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Die Gleichheit

Diskussion überwanden die Delegierten bald ihre anfäng­liche Scheu und schilderten lebendig die Schwierigkeiten, mit denen die Agitation unter den proletarischen Frauen in Schlesien  zu fämpfen hat. So zeitigten die Verhandlungen mancherlei prat­tische Anregungen für die weitere Arbeit der Genossinnen, die Ge­nossin Freundlich von Mähren   aus auf Grund ihrer reichen Erfahrungen fräftig unterstützen wird. Das vorgeschlagene Regu lativ fand einstimmige Annahme, obgleich es eine Erhöhung der Monatsbeiträge der Genossinnen um 4 Heller vorsieht, und die schlesischen Delegierten erklärten, daß es bei der Armut im Lande Mühe kosten werde, den Frauen die Notwendigkeit dieser gesteigerten Ausgabe flar zu machen. Die Mitglieder der politischen Frauen­vereine, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, erhalten für ihren Monatsbeitrag von 34 Hellern die Arbeiterinnen­Zeitung"; gewerkschaftlich organisierte Arbeiterinnen zahlen nur 14 Heller Beitrag. Ein aus fünf Personen bestehendes Landes­tomitee ist mit der Leitung der politischen Frauenbewegung be­auftragt und hat seinen Siz in Jägerndorf  . Ihm gehört die Landesvertrauensperson für Schlesien   an, die von der alle zwei Jahre stattfindenden Frauenkonferenz gewählt wird. Die Konferenz betraute Genoffin Jodl   mit diesem Amt. Der Tagung schlossen sich glänzende Agitationsversammlungen in Jägerndorf  und Troppau   an. Der Ausbau der Organisation, den die schle. fischen Genossinnen energisch in die Hand nehmen, wird sicher beste Früchte für die sozialistische Frauenbewegung tragen.

I. K. Von der sozialistischen   Frauenbewegung in den Ver­ einigten Staaten  . Seit dem 14. August hat unser New Yorker Parteiorgan in englischer Sprache, der N. Y. Call", ebenso wie die New Yorker Volkszeitung" seit bereits drei Jahren eine be­sondere Frauenrubrik, die einmal wöchentlich erscheint. Die Rubrit enthält regelmäßig einen Leitartikel über Tagesereignisse, die für Frauen von besonderem Interesse sind, Nachrichten über die Gewerkschaftsbewegung der Arbeiterinnen, Nachrichten über die politische Frauenbewegung, erzieherische Artikel, biographische Stizzen usw. Die Redakteurin dieser neuen Rubrik ist Anita C. Block, eine noch junge, aber ungemein eifrige Parteigenossin, die in der hiesigen Bewegung bestens bekannt ist. Sie ist die Sefres tärin der Socialist Women's Society( sozialistischer Frauenverein). Bei den Delegationen, die im vorigen Winter vor den gesetzgeben­den Körperschaften in Albany   für und gegen das Frauenstimmrecht sprachen, vertrat Genossin Block zusammen mit Genossen John Spargo   die sozialistische Partei des Staates New York  . Die sozia­ listischen   Frauen von New York   und Umgegend haben das Er scheinen einer Frauenfeite im New York   Call im Interesse der sozia listischen Frauenbewegung mit großer Freude begrüßt.

Unser Frauenorgan für die Vereinigten Staaten, welches Anfangs den Titel ,, The Socialist Woman"( Die sozialistische Frau) führte, erscheint seit einigen Monaten unter dem Namen:" The Progressive Woman"( Die fortschrittliche Frau). Die Ursache dieses Namenswechsels war die Rücksicht auf das hier noch allgemein be­stehende Vorurteil gegen das Wort sozialistisch". Frauen, welche sich mit der Verbreitung dieser sozialistischen   Frauenzeitung befassen, finden, daß es seit Abänderung des Namens viel leichter ist, Abon­nenten dafür zu gewinnen. Der Charakter der Zeitschrift ist selbst­verständlich unverändert geblieben. Die treffliche Redakteurin, Ge­noffin Josephine Conger Kaneko, ist bestrebt," The Progressive Woman" im streng sozialistischen   Geiste zu halten und dabei eine möglichst große Anzahl Artikel über die verschiedensten Fragen zu bringen, um weite Kreise von Frauen zu interessieren. Es wird demnächst eine besondere Agitationsnummer, für die Lehrerinnen bestimmt, erscheinen, und im Oktober soll eine besondere sozialistische Propagandanummer herausgegeben werden.

Die Socialist Women's Society, welche im Juli vorigen Jahres in New York   begründet wurde und sich drei Monate darauf mit dem deutschen Sozialdemokratischen Frauenverein verschmolz, wird Iam dritten Sonntag im Oktober in Brooklyn  , Neu York, ihre erste jährliche Konferenz abhalten.

Die erste Agitationstour, welche die Organisatorin der So­zialistischen Partei unternommen hat, um die Frauen aufzutlären und politisch zusammenzuschließen, ist nicht ohne Hindernisse, aber erfolgreich verlaufen. Die Polizeiwillkür   hat hindernd ein­zugreifen versucht, aber nur unfreiwillige Reklame für die sozia listische Propaganda gemacht. Das kam so: Als Genoffin Maley in Brockton, einer bedeutenden Fabrikstadt des Staates Massas chusetts, eine Straßenversammlung abhielt, wurde sie von einem wachthabenden Polizisten unterbrochen. Er behauptete, daß sie keinen Erlaubnisschein zur Abhaltung des Meetings habe, und löste die Versammlung auf. Von ihrer ganzen Zuhörerschaft begleitet, ging Genossin Maley in einen anderen Stadtteil, wo ein minder eifriger

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Ordnungswächter das Regiment führte, und sprach dort zu einer noch weit größeren, ungemein begeisterten Menge. Die kapitalistische Presse der Stadt erörterte am folgenden Tage umgehend die Bes gebenheit und machte auf diese Art für weitere sozialistische Straßen­versammlungen die beste Reklame. Obgleich die Konstitution der Vereinigten Staaten   volle, unbeschränkte Redefreiheit und Ver sammlungsfreiheit verbürgt, herrscht dennoch eine so weitverbreitete und unberechenbare Polizeiwillfür, daß die Auflösungen sozialistischer Versammlungen und die Verhaftungen sozialistischer Redner durch­aus teine Seltenheit mehr sind. Ja, neulich wurde sogar mit einer bürgerlichen Frauenrechtlerin, die eine Straßenversammlung ab­hielt, nach derselben gesetzeswidrigen Methode verfahren. Die Sozialisten haben natürlich überall den Kampf für die Rede und Versammlungsfreiheit mit großer Energie aufgenommen und ihn sogar in manchen Gegenden schon glänzend bestanden. So zum Beispiel vor einem Jahre in Kalifornien  , wo mehrere sozialistische Frauen ihr Recht auf Redefreiheit festhielten, sich verhaften und ins Gefängnis werfen ließen, bis die öffentliche Meinung derart zu ihren Gunsten aufgerüttelt wurde, daß man sie aus dem Ge­fängnis entließ und ihre Versammlungen nicht weiter störte. Das find Behinderungen unserer Werbearbeit und Kämpfe, die sich die deutschen Genossinnen wohl kaum vom freien Amerika  " träumen ließen. Meta 2. Stern, New York  .

Frauenstimmrecht.

Ueber die Wirkungen des Frauenstimmrechts in Wyoming  ( Vereinigte Staaten   von Nordamerika  ). äußerte sich Warren, Mitglied des Senats, wie folgt: Ich bemerke, daß die Presse die Tatsache zu verstehen beginnt, daß die Emanzipation der Frauen befruchtend wirkt. In Wyoming   haben wir das Frauenstimmrecht seit 39 Jahren. Von Anfang an hat es sich gut bewährt und ist seither für uns etwas so Selbstverständliches geworden, daß es schwer ist, sich unseren Staat ohne das Frauenwahlrecht vorzus stellen. Seit vielen Jahren schon hat die Praxis mit jedem Widerstand dagegen aufgeräumt. Die Frauen interessieren sich für die öffent lichen Angelegenheiten und stimmen mit dem gleichen Verständnis wie die Männer. Sie bekleiden mit Erfolg die öffentlichen Amter, für die sie sich eignen, und sie haben niemals versucht, solche zu erringen, für die sie nicht befähigt sind." Nach der Mei­nung des Senators Warren sollte die Frauenstimmrechtsbewegung in der nordamerikanischen   Union   ihre ganze Kraft darauf konzen trieren, in den einzelnen Bundesstaaten die Bevölkerung über die Bedeutung der Forderung aufzuklären und damit ihre Verwirk lichung auf dem Wege eines Referendums zu sichern. Die Gesetz­gebung jedes einzelnen Staates der Union   fann nämlich den Wählern die Frage vorlegen, ob die Einführung des Frauen. stimmrechts in der Verfassung festgelegt werden soll, und erklärt sich die Mehrheit dafür, so ist der Sieg gewonnen.

Erhebungen über die Wirkung des Frauenstimmrechts be­ginnt die schwedische Regierung. Sie hat das Statistische Zentralbureau angewiesen, durch Vermittlung der Konsulate die Literatur und die Statistik über das Frauenstimmrecht im Ausland zu bearbeiten. Wiederholt hat die Regierung erklärt, daß derartige Vorarbeiten nötig seien, ehe das Frauenstimmrecht in Schweden  eingeführt werden könne, sie hat sich aber reichlich Zeit- manches Jährlein gelassen, ehe sie das ihr nötig Erscheinende ange ordnet hat.

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Die Frau in öffentlichen Aemtern.

Die erste Landesschulinspektorin in Kroatien   ist angestellt worden. Ihr obliegt die Aufsicht über die Fachschulen für Mädchen. Mit dem neuen Amte wurde die Leiterin der Fach­schule in Agram betraut.

Als vereidigte Uebersetzerin beim Appellationsgerichtshof zu Paris   ist Frau Gighera angestellt worden. Die Anstellung verdient besondere Beachtung infolge des Anlasses, der zu ihr führte. Bei einem Prozeß machten sich die mangelnden Kenntnisse vieler vereidigter übersetzer sehr bemerkbar. Der Präsident des Appellationsgerichtshofes veranlaßte daher, daß die Übersetzer einer Prüfung unterworfen werden. Ihr Ergebnis war, daß von 62 Herren 40 sofort entlassen werden mußten. Frau Eighera bestand die nämliche Prüfung glänzend. Die vereidigten Übersetzer müssen eine Anzahl fremder Sprachen kennen und außerdem im Zivil, Straf und Völkerrecht gut bewandert sein.

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Poft Degerloch bet Stuttgart  .

Drud und Berlag von Paul Singer in Stuttgart  .