198

Die Gleichheit

5. Lies auch nicht immer nur Romane, Erzählungen und Novellen, sondern auch Dichtungen; vor allen Dingen lerne unsere Klassiter tennen. Und weiter: lies auch Bücher wissenschaftlichen Inhaltes- die Geschichte des Menschengeschlechts und das Leben der Natur müssen für jeder­mann die unentbehrlichsten Grundsteine des Wissens sein. Vieles, was dich als Kind nicht interessiert hat, hat jetzt für dich das größte Interesse.

-

6. Lies stets aufmerksam und langsam nur so wirst du das Gold des Buches zutage fördern. Wiederhole nachher im Geiste den Inhalt des Gelesenen und durchdenke ihn; es kann sonst sein, als hättest du das Buch überhaupt nicht gelesen.

7. Halte die Bücher stets sauber und ordentlich. Bes nete die Finger nicht beim Umblättern; das ist eine zwecklose Angewohnheit. Vor allen Dingen gib die Bücher nicht Kranten in die Hände, die an ansteckenden Krants heiten( Scharlach, Masern, Diphtheritis, Typhus   und anderem) leiden oder sich eben erst auf dem Wege der Besserung befinden; du könntest damit leicht zur Übertragung dieser Krankheiten beitragen.

Sehr oft wurden diese Lesezeichen in die Schule mitge­nommen. Da ist es zuweilen vorgekommen, daß Lehrer à la Flachsmann den Kindern ganz erbost die Zeichen zerrissen oder mindestens weggenommen haben! Die Bibliothekverwaltung gab den also Beraubten bereitwilligst neue, so daß die Rettung der Kinderseelen" dem eifrigen Lehrer doch daneben gelungen" war.

Der große Andrang von Kindern zu der Bücherausgabe nötigte zu einer Einrichtung, die eine Abfertigung in der Reihen­folge ermöglichte, wie die Leser gekommen waren.

Die

Es wurde ein Kontroll- und Zählapparat angefertigt und in Betrieb gesetzt. Am Bücherabgabepult ist ein eiserner Winkel mit eingenietetem, aufrecht stehendem Stift angebracht. Darauf fizt ein Messingrohr, das oben und unten Gewinde hat, auf das eine kleine Messingscheibe aufgeschraubt ist. Auf diesem Rohre sind 100 Marken aufgereiht, die mit Nummern 1 bis 100 versehen sind. Jeder Leser entnimmt bei seinem Eintritt in den Warteraum dem Apparat eine solche Marke. Nummern werden dann aufgerufen, und nachdem der Leser neue Bücher in Empfang genommen hat, wird seine Marke auf einen gleichen Apparat beim Bücherempfangspult wieder aufgereiht. Sind dort in umgekehrter Reihenfolge die Marken sämtlich aufgesteckt, dann wird die kleine Messingscheibe auf das Rohr gedreht und dieses umgekehrt und auf den Stift am Abgabepult gesteckt. Von dort ist das leere Rohr nach dem Apparat am Bücherempfangspult zu bringen.

"

Durch diesen einfachen Apparat wird aller Streit um das frühere oder spätere Drankommen" vermieden, außerdem ge­nügt am Schlusse der Expedition ein Blick nach der Schluß­nummer, um die Zahl der Leser festzustellen. Die Benutzung des Lipparats ist dann auch den erwachsenen Lesern aufgegeben worden, und die Handhabung geht stets prompt und befriedigend vonstatten. Neben dem großen Wert, den eine Sammlung guter Jugend­bücher, die von minderwertigem, frömmelndem und hurra­patriotischem Schund frei ist, für die Heranbildung einer freien Jugend hat, tritt noch ein anderer Vorteil in Erscheinung. Alle die Kinder, denen die Bibliothet eine liebges wordene Einrichtung geworden ist, nehmen später sehr eifrig an den übrigen Veranstaltungen für die Jugend teil. Das rasche Anwachsen der Jugendorganisa­tionen in Leipzig   und speziell in Lindenau   ist zum großen Teil der Vorarbeit zu danken, die durch die Bibliothek geleistet wird. Deshalb ist der Ruf an alle unsere Organisationen zu richten:

Gründet Jugendbibliotheken! Was hier gesät wird, trägt hundertfältige Frucht. Gustav Hennig.

Konfessionelle Arbeiterinnenorganisationen.

Kürzlich ist ein umfangreiches, treffliches Buch erschienen, das schon allein dant dem weitschichtigen Material, das der Verfasser zusammengetragen und übersichtlich gruppiert hat, von großem Wert für die Gewerkschaftsorganisationen wie für alle Genossinnen und

Nr. 13

Genossen ist, welche agitatorisch und organisatorisch unter solchen Arbeiter und Arbeiterinnenmassen tätig sind, die noch im Banne des kirchlichen Dogmas stehen. Wir meinen: Die christliche Arbeiterbewegung in Deutschland" von August Erdmann. Stuttgart   1908, Verlag von J. H. W. Diez Nachf. Wir entnehmen dem Buch zunächst folgende Ausführungen über das, was im fon­feffionellen Lager zur Organisierung der Arbeiterinnen geschehen ist. Über die katholischen Arbeiterinnenvereine schreibt Erdmann:

Ebenso zeitig wie mit der Organisierung der katholischen Ar beiter hat sich die Kirche mit der Sammlung der katholischen Arbeiterinnen beschäftigt, wenn auch die Erfolge auf diesem Gebiet weit geringer geblieben sind als unter den männlichen Ar­beitern. Vorbildlich in dieser Beziehung war der im Jahre 1867 gegründete Arbeiterinnenverein in M.- Gladbach mit seinen Wohlfahrtseinrichtungen: Hospiz und Haushaltungsschule. Auch in Süddeutschland   entstanden darauf Arbeiterinnenvereine; so finden sich solche Ende der siebziger Jahre in Augsburg  , Offenbach   und Kaufbeuren  ; vorzugsweise fanden sie jedoch Eingang in der Erz­ diözese Köln  , wo 1874 in Köln  , 1875 in Viersen  , 1879 in Nippes   ein Arbeiterinnenverein entstand, während in Aachen   1867 und in Erfrath 1869 Haushaltungskurse für Arbeiterinnen gegründet wurden. In den achtziger Jahren tamen weitere Vereine hinzu: 1880 in Neuß  , 1881 in Aachen  , 1886 in Krefeld   usw.; im Jahre 1886 bestanden in ganz Deutschland   26 katholische Arbeiterinnen­vereine mit rund 4000 Mitgliedern; 1898 war die Zahl auf 40 Vereine mit 6000 Mitgliedern gestiegen.

Die Belebung der katholischen Arbeiterbewegung durch die christlichen Gewerkschaften brachte auch den Arbeiterinnenvereinen einen höheren Aufschwung, so daß im Jahre 1904 bereits 82 Ar­beiterinnenvereine mit rund 70 000 Mitgliedern gezählt wurden. In den letzten Jahren nimmt sich der Katholische Frauens bund der Gründung und Förderung von Arbeiterinnenvereinen mit besonderem Eifer an; auf seine Veranlassung ist in den ein­zelnen Diözesen der Zusammenschluß der Vereine angebahnt worden, damit sich durch den Austausch der Erfahrungen eine einheitliche zielbewußte Arbeit ausbilden kann. Auch die Katholikentage der letzten Jahre sind für die Arbeiterinnenvereine eingetreten. So empfahl die Kölner Generalversammlung der Katholiken Deutsch lands( 1903) als wichtigste Aufgabe der Vereine die apologetische und soziale Aufklärung der Arbeiterinnen, damit dieselben befähigt werden, die unter den Arbeiterinnen vornehmlich von sozialdemokratischen Gewerkschaften systematisch betriebene Agitation erfolgreich abzuwehren und ihre religiösen und wirtschaftlichen Interessen nach den Grundsägen der katholischen Sozialpolitik zu vertreten".

In Anpassung an die Erfordernisse der Zeit ist neuerdings in dem Kreise der ultramontanen Sozialpolitiker mehrfach die Frage erörtert worden, ob die Art und Weise der Arbeiterinnenfürsorge, wie sie bisher in den Arbeiterinnenvereinen üblich war, noch als ausreichend angesehen werden kann, wobei hingewiesen wird auf die vielfachen Gefahren, die an eine Arbeiterin heute herantreten, auf die erhöhten Aufgaben und Pflichten, die ihr heute als Gattin und Mutter obliegen. Im wesentlichen war bisher religiöse Be lehrung und Vermittlung hauswirtschaftlicher Kenntnisse als Auf­gabe eines Arbeiterinnenvereins betrachtet worden. Doch hatten sich schon die christlichen Gewerkschaftsführer beklagt, daß die Ar beiterinnen den wirtschaftlichen Bewegungen teine Teilnahme schenken, so wurde auch von anderer Seite eingestanden, daß mancherlei versäumt worden war. Die Zwecke und Aufgaben des fatholischen Arbeiterinnenvereins sind neuerdings von der rührigen Zentralstelle des katholischen Volksvereins in einem besonderen Schriftchen aus führlich dargelegt worden. Danach scheiden sich diese Aufgaben in:

1. Schuh und Förderung der persönlichen Güter, deren wichtigste sind: Leben und Gesundheit, Religion und Sittlich feit. Die Erwerbstätigkeit des Weibes erfordert dann die Wahrung des Rechtes der Arbeiterin auf gerechte Entschädigung ihrer Arbeit; zum Schutze der persönlichen Güter gehört auch das Recht des Weibes, an den geistigen Kulturgütern der Nation teilzunehmen. Die Beschäftigung mit der arbeiterschutzgesetzlichen Fürsorge fällt hierher. 2. Vorbereitung auf den fünftigen Lebensberuf, die sich nach drei Seiten hin betätigt:

a. die Arbeiterin muß beizeiten sich die notwendigen Kenntnisse zur Führung des Haushaltes erwerben;

b. fie muß befähigt werden, ihrem Manne eine verständnisvolle Gefährtin durchs Leben zu sein;

c. fie muß die Erziehung der Kinder recht zu leiten verstehen. Im Vereinsleben stehen die religiösen Veranstaltungen an erster Stelle; dementsprechend befaßt sich der größere Teil der