Reiches; er drechselte die kühnsten Redensarten, er zeigte bei jeder Gelegenheit die beste Gesinnung, er schmiedete die unglaublichsten Verse, schrieb seine schönsten war offenbar ein gottbegnadeter Mensch. H's und K's und ging damit zur Pforte des Schlosses, Mit seiner Not hatte es längst ein Ende. Er wohnte darin der hohe Herr residierte. Doch der Pförtner wies im Hause des Scheich- ul- islam und aß an seinem Tische. ihn barsch zurück, da seine Kleider schäbig aussahen; Der Sultan zeichnete ihn durch die wertvollsten Geschenke nicht einmal den Brief nahm er ihm ab, sein Herr lese aus. Nach einem Jahre erklärte sein Lehrmeister ihn für Bettelbriefe nicht!" Betrübt schlich Mohammed fort, doch reif, nunmehr selbst ein Molla zu werden. Bei dem Feste, nach kurzem Bedenken fing er's anders an. das ihm zu Ehren im Balaft des Scheich- ul- islam gegeben Er ging in eine der großen Schulen. Mit ernſtem ward, überreichte ihm der Sultan selbst seine Ernennung Gruß trat er an einige der Professoren heran, nannte zu einer ansehnlichen und gut befoldeten Stellung an seinen Namen und Beruf und fragte, ob er an einer einer der Gelehrtenschulen, der Hof veranstaltete eine Schule Stambuls eine Stellung finden könnte. Doch Sammlung für ihn, deren Ergebnis ihn in den Stand auch hier wurde er barsch abgewiesen.
setzte, eines der elegantesten Häuser zu erwerben und Da seine dürftige Kleidung seinem Fortkommen im den großen Herrn zu spielen. In der guten Gesellschaft Wege zu sein schien- es war eben in den alten Zeiten, riß man sich um ihn, er war der Glanz eines jeden wo die Leute noch so merkwürdige Vorurteile hatten, Festes, er rühmte sich der Gunft der vornehmsten Damen, fchlug er einen anderen Weg ein. In sein armseliges und die Leute, deren Diener ihn einft von den Türen Duartier zurückgekehrt, schrieb er eine Eingabe, die er gewiesen, lagen schier auf dem Bauch vor ihm, um nur durch einen Boten an die Behörde sandte. Hatte er für ihre Sammlungen ein paar flüchtig hingeworfene früher seine Talente, seine gute Gesinnung gerühmt, so Beilen von seiner Hand zu erhalten. Er hatte die verlangte er jetzt einfach, zu der Gelehrtenprüfung zu feurigsten Pferde, seine Diener die reichstbetreßten Livreen, gelaffen zu werden, zu welcher er vorbereitet sei. Zwei, er erwarb die kostbarsten Manuskripte, und er beschützte drei Tage vergingen, die Behörde antwortete nicht. Unter- huldvoll junge aufstrebende Talente. des litt der arme Mohammed Hunger. Er hatte bestimmt Der Sultan , dessen Wohlwollen Mohammed stets erwartet, vorläufig, bis er eine seinen Fähigkeiten an- geleitete, dachte ihn noch fester an seinen Hof zu fetten gemessene Stellung fände, Beschäftigung und Brot an und schlug ihm die Heirat mit der Tochter seines Großeiner Kleinkinderschule oder durch Schreiberdienste zu mesirs vor. Doch Mohammed , seines lieben Weibes erhalten. Doch überall ward er abgewiesen, hatte er und der heranblühenden Kinder in der Heimat eingedent, doch keine Empfehlungen von hochstehenden Persönlich erwiderte, sich bis zur Erde verneigend, mit feierlicher feiten, und in jenen alten Zeiten legte man seltsamer Miene:„ Erhabenster Herrscher, du ehrst mich mehr, als weise Gewicht auf diese Dinge. ich es verdiene. Doch diese Gunst muß ich ausschlagen. So entschloß er sich zum äußersten: er besaß eine Nähme ich eine Gattin, so würde mein Denken und Menge Manuskripte, sorgsam und schön zusammen- Lieben geteilt zwischen ihr und der Wissenschaft, eine geschrieben, seine eigenen Verse hatte er natürlich auch oder die andere müßte darunter leiden. Nimm, wenn du mit nach Stambul gebracht, sein Herz hing an den willst, mein Leben, o Herr, aber zürne mir nicht, wenn Blättern, aber um nicht zu hungern, mußte er diese Schäße ich es allein dem Dienste des Propheten widmen will." verkaufen. Doch niemand in ganz Stambul wollte etwas von seinen Schäßen wissen.
Man begriff seine Handlungsweise nicht, aber man war überzeugt, daß ihn nur die heiligsten Beweggründe dazu vermocht haben konnten....
Sehnsüchtig gedachte unser armer Mohammed seiner fleinen Schule in Suleimanije, es war doch ganz hübsch So schwanden die Jahre. Als der Lenz zum vierten gewesen, die Buben zu klopfen. In recht trüben Ge mal nach seiner wunderbaren Befehrung ins Land zog, banken schlenderte er eines Tages durch die Straßen der erschien Molla Mohammed eines Tages vor dem Sultan , Hauptstadt. Da sah er zwei Lastträger, die lachend und füßte den Saum seines Gewandes und sprach:„ Beherrscher schwatzend ihre Bürde vor einer Schente absetzten, eine der Gläubigen! Unvergleichlich ist das Leben in deiner Bigarette anzündeten und sich unter dem Zeltdach nieder- Nähe, köstlich in deiner Hauptstadt. Aber siehe, ich stamme ließen, wo alsbald der Wirt eine dampfende Schüssel aus der Gegend von Suleimanije und weiß, daß tiefe In den guten alten Zeiten- Allah weiß, wie weit sie vor sie hinsetzte. Die hungerten nicht wie er. Moham- Unwissenheit dort im Volte herrscht. Ich fühle den hinter uns liegen lebte in Suleimanije, einem Provinz- meds Entschluß stand fest. Dankbar für den Befig eines Drang, dorthin zu gehen und das Licht des gereinigten städtchen hart an der Grenze des mächtigen türkischen fräftigen Körpers, suchte und fand er im Hafen Be- Glaubens und der Wissenschaft in meine Heimat zu Reiches, ein Mann namens Mohammed . Er war gut schäftigung als Lastträger. Nach zwei-, dreitägiger Arbeit tragen. Gib mir die Erlaubnis dazu!" bekannt im Orte, jedes Kind hätte über ihn Auskunft hatte er einige Piaster erworben. Dafür kaufte er bei Der Sultan sah den sonderbaren Menschen verwundert geben können, war er doch ein Molla, ein Doktor der einem Trödler die Kutte eines christlichen Mönchs, legte an: Der wollte ja wohl um einer Idee pillen das Rechts- und Gottesgelahrtheit, und Schulmeister. Schon fie an, ging aufs neue zum Balaft des Scheich- ul- islam üppige, freudenreiche Leben am Hofe zu Stambul mit feit Jahren war er tagtäglich in seiner fleinen Schule, und begehrte Einlaß in einer dringenden Angelegenheit. bem Leben in einem elenden Neste fast außerhalb der überwachte die ungeschickten Schreibversuche der Buben Vor den hohen Würdenträger geführt, verneigte er fich Welt vertauschen! Eine solche Selbstlosigkeit im Dienste auf ihren Holztafeln, lehrte sie den Koran lesen und ließ tief und begann: der Wissenschaft mußte belohnt werden: Mohammed
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wacker den langen Rohrstock auf ihren Rücken tanzen.„ Ein wichtiger Wunsch führt mich zu dir. Du siehst, erhielt zugleich mit der Entlassung ein Schreiben, das Manche Menschen sollen sich ganz glücklich bei dieser ich bin ein Ungläubiger. Im Traum erschien mir heute ihm die Einkünfte der sechs reichsten Ortschaften um Lebensweise fühlen, Molla Mohammed jedoch verwünschte nacht ein Engel, der mir verkündete, der Islam sei die Suleimanije sicherte. Auch rüstete der Sultan selbst ihm alle Tage seinen Beruf. Er fühlte sich zu etwas Besserem einzig wahre Religion. So bin ich zu dir gekommen, die Reisekaramane aus: hundert Kamele konnten die geboren: schon mit zwölf Jahren hatte er alle einhundert damit du mich zu einem Moslim macheft." Rostbarkeiten faum wegschleppen, und ein fürstliches undvierzehn Suren des Koran auswendig gekannt, und eine Erfreut pries der Scheich- ul- islam Allah und feinen Gefolge geleitete ihn. Handschrift hatte er jedermann staunte über die schön- Propheten, hieß den Ankömmling Platz nehmen und So fehrte Molla Mohammed in seine Heimat zurück, geschwungenen Formen seiner H's und K's, wenn er den lehrte selbst ihn die Glaubensformel nachsprechen:„ Es ein vermögender und hochgeachteter Mann. Das war Bekannten einen Brief oder eine Eingabe aufschrieb. Und gibt keinen Gott außer Allah , Mohammed ist der Ge- in den guten alten Zeiten- Allah. weiß, wie weit sie er hatte Übung genug im Schreiben: von früh an legte fandte Allahs." Dann mußten Diener ihn ins Bad hinter uns liegen, wo ein Mann von Talent noch er auf jedes Blatt Geschriebenes es war ja lange, führen und ihm anstatt seiner Kutte ein Ehrenkleid sein Glück machen konnte. bevor die Schwarzkunft der Drucker die Welt mit fündigen bringen. Der Scheich- ul- islam hatte nichts Eiligeres zu Büchern überschwemmte Beschlag, um es sorglich ab- tun, als Seiner Majestät dem erhabenen Sultan von auschreiben. Da fand er denn solch Gefallen am Bücher- Idem wunderbaren Vorfall Mitteilung zu machen und
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