Nr. 24

Die Gleichheit

6. Liegnitz.

Broschüre lichtvoll aufgezeigt hat: nämlich daß der Massen­streit in Zeiten höchster sozialer Spannung die klassische Be­wegungsform des Proletariats ist. Schon hat er ein anderes erhärtet: daß zielbewußter Wille im Proletariat die reichsten Springquellen ideeller und materieller Kräfte zu erschließen vermag, Kräfte, die sich nicht wägen und messen lassen, die sich aber in unwiderstehliche Macht umsetzen. Und so klingt es von dem gewaltigen Schlachtfeld des Klassenkampfes in Schweden  zu den Heloten des Kapitals in der ganzen Welt herüber: Rüstet!

Preußische Rückständigkeit in der Gewerbeaufsicht.

gh. Die Handels- und Gewerbekommission des preußischen Dreiklassenhauses hat unmittelbar vor dem Schluß der Session einen ausführlichen Bericht erstattet über den Antrag Borg­mann und Genossen, betreffend die Heranziehung von Ärzten, Arbeitern und Frauen zur Gewerbeaufsicht. Die Kommission hat diesen Antrag der Sozialdemokraten mit 18 gegen 3 Stimmen abgelehnt.

Sehr lehrreich ist die Art und Weise, wie die Kommission sich mit den einzelnen Forderungen des Antrags abgefunden hat. Sie verwarf die Anstellung von Ärzten als Mitglieder der Gewerbeaufsicht, weil überflüssig, und die Anstellung prak tisch erfahrener Arbeiter als Hilfsbeamte, weil grundsätzlich ge­fährlich. Dagegen hat die Kommission eine entgegenkommendere Haltung zu der Forderung eingenommen, daß zur Gewerbe­aufsicht auch Frauen zugezogen werden.

In dem Antrag war verlangt, daß in jedem Gewerbe­aufsichtsbezirk mindestens eine weibliche Kraft angestellt wird". In dieser allgemeinen Fassung fand die Forderung nicht ein­mal die Unterstützung des Berichterstatters, des Zentrums­abgeordneten Dr. Pieper. Es liege, so meinte der Herr, kein Grund vor, Beamtinnen in solchen Bezirken anzustellen, die nur eine verhältnismäßig kleine Zahl gewerblicher Arbeiterinnen aufweisen. Dagegen wünschte er, daß in allen Gewerbeauf fichtsbezirken mit einer größeren Zahl von gewerblichen Be­trieben, die Arbeiterinnen beschäftigen, nach und nach Be­amtinnen gemäß dem Bedürfnis angestellt würden.

Dieselben Ausführungen machte der Mitberichterstatter, der nationalliberale Abgeordnete Bartling. Es habe eine Berech­tigung, weibliche Aufsichtspersonen dort anzustellen, wo be­sonders zahlreich Arbeiterinnen beschäftigt werden, äußerte Herr Bartling. Und zwar auch deshalb, weil diese Aufsichtstätig­keit, zum Beispiel die Kontrolle der Aushänge in Konfektions­werkstätten, dem akademisch gebildeten Beamten nicht zugemutet werden sollte. Die Anstellung einer weiblichen Hilfskraft bei jeder Gewerbeinspektion aber würde zwecklos sein, da es in Preußen wesentliche Landesteile gebe, in denen zum Bezirk einer Gewerbeinspektion so gut wie gar keine Betriebe gehören, in denen Arbeiterinnen beschäftigt werden.

Hierauf gab der Vertreter der preußischen Regierung, Ge heimer Oberregierungsrat Frick aus dem Ministerium für Handel und Gewerbe, eine Erklärung in demselben Sinne ab: Be­amtinnen seien bisher einigen Gewerbeinspektionen mit einer besonders großen Zahl von Arbeiterinnen überwiesen worden. Es bestehe die Absicht, auf diesem Wege auch in den nächsten Jahren weiter fortzufahren. Allen Gewerbeinspektionen Be­amtinnen zu überweisen, erscheine dagegen nicht zweckmäßig. In zahlreichen Bezirken, in denen Arbeiterinnen kaum beschäftigt würden, könnten sie ein genügendes Arbeitsgebiet nicht finden. Damit diese Ausführungen richtig gewürdigt werden, bringen wir die einzelnen Bezirke der Gewerbeaufsicht in Preußen ( Regierungsbezirke) mit der Zahl der darin beschäftigten Fabrik­

arbeiterinnen:

1. Berlin  

2. Düsseldorf  .

3. Breslau  .

4. Potsdam 5. Frankfurt   a. D..

111 424 Arbeiterinnen in 10 081 Fabriken

81 193 44762

32 229

.

81 974

4.900

=

%

$

2 943

=

#

1865

S

1905

7. Oppeln  . 8. Aachen  9. Köln  . 10. Erfurt  11. Arnsberg  12. Wiesbaden  . 13. Minden  . 14. Magdeburg  15. Rassel

16. Münster  . 17. Merseburg  . 18. Schleswig

22. Posen

23. Danzig

371

81798 Arbeiterinnen in 1542 Fabriken

=

28 324

$ 1465

22 752

M

M 782

20 220

1375

VM

18 499

:

993

18217

.

17 155

=

17 106

17 095

.

14180

=

=

= 1937

=

V

1496

1 198

=

=

=

823 V 566 V

858

=

1446

707

14 027

V

=

913

13 612

1276

13 086

V

= 1842

$

19. Hannover  

12 804

=

=

854

#

20. Lüneburg  - Stade  

8509

#

537

21. Stettin  - Stralfund

8324

:

M

1169

:

8288

8 239

6 640

2

5700

:

507

5578

=

579

5544

#

538

4167

445

=

.

3 800

=

506

3376

=

637

3042

V

521

2781

443:

1953

V

56

24. Rönigsberg- Allenstein 25. Trier.

26. Hildesheim  . 27. Roblenz.

28. Osnabrück  - Aurich  30. Marienwerder 29. Bromberg  .

31. Röslin

32. Gumbinnen  

33. Sigmaringen  .

=

#

M

Die Zahl der Fabriken, in denen Arbeiterinnen beschäftigt werden, ist aber tatsächlich größer, als in unserer Tabelle an­gegeben werden konnte. Denn in den angeführten Zahlen find nur die Fabriken berücksichtigt, in denen Arbeiterinnen über 16 Jahre beschäftigt werden. In allen Bezirken aber werden auch solche Fabrikarbeiterinnen in größerer Zahl beschäftigt, die noch nicht 16 Jahre alt sind. Die Zahl dieser Fabrik­arbeiterinnen betrug im letzten Jahre für ganz Preußen 75093. Ein Teil dieser findlichen Arbeitskräfte ist in solchen Fabriken tätig, die Arbeiterinnen über 16 Jahre nicht beschäftigen. Diese Betriebe fehlen in den Zahlen unserer Zusammenstellung.

Selbst jedoch dann, wenn wir davon absehen, finden wir viele Bezirke mit einer sehr großen Zahl von Fabritarbeite rinnen und solchen Fabriken, in denen Arbeiterinnen beschäftigt werden. Weibliche Kräfte stehen aber der Gewerbeaufsicht nur zur Verfügung in den Bezirken Berlin  ( 3 Beamtinnen), Düsseldorf  , Breslau   und seit dem 1. April dieses Jahres Wies baden( je eine Beamtin). Demnach haben die Gewerbeaufsichts­behörden keine einzige weibliche Hilfskraft selbst in Bezirken wie Potsdam   und den in unserer Tabelle folgenden, in denen über 30000 Arbeiterinnen in fast 2000 Fabriken beschäftigt sind. Diese Tatsache beweist doch wahrlich genügend, daß Preußen auch in dieser Beziehung sehr, sehr weit hinter dem zurückgeblieben ist, was unbedingt notwendig wäre. werde auch fernerhin wie bisher mehr und mehr Frauen als Hilfsbeamte der Gewerbeaufsicht in den Bezirken mit einer be sonders großen Zahl von Arbeiterinnen anstellen. Diese Er flärung gab der Herr im März dieses Jahres ab. Am 1. April ist dann wirklich die Zusage wenigstens für dieses Jahr erfüllt worden: eine einzige Beamtin wurde mehr eingestellt. Das ist das Tempo, in dem die preußische Sozialpolitik vorwärts marschiert.

Allerdings hat der preußische Geheimrat versichert, Preußen

Die Gewerbeaufsichtsbeamtinnen haben aber nicht allein die Fabriken zu besichtigen. Ihnen fällt auch noch die Kontrolle vieler anderer Betriebe zu, für die der Bundesrat auf Grund der Gewerbeordnung Schutzvorschriften für die beschäftigten Arbeiterinnen erlassen hat. Ganz besonders wichtig endlich ist die Aufsicht darüber, ob die Vorschriften des Kinderschutz­gesetzes beachtet werden. Um dies zu kontrollieren, ist das große und nur zu wichtige Gebiet der Hausindustrie zu be­arbeiten. In dieser Beziehung geschieht in Preußen so wenig, daß es kaum der Rede wert ist. Und der Grund dafür liegt darin, daß die Gewerbeaufsichtsbehörden die notwendige Zahl von Aufsichtsbeamten nicht haben. Wenn so, wie es der sozial­