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Die Gleichheit
Ausständigen haben zwar etwas von ihren Forderungen nachlassen müssen, fönnen aber trotzdem einen kleinen Erfolg buchen. Auch die Direktion hat etwas nachgeben müssen. Die Akkordpreise, auf die erhebliche Abzüge gemacht werden sollten, find, soweit wir uns unterrichten fonnten, so geregelt worden, daß die Arbeiter 52 bis 65 Pf., in der Gießerei bis 78 Pf. Stundenlohn erreichen fönnen; bei Mehrverdienst sollen Abzüge nicht stattfinden. Als es sich um die Beendigung des Streits handelte, waren leider die Ausständigen nicht einer Auffassung und eines Willen mit der Zentralleitung des Metallarbeiterverbandes. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen. Gewiß ist es begreiflich, wenn die über die Lohnabzüge Empörten nicht leichten Herzens und widerspruchslos dem Nate des Vertreters des Zentralvorstandes auf Einstellung des Kampfes Folge leisten. Allein wie schwer es auch sein mag: sie dürfen ihre Gefühle nicht mit dem fühl erwägenden Verstand durchgehen lassen. Sie müssen sich vor Augen halten, daß die Haltung des Verbandes und seiner Leitung von der Rücksicht auf die Gesamtsituation und die Gesamtheit der Berufsgenossen diftiert wird. Und wie die Verhältnisse augenblicklich im Banne der Krise liegen, gebot eine Bewertung aller in Betracht kommenden Umstände, den Kampf zu beenden. Die Erkenntnis, daß die Verbandsleitung nicht anders handeln konnte, wie sie handeln mußte, und baß sie das sicher nicht leichten Herzens getan, wird hoffentlich bald unter den Arbeitern des Strebelwertes die Oberhand gewinnen, so daß die Mannheimer Zahlstelle des Metallarbeiterverbandes geschlossen und treu zusammensteht.
Jm Buchbindergewerbe Aachens ist es wegen Lohnforderungen zu Differenzen gekommen. Eine Versammlung der Arbeiter und Arbeiterinnen lehnte das Angebot der Unternehmer ab und beschloß, daß die Arbeiterschaft die Kündigung einreichen solle. Die von den Unternehmern gemachten Zugeständnisse, die Männerlöhne betreffend, hätten allenfalls vielleicht noch befriedigt. Die Versammlung verlangte aber ausdrücklich eine höhere Aufs besserung der Arbeiterinnenlöhne, als wie sie die Unternehmer bewilligen wollten, deren Vorschläge in der Folge für unannehmbar erklärt wurden. Die Minimallöhne für Arbeiter sollen nach diesen Borschlägen 13,75 bis 22,50 Mt. betragen, die für Arbeiterinnen 8,75 bis 11,50 Mt. pro Woche. Den Verdienst der Arbeiter wollen die Unternehmer um 75 Pf. bis 1,50 Mt. ausbessern, denjenigen der Arbeiterinnen aber nur um 25 bis 50 Pf. Die schamlose Winzigkeit dieses Zugeständnisses liegt auf der Hand. Es ist daher besonders zu begrüßen, daß im Buchbinderverband wie so oft schon die Arbeiter energisch für die Interessen der Arbeiterinnen eintreten und dadurch ihr starkes Solidaritätsgefühl, ihre gute gewerkschafts liche Schulung befunden.
Aus der Glasindustrie ist zu berichten, daß die Unternehmer in Weißwasser den Arbeitern Lohnabzüge von 5 bis 10 Prozent angedroht haben. Wollen die Ausgebeuteten den reduzierten Tarif nicht annehmen, so soll die Hungerpeitsche in Gestalt der Kündigung auf etwa 700 Arbeiter herniedersausen.
Die Arbeiter des Bäckergewerbes appellieren auch an die fozialpolitische Einsicht des Vaters Staat. Sie entfalten eine leb hafte Agitation für die gesetzliche Festlegung einer ununterbrochenen Ruhezeit von 36 Stunden wöchentlich für die Bäcker und Konditoren. Eine Petition an den Reichstag soll ihre Forderung unterftützen.
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Die letzten Ereignisse im Bergbau, die Katastrophe von Nadbod, der Streit auf den Gruben Saar und Mosel, haben eine ftarke Gärung unter den Grubenproletariern aller Richtungen hervorgerufen. Die Forderung nach einem Reichsberggesez und der Anstellung von Arbeiterkontrolleuren erschallen lauter denn je. Bon Führern der Bergarbeiterorganisationen auch der christ. lichen ist öffentlich auf die drohende Situation hingewiesen worden, die daraus entstehen kann, wenn nicht endlich den For berungen stattgegeben wird, die schon seit Jahren erhoben werden und deren volle Berechtigung in letzter Zeit eindringlichst nach gewiesen worden ist. Ein Generalstreit, wie ihn Deutschland nie gesehen, tönnte die Folge sein. Natürlich rührt sich keine der Gewalten, die für die gesetzlichen Maßnahmen entscheidend sind, und die Grubenbarone reiben sich vergnügt die Hände und zählen in Gedanken den fetten Profit, den sie auf Kosten der Gesundheit und des Lebens ihrer Lohnstlaven einstreichen. Drei Bergarbeiter. verbände, der alte" Verband( der sogenannte sozialdemo fratische"), der polnische und der Hirsch Dunckersche haben angesichts der Situation zum 81. Januar einen Kongreß nach Berlin einberufen. Er soll nachdrücklichst die drei Hauptforde rungen der Bergarbeiter erheben: Anstellung von Grubenkontrol leuren aus den Reihen der Arbeiter, Schaffung eines Reichsberggesetzes und Verbot wie Bestrafung des schwarzen Liftensystems.
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Daß die„ Christlichen " ihre Mitwirkung bei diefer gemeinsamen Aktion versagt haben, zeigt sie wieder einmal im schönsten Lichte. Sie haben sich hinter der Ausrede verschanzt, daß im Reichstag sowieso eine Mehrheit für ein Reichsberggesetz vorhanden sei. In Wirklichkeit wird bei der Haltung wohl das Zentrum seine Hand im Spiele haben. Trotz aller Bekundungen strifter Neutralität seitens der christlichen Gewerkschaften, dirigiert es diese.
Die Tabakarbeiter halten Mitte Januar ebenfalls in Berlin einen Kongreß ab, um gegen die der Tabakindustrie drohenden Steuerprojekte zu protestieren.
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Die Organisation der Form ste cher, die 419 Mitglieder zählte, hat sich mit Jahresanfang dem Verband der Lithographen und Steindrucker angeschlossen. Der Bauhilfsarbeiters verband beruft für den 12. April seine Generalversammlung nach Köln a. Rh. ein, auf der die Frage der Lohnbewegungen und Streits erörtert werden soll. Die Glaser lehnten durch Urabstimmung den Anschluß an den Holzarbeiterverband ab. Am 27. Dezember waren 25 Jahre verflossen seit der Grüns dung des deutschen Tischlerverbandes, des Vorläufers der heute bestehenden Gewerkschaftsorganisation der Holzarbeiter. Es ist eine ehrenvolle Vergangenheit, eine kraftvolle Entwicklung, an die das Jubiläum erinnert.
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Unter der Rubrik: Aus dem gelben Sumpf" veröffentlicht die Partei- und Gewerkschaftspresse ständig eine Fülle Material widerlichster Gesinnungslumperei seitens der gelben Gewerkschaften. Die diese bekundenden Tatsachen haben sich so gehäuft, daß der Metallarbeiterverband sie in einer besonderen Broschüre zusammengestellt hat. Wir kommen demnächst ausführlicher darauf zurück. Je wertvoller gerade für die Arbeiterinnen die gewerkschaftliche Organisation ist, um so wichtiger ist es, daß sie die Halunkereien - Halunken kennen lernen, die sie zu schädigen trachten.# Aus dem rheinischen Textilgebiet. Bekanntlich nutzt das Unternehmertum schlechte Geschäftstonjunkturen aus, um in den Be trieben Anderungen der Arbeitsmethoden einzuführen, die geeignet sind, bei flottem Geschäftsgang den kapitalistischen Mehrwert enorm zu steigern. Zurzeit wird so in den Seidenfabriken von Rheydt verlangt, daß die Arbeiterinnen drei breite oder vier schmale Stühle bedienen und dabei gute, vorschriftsmäßige Ware liefern. An der Tagesordnung sind Strafabzüge für schlechte" Arbeit, die bei der übergroßen Anstrengung der Arbeite rinnen und bei dem üblichen schlechten Material, das zur Verarbeitung gelangt, gar nicht ausbleiben kann. Vor kurzem rief eine Arbeiterin das Gewerbegericht an, weil ihr zu Unrecht 3 Mt. vom Lohne einbehalten worden waren. Die Firma mußte laut Urteilsspruch die Summe nachzahlen. Des weiteren wurde sie belehrt, daß das Aufrechnen von Entschädigungsansprüchen auf den Lohn nach§ 394 des Strafgesetzbuchs ungesetzlich ist. Hoffentlich schreibt fich die Firma das hinter die Ohren und unterläßt die standalösen Strafabzüge. Geldstrafen und Lohnreduzierungen sind auch in anderen Betrieben alltägliche Erscheinungen und ebenso Mißstände schwerer Art. Wir greifen von vielen die Weberei M. Schwartz in Grafrath heraus, die wahrhaft unhaltbare Zustände hat. Die Arbeiter müssen dort morgens durch die im tiefsten Dunkel liegenden Fabritsäle zu ihren Maschinen tappen. Ein Weber zerbrach sich dabei die Schulter, zwei andere Arbeiter verbrühten sich die Füße infolge eines Schadens am Dampfrohr, der zwar gemeldet war, den aber die Firma nicht reparieren ließ. Jm vorigen Jahre wurde ein Schmierer um die Transmission geschleudert. Trozdem läßt man seinen Nachfolger die Arbeit weiter verrichten, während der Betrieb im Gange ist! Von den Unfallgefahren abgesehen. herrscht in der Weberei eine Kälte, daß die Arbeiterinnen in dicke wollene Tücher gehüllt ihrem Geschäft nachgehen. Die Musterfirma, die bisher die Löhne durch harte Geldstrafen schmälerte, sucht sie jezt direkt zu reduzieren.
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Die Einführung des Zweistuhlsystems in der Herren tuch branche hat seit Jahren die Textilarbeiter lebhaft erregt. Die Mitglieder des Deutschen Textilarbeiterverbandes wenden sich gegen die Neuerung und haben bereits große Opfer gebracht, um sie abzuwehren. Sie berufen sich auf die Erfahrungen, welche gezeigt haben, daß der Mehrverdienst der Arbeiter infolge des Zweistuhlsystems immer nur ein vorübergehender ist. Der Lohn sinkt bald wieder auf das alte Niveau, und den Arbeitern bleibt nichts als die verdoppelte Anspannung und Ausnuhung ihrer Arbeitskräfte. Das Schlußergebnis davon wäre schwere gesunds heitliche Schädigung, der vorzeitige Ruin der Arbeitsfähigkeit. In der Herrentuchbranche muß das Zweistuhlsystem außerdem auch im Hinblick auf die Qualität der Artikel abgelehnt werden. Der Weber, der auf dem Doppelstuhl arbeitet, kann keine gute Ware garan tieren. Auch der christliche Verband" hat im Anfang gegen