Nr. 2 allgemeinen Wahlen hervorgehenden 16 Mandaten S im ersten Wahlgang besetzten. Außerdem steht noch ein sozialdemokratischer Kandidat in Stichwahl. Wenn die Besitzenden im Landtag nicht bevorrechtet wären durch vier Vertreter, die von den Großgrund- besitzern, und vier, die von den tzöchstbesteuerten gewählt werden; wenn nur das allgemeine, gleiche Wahlrecht entschiede: so hätte das Meimnger Parlament schon eine sozialdemokratische Mehrheit. Die Stimmenzahl der Sozialdemokratie wuchs im ganzen Lande von rund 10(XX) auf rund 16000. Der Liberalismus erlitt eine zerschmetternde Niederlage. I» Elsaß-Lothringen  , wo eine teilweise Erneuerung der Bezirks- tage stattfand, eroberte die Sozialdemokratie ein Mandat in einem Mülhauser Bezirk, überall hatte sie starken Stimmenzuwachs. Besonders erfreulich ist dabei, daß ein solcher auch in den länd- lichen Bezirken zu verzeichnen ist eine Erscheinung, die bei den Meininger Wahlen ebenfalls zu beobachten war. Auch die ländliche Wählerschaft ist durch den Steuerraubzug aufgerüttelt worden, und von der Zentrumswählerschaft splittern sich Teile ab. Das zeigen die Resultate im Neichsland, wo es der Sozialdemokratie gelang, in Zentrumsbezirke einzudringen, die bisher ihr fast verschlossen waren. So eröffnen alle diese Wahlen die besten Aussichten für die in nächster Zeit bevorstehenden Reichstagsnachwahlen in Landsberg  - Soldin und Halle   hier ist skandalöserweise der Wahltermin erst in den letzten Tagen angesetzt worden sowie für die Landtags- wählen in Sachsen   und Baden, die am 21. Oktober stattfinden. Die günstige Gelegenheit muß unS zu einer um so energischeren Wahl- arbeit anspornen. Der Liberalismus hat bei allen diesen Wahlen schlechte Ge- schäfte gemacht beziehungsweise zu erwarten. Verdientermaßen das! Fehlt doch jedes Anzeiche», daß er aus den Erfahrungen der Reichsfinanzreform-Episode zu lernen vermöchte oder lernen wollte. Nach wie vor fühlt er sich als Regierungspartei zur Disposition, wartet er auf den Moment, wo er das Zentrum durch gute Dienste für die Sieaktion wieder verdrängen könnte. Von einem Ruck nach links, von einem Entschluß zu entschiedener Opposition ist nirgend? etwas zu verspüren. Di« süddeutschen Bolksparteiler, die am 2. und 3. Oktober zu Heidelberg   ihren Parteitag ab- hielten, ließen das sehr deutlich erkennen. Unwidersprochen konnte Herr v. Payer dort die Meinung vertreten, dem neuen Reichs- kanzler könne man als einem modernen Menschen das Verständnis zutrauen, daß er auf den Liberalismus so viel Rücksicht nehmen werde, als das unter den obwaltenden Umständen möglich sei. Es werde das ja allerdings auch von der künftigen Haltung des Libe- ralismus abhängen, fügt« der Redner bedeutsam hinzu. Das Berliner Tageblatt" faßt diese Äußerung mit vollem Rechte so auf, daß Herr v. Payer noch am Grabe der Blockpolitik die Hoff« nung auf einen neuen Block aufpflanze. Die Landtagsabgeordneten Äugst   und Heimburger traten für mittelständlerisch« undgemäßigt" agrarische Politik ein; sie fanden lebhasten Beifall und von keiner Seile entschiedenen Widerspruch. Man muß dem Herrn v. Payer angesichts dessen darin zustimmen, daß für dieseDemokratie" kein Hindernis mehr besteht, sich mit dem Freisinn der Wiemer und Pachnicke zu einer Partei zu verschinelzen. Dieses Ziel soll denn auch nach dem Wunsche des Parteitags entschieden, wenn auch ohne allzu starkes Drängen verfolgt werden. Bedenken hatte nur der bayerisch  « Landtagsabgeordnete Quidde, der von der Verschmelzung einen wei- teren Ruck nach rechts befürchtet. Er möchte daher vorher wenigstens festgelegt sehen, daß die neue Partei bei Stichwahlen zwischen Sozialdemokratie und Reaktion auf die Seite der Sozialdemokratie treten müsse. Aber Herr v. Payer fand eine solche Bindung nicht nötig er hat nichts dagegen, daß der Freisinn bei seiner jähr- zehntelangen Übung bleibt, in solchen Fällen die Reaktion heraus« zuhauen, was ja übrigens auch die süddeutschen Volksparteller bei den Hottentottenwahlen von 1907 getan haben. Herr Quidde   drang denn auch mit seinen Bedenken nicht durch; nur 1b Stimmen wurden gegen die Einigungsresolution abgegeben. Die süddeutsche Demokratie" ist reif zum Aufgehen im Freisinn und zur Weiter- «ntwicklung zum Nationalliberalismus. Wenn die Einigung nicht sofort vollzogen wird, so liegt das nur an den Eifersüchteleien der Fraktionsführer, namentlich der Herren von der freisinnigen Volks- Partei. Ein Mitglied der süddeutschenDemokratie", Herr Konrad Hauß- mann, hat in diesen Tagen nichts Besseres zu tun gehabt, als an den Genoffen Bebel einen kindlichenoffenen Brief" zu richten. Der Inhalt dieser Veröffentlichung läßt sich kurz dahin zusammen- fassen, daß Bebel   Revisionist werden und die Sozialdemokratie zur bürgerlichen Reformpartei machen möge, damit der kranke deutsch  « Liberalismus wieder die Courage kriegt, mit der Reaktion anzu« binden. An all seiner Feigheit, an den mannigfachen Verrätereien, 29 die er an seinen Grundsätzen und an den Volksinteressen begangen hat, ist nämlich nach Herrn Haußmanns Logik nur die böse Sozial- demokratie schuld. Dadurch, daß sie das Proletariat zum Klassen- kämpf ruft, erschreckt sie die liberalen Helden also, daß sie nicht mehr gegen die Junker zu marschieren vermögen. Genosse Bebel  hat dem sonderbaren Politiker eine nicht mißzuverstehende Antwort gegeben. Er konstatiert die unüberbrückbaren Gegensätze zwischen Liberalismus und Sozialdemokratie und führt an, daß die Arbeiter- klaffe keinen Grund hat, aus Sorge um das Bürgertum auf ihre Forderungen an die Gesellschaft, auf ihre Forderung nach� Ver- nichtung des Klassenstaats zu verzichten. Er zeigt weiter, daß das Bürgertum nicht das Recht hat, seine Unterlassungssünden im Kampfe gegen das Junkertum der Sozialdemokratie zuzuschieben, da es im Kampfe für alle wahrhaft demokratischen Forderungen stets deren Unterstützung sicher sein konnte und kann. Für Herrn Haußmann ist der Erfolg seinesoffenen Briefes" allgemeines Gelächter auch im bürgerlichen Lager. Selbst freisinnige und demokratische Blätter müssen sich sozusagen Gewalt antun, um sein Unternehmen ernst zu nehmen. In Spanien   feiert der Blutdurst der Reaktion wahre Orgien. Als Träger der Reaktion treten zurzeit vornehmlich die Geistlich- keit und die Mönchsorden hervor. Die Kriegsgerichte sind in voller Tätigkeit nach kurzer Justizkomödie erfolgen die Verurteilungen zum Tode, deren viele schon an Männern wie Frauen vollstreckt wurden. Einen besonders infamen Justizmord hat die ständig vom Papst beratene spanische Regierung an dem Freidenker Ferrer begangen. Ferrer ist an den revolutionären Ereignissen von Barcelona   ganz unbeteiligt gewesen. Aber er war der Kirche und den Mönchen besonders starkverhaßt als der Gründer weltlicher, religions- loser Schulen, von denen sie eine Unterwühlung des Aberglaubens fürchten, der ihre Herrschaft garantiert. So ist denn Ferrer auf Grund gefälschter Dokumente in einer Geheimverhandlung, in der weder er selbst zu Worte kam, noch seine Zeugen vernommen wurden, zum Tode verurteilt worden. Die Reaktion hat ihn gemordet, ohne daß der in Spanien   allmächtige Papst etwas dagegen ein- gewendet hätte. Erfolglos sind die Proteste und Demonstrationen vor der spanischen   Gesandtschaft geblieben, zu denen es in ver- schieden«» Ländern, zumal in Frankreich   und Italien   gekommen ist. Die russische   Sozialdemokratie hat ein erfreuliches Zeichen ihres Wiedererstarkens gegeben. Trotz des ungünstigen Wahl- systems, das die meisten Arbeiter entrechtet, trotz des Fehlens einer legalen Presse und Organisation, trotz der brutalsten Verfolgung und Verhinderung ihrer Agitation erzielte sie bei einer Ersatz- wähl zur Duma in Petersburg   4671 Stimmen. Damit rückte sie unter den Parteien an die zweite Stelle, während sie bei den Hauptwahlen im Juni 1907 noch an dritter Stelle stand. Sie hat die Oktobristen(gemäßigte Reaktionäre) überflügelt. Die Kadetten (Liberalen), die ihren Kandidaten durchbrachten, verloren gegen 1907 rund 10000 Stimmen. Das Wahlergebnis zeigt, daß die Sozialdemokratie die furchtbare Zeit des weißen Schreckens über- standen hat und neue Kräfte zu sammeln beginnt. In Finn- land bereitet sich ein neuer heftiger Kampf um die Verfassung gegen den russischen   Absolutismus   vor. Die russische   Regierung verlangt unter Mißachtung der finnischen   Rechte, daß die Gelder, die sie schon widerrechtlich für russische   Militärzwecke erpreßt hat, um 10 Millionen Rubel jährlich erhöht werden und drohte bei Weige- rung des Landtags mit Gewalt. Angesichts dessen will selbst der finnische Senat(die Regierung), der aus Altfinnen besteht, zurück- trete», obgleich er sonst der russischen Reaktion so gefügig ist. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika  , Taft, hat eine Kriegserklärung an die Arbeiter erlassen. Auf einer Reise nach dem Westen hat er Reden gehalten, die ungefähr der Zuchthausrede Wilhelms II. entsprechen. Er empfahl darin die Lahmlegung der Streiks und Boykotts durch richterliche Einhalts- befehle ein System, das besonders die Arbeiterorganisationen treffen soll und verteidigte dasRecht" des einzelnen Arbeiters, sich gegen den niedrigsten Lohn ausbeuten zu lassen. Bezeichnender- weise ist diese Kriegserklärung an die Arbeiterklasse und ihre Or- ganisationen, die Gewerkschaften, mit Schmeicheleien gespickt für dievernünftigen" Führer des Gewerkschastsbundes, für die Herren Gompers und Konsorten! H. B. Gewerkschaftliche Rundschau. Lärmend verkünden fortwährend die zahlreichen Feinde der freien Gewerkschaften, daß diese von den anstürmenden Haufen der gutgesinnten gewerkschaftlichen Organisationen zurück- gedrängt würden. Besonders dieGelben" sollen den Befähigungs- nachweiS erbracht haben, daß sie berufen sind, dersozialdemo- Die Gleichheit i