246 Die Gleichheit Nr. 16 klassenbewußten Proletariats, die Verkürzung des Arbeits  - tags auf acht Stunden, als die allgemeine, grundlegende Maßregel, welche alle besondere Schwangeren- und Wöchne- rinnenfürsorge erst recht wirksam werden läßt. Denn der Acht- stundentag schützt in zweifacher Weise die Gesundheit und Kraft der erwerbenden Proletarierin. Indem er die Zeit herabsetzt, in der diese als lebendiger Anhängsel der toten Maschine der kapitalistischen   Ausbeutung Untertan sein muß, vermindert er auch den schädigenden Einfluß besonderer unhygienischer Be- dingungen der Arbeit. Wie bitter not im Interesse des Mutterschutzes die Ver- kürzung der Arbeitszeit tut, das erweist auch die Statistik der deutschen Krankenversicherung. Sie enthält bemerkenswerte Ziffern über die Erkrankungen der Frauen. Was zunächst die Zahl der Erkrankungssälle anbetrifft, die mit Erwerbs- Unfähigkeit verbunden sind, so zeigt sich, daß sie bei den Frauen nicht so groß ist als bei den Männern. Im Durch­schnitt der letzten zwanzig Jahre kamen bei allen Krankenkassen zusammen pro Jahr auf je 100 Mitglieder bei den Männern 83,0 und bei den Frauen 32,1 Fälle der Erwerbsunfähigkeit. Verhältnismäßig am stärksten war die Zahl der erkrankten Frauen in den Baukrankenkassen, bei denen pro Jahr auf 100 weibliche Mitglieder 47,3 Fälle von Erwerbsunfähigkeit kamen. Jedenfalls ein zahlenmäßiger Beweis dafür, wie ge- sundheitsgefährlich die Beschäftigung von Frauen auf Bauten ist. Im Gegensatz zu den obigen allgemeinen Feststellungen stehen die Mitteilungen über die Dauer der Erkrankungen. Die Statistik zeigt, daß die durchschnittliche Dauer der Erwerbs- Unfähigkeit bei den Frauen eine viel längere ist als bei den Männern. Während nämlich bei den Männern ein Fall der Arbeitsunfähigkeit durchschnittlich 18,5 Tage währte, erstreckte er sich bei den Frauen auf 23,4 Tage. Vergleicht man diese Zahlen, die der Statistik für 1907 entnommen sind, mit den Ergebnissen früherer Jahre, so zeigt sich eine auffällige fort- gesetzte Verschiebung dieses Verhältnisses zuungunsten der Frauen. Es koinmen nämlich Krankheitstage auf je 100 ,.-.. männliche weiblich« lm 3af)" Mitglieder 1886....... 585,0 530,1 1890....... 608,4 543,4 1895....... 625,2 591,0 1900....... 685,1 671,0 1905....... 775,9 821,9 1907....... 788,7 833,1 Diese Ziffern lassen erkennen, daß Gesundheitsgefahr und damit Krankheitsdauer der weiblichen Mitglieder gewachsen sind. Das ist zunächst eine Folge der Tatsache, daß die Frauen in immer größerer Zahl auch zu Beschäftigungen herangezogen werden, welche den weiblichen Organismus schädigen. Es sei nur an die steigende Verwendung der Frauen in der Metall- industrie erinnert. Eine iveitere Ursache der Erscheinung ist in der wachsenden Jntensivität der Arbeit zu suchen, in der auf die Spitze getriebenen Anspannung der Arbeitskraft, wie sie sich aus der Natur des heutigen Arbeitsprozesses unter der Herrschaft des Kapitalismus ergibt. Unter dieser Jntensivität und Anspannung, die sich recht häufig durch die Fuchtel des Aufsichtspersonals oder der Not zur fieberhaften Hetze steigert, leidet der Körper der Arbeiterin um so mehr, als sie als Frau noch die große Bürde der Hausarbeit, der Kinderpflege trägt, die ihr nicht wie der Müßiggängerin der oberen zehntausend durch Köchin, Stubenmädchen und Kinderfräulein abgenommen wird. Im Zusammenhang mit den Umständen, auf die sie hinweisen, zeigen die vorliegenden Ziffern klar, wie berechtigt, ivie nötig die gesetzliche Verkürzung des Arbeitstags auf acht Stunden für die Arbeiterinnen ist. Leider gibt die amtliche Statistik der Krankenversicherung   keine Einzelheiten über die Krankheitsverhältnisse der Frauen. Sie würden schätzbares Ma- terial zur Begründung weiterer besonderer Schutzmaßregeln für die Arbeiterinnen liefern. Aus anderem Wege hat das Kaiserliche Statistische Amt noch eine wichtige Tatsache festgestellt. Ter Reichstag be- willigte bekanntlich vor einigen Jahren 325000 Mk. zur Auf- nähme einer auf exakten Berechnungen beruhenden Statistik über die Häufigkeit der Erkrankungs- und Sterbefälle. Zur Grundlage der Statistik wurde das Personaltartenmaterial der Ortskrankenkasse Leipzig   genommen, die bekanntlich mit ihren zirka 165000 Mitgliedern die größte Krankenkasse des Deutschen Reiches ist. Zur Ausnahme des Urmaterials waren von 1903 bis 1907 eine größere Anzahl Beamte des Statistischen Amtes und Hilfsarbeiter, zeitweise gegen 100, in den Räumen der Kasse tätig. Die aufgenommene Statistik unterscheidet sich von ähnlichen früheren Erhebungen, die sich als unzulänglich her- ausgestellt haben, hauptsächlich dadurch, daß sie die in Betracht kommende Personenmasse nicht nur nach dem Geschlecht, son- dern auch nach Altersklassen unterscheidet. Wie groß unter Berücksichtigung des Alters der Unterschied in der Krankheits- gefahr für das männliche und weibliche Geschlecht ist, zeigt folgende Tabelle: Auf I(X> beobachtete Personeu Die Aufstellung zeigt, wie schädigend die kapitalistische Wirt- schaftsordnung für die proletarische Frau das Nebeneinander von Berufsarbeit und Weibsein gestaltet. Vom 15. bis 54. Lebensjahr entfallen auf die Frauen weit mehr Krankheitstage als auf die Männer. Es ist das die Zeit, wo die Vorgänge des weiblichen Geschlechtslebens ihren Einfluß auf den Körper geltend machen. Ter Kapitalismus   nimmt keine Rücksicht dar- aus, er treibt Raubbau mit der Gesundheit und Lebenskraft der Frau, der Mutter, die das neue Geschlecht in ihrem Schoß trägt. Was kümmert ihn, daß übermäßige und ungesunde Arbeit viele Tausende Proletarierinnen dem Siechtum über- antwortet und mit ihnen das noch ungeborene Geschlecht? Wenn nur der Profit der wenigen gedeiht, welche alsHerren im Hause" die Habenichtse ohne Unterschied des Geschlechts in den Dienst ihres Reichtums spannen. Predigen die trockenen Zahlen der Krankenversicherung   eindringlich die Notwendigkeit des Achtstundentages für die Arbeiterinnen, so erweisen sie nicht weniger unzweideutig, daß die Ausgebeuteten selbst den Schutz gegen das Übermaß kapitalistischer Ausbeutung erkämpfen müssen, dessen sie alle, dessen aber die Frauen in besonderem Maße bedürfen. In diesem Kampfe sollen die Arbeiterinnen selbst in den ersten Reihen stehen. Es gilt ihrer ureigenen Sache! Prole- tarierinnen heraus! Verteidigt eure Mutterschaft! Tragt durch euren Kampf dazu bei, daß ein Geschlecht heranwachsen kann, das mehr, das Besseres ist als brauchbares Maschinen- und Kanonenfutter für die herrschenden Klaffen: lebensfrische, tat- und kampffrohe Männer und Frauen, die fähig sind, den Kapitalismus zu begraben. Wirksamer Mutterschutz bedeutet Zutünftssieg. Fr. Kleeis-Wurzen. Eine gewerkschaftliche Frauen- Organisation. Im Jahre 1890 kam es in Deutschland   zwischen Buch- druckcrgehilfen und Prinzipalen zum Kampf. Nach vergeb-