Nr. 18

Die Gleichheit

der Antrag des Ausschusses eine Mehrbelastung verursachen soll. ( Leibfried: Nicht durch den Ausschußantrag! Ja, wodurch denn? Es handelt sich doch hier nur um den Ausschußantrag. Leibfried hat auch seine ganze Rede begonnen mit dem Hinweise auf die Mehrbelastung, die stets durch unsere Beschlüsse eintrete. Das petu­niäre Moment war ja auch das Hauptargument der ganzen Aus­führungen Leibfrieds. Mir ist unklar, wie er dazu gekommen ist. Leibfried hat sich dann weiter gegen die Konsequenzen gewendet, die sich aus einer von uns im Ausschuß gegebenen Anregung ergeben, daß die Pension der Frau auch dem erwerbsunfähigen Manne zu­stehen soll, ebenso wie sie der Frau zustehen, wenn der Beamte stirbt. Wir haben diesen Gedanken nicht in einem Antrag auf­genommen. Wir haben über diesen Fall nur gesprochen und im Ausschuß auf die logische Konsequenz hingewiesen. Wenn die Pension nichts anderes ist als ein zurückbehaltener Gehaltsteil

und davon sind Regierung sowohl wie die Vertreter aller Par­teien ausgegangen, dann muß die Pension den Hinterbliebenen einer Beamtin genau so herausbezahlt werden wie den Hinter bliebenen eines Beamten.( Bustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wenn man diese Pension aber nicht ausbezahlt, so begeht man ein schweres Unrecht gegen die Beamtin, der man bei Lebzeiten nicht das volle Gehalt bezahlt hat. Außerdem stehen wir Sozialdemo fraten in dieser Frage ja auch durchaus nicht allein. Der neue Entwurf der Reichsversicherungsordnung enthält eine ganz ahn­liche Bestimmung. Auch danach sollen auf den erwerbsunfähigen Gatten einer versicherten Frau die Ansprüche auf die Hinterbliebenen übergehen. Leibfried hat den Bericht einer großen amerikanischen Eisenbahngesellschaft über die Untauglichkeit der Frau vorgelesen. Solche Berichte tann man aus aller Herren Länder zusammen tragen. Amerika gerade ist das Land, in welchem die weiblichen Arbeitskräfte in der schamlosesten Weise ausgebeutet werden. In den Fabriken herrschen die schauderhaftesten Zustände. In der Textilindustrie zum Beispiel steht dort die Ausbeutung der Frauen in noch höherer Blüte als selbst in Deutschland , wo die Zustände gewiß auch schauderhaft genannt werden können. Da hört man aber nichts davon, daß die Frau aus der Fabrik heraus müsse, weil sie nicht leistungsfähig sei oder weil sie ihren Beruf als Gattin und Mutter nicht erfüllen tönne. Da zahlt man auch dem Manne nicht so viel Lohn, daß er die Familie allein erhalten könnte.( Leb­hafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Da hört man nichts davon und auch Leibfried hat es nicht gesagt, daß das doch die logische Konsequenz sein müßte. Der Abgeordnete Leibfried hat aber weiter gesagt, daß die verheirateten Beamtinnen den Steuerzahlern dankbar sein müßten, daß sie für ihr Gehalt dem

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Staate dienen dürfen. Er hat sich damit als ein würdiger Sozius des bekannten Landsmannes in den grünen Heften erwiesen.( Heiter feit.) So liegt die Sache denn doch nicht; die Beamten sowohl als auch die Beamtinnen haben gar feine Ursache, dafür dankbar zu sein, daß sie dem Staate dienen müssen. Sie leisten für ihr Gehalt das, was sie zu leisten haben, genau wie jeder Beamte; ste haben ein Recht auf ihren Lohn wie jeder, der arbeitet. Be­sonderen Dank hat man dafür nicht von ihnen zu verlangen.( Leb­hafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten und im Zentrum.) Wenn man die rechtliche Gleichstellung der arbeitenden Frau ver­langt, und ein Abgeordneter dieses Hauses ergeht sich in diesem Busammenhang in Ausdrücken wie: man wolle dem Manne schöne Tage verschaffen, man ziehe Faulenzer und Drohnen groß, so sind das Argumente, die man nicht zu widerlegen braucht. Wir würden damit nur unsere tostbare Zeit verschwenden. Ich bitte Sie, den Ausschußantrag anzunehmen, weil er die beste Lösung bedeutet." Diesen Ausführungen pflichtete der Zentrumsabgeordnete Rem­bold im allgemeinen bei. Er bewies dadurch eine fortschrittlichere Gesinnung als die Herren von der Fortschrittlichen Volkspartei . Allein er stand mit seiner Ansicht im Widerspruch zu einem Teil seiner Fraktionsgenossen, die für die Regierungsvorlage in ihrer ursprünglichen Fassung eintraten. Mit 42 gegen 38 Stimmen siegte eine Auffassung, in der sich die Philisterhaftigkeit einer fleinbürger­lichen Vergangenheit mit den Profitgelüften des modernen Kapitalis mus paart. Die Verhandlungen vor der württembergischen Stammer sind ein lehrreiches Beispiel der Behandlung und Wertschäzung, welche die fapitalistische Ordnung und ihre Verteidiger den Kopf­arbeiterinnen zuteil werden lassen. Sie gelten gerade für gut genug, den Männern in den niedrigeren Stellen Konkurrenz zu machen und ihre Bezahlung zu senken. Über dieses herrliche Recht unserer göttlichen Weltordnung" hinaus sollen sie kein Recht haben. Auch wenn ihre Leistungen noch so vorzügliche sind und daher im Inter­esse der Allgemeinheit liegen. Möchten die vielen Tausende von Kopf­arbeiterinnen die richtige Lehre aus den Tatsachen ziehen.

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G. B.

Das englische

Heimarbeit- Minimallohngesetz.

Bon Adolf Hepner .

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( Schluß.)

Das Lohnamt wird natürlich die Unterschiede in der Schnellig­keit der Produktion zwischen Maschinenarbeit und maschinen­loser Heimarbeit zu berücksichtigen haben, den Unterschied in der Leistungsfähigkeit der modernsten Nähmaschinen in der Fabrik und der veralteten der Heimarbeiter. Es wird aber auch in Erwägung ziehen, was der Fabrikant durch die Heimarbeit an Miete, Utensilien, Materialien und sonstigen Unkosten erspart, und was der Heimarbeiter an Zeit durch den Gang zum Unter­nehmer und durch das Warten verliert. Ich stelle mir die Organisierung der Wages Boards" durchaus als keine leichte Sache vor. Das Hauptunglück der Heimarbeiter die zum allergrößten Teile weiblichen Geschlechts sind ist, daß sie keine Organisation haben. Man wird sie erst zusammenschließen müssen, damit sie ihre Vertreter in das Lohnamt erwählen.

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Ich habe absichtlich in meinem Gesetzesvorschlag- gegen den Rat anderer die Einführung des Minimallohnes auf die Heimarbeit beschränkt, weil hier die Arbeiter die am schwersten Notleidenden sind und am ersten dringend der Hilfe bedürfen. Später sollen, meiner Ansicht nach, auch die Fabrikarbeiter an die Reihe kommen. Würden wir sogleich den Minimallohn auf alle Arbeiter ausdehnen, so hätten die Fabrikarbeiter- da sie organisiert sind und sich rasch organisieren können bei den Wahlen zu den Wages Boards" die Oberhand und die Heimarbeiter fämen nur spärlich zu ihrem Rechte. Erst wenn es gelungen sein wird, die Heimarbeiter fest zu organisieren, würde es sich empfehlen, die Befugnisse des Lohnamtes auf alle Arbeiter auszudehnen. Ich kann nicht wissen, wieviel das Lohnamt leisten wird. Aber das eine weiß ich: es wird den Lohn der am schlechtesten zahlenden Arbeitgeber mindestens auf die Höhe der Lohnsäge bei den am besten zahlenden Unternehmern festsetzen.

III. Das Minimallohngesetz vom 20. Oktober 1909.

Dieses Gesetz findet zunächst Anwendung auf vier Erwerbs­zweige: a. die Engroskleiderkonfektion sowie jede Branche des Schneidergewerbes, deren Fabrikationssystem dem des Engros­geschäftes ähnlich ist; b. die Kartonschachtelfabrikation; c. die Spitzengardinenfabrikation nebst Ausbessern und Stopfen von Gardinen; d. das Kettenmachen.

Der Board of Trade( das Handelsministerium) kann mit Bewilligung des Parlamentes das Gesetz noch auf andere Er­werbszweige ausdehnen, wenn der in denselben vorherrschende Minimallohn im Vergleich mit anderen Erwerbszweigen zu ge­ring ist. Sobald das Handelsministerium dem Parlament einen Vorschlag zur Ausdehnung des Minimallohngesetzes auf einen anderen Erwerbszweig eingereicht hat, dürfen Gegner des Vor­schlags beim Parlament durch Petition oder beim Parlaments­fomitee persönlich vorstellig werden. Auf Antrag des Handels­ministeriums kann das Parlament auch eine Minimallohn­bestimmung für einen gewissen Erwerbszweig widerrufen.

Die Festsetzung des Minimallohns erfolgt in nachstehender Weise: Das Handelsministerium ernennt für das Gewerbe, in dem fortab ein Minimallohn rechtlich gelten soll, eine Behörde, ,, Trade Board", als Lohnamt für dieses Gewerbe. Der ,, Trade Board" besteht aus einer gleichen Anzahl von Vertretern der Unternehmer- und der Arbeiterschaft sowie aus einigen Mitgliedern, die gemäß noch auszuarbeitender Bestimmungen durch das Handelsministerium ernannt werden. Frauen sind gleich wählbar wie Männer. In allen Erwerbszweigen, die Heimarbeit mitumfassen, müssen die Heimarbeiter in Trade Boards durch Mitglieder aus ihren eigenen Reihen ver­treten sein. Das Handelsministerium ernennt den Vorsitzenden des Lohnamtes, dieses selbst aber seinen Sekretär.

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Der Trade Board" hat alle Mitteilungen zu prüfen, die ihm in bezug auf den ihm unterstellten Erwerbszweig zugehen. Er kann vom Handelsministerium seiner Pflicht zur Festsetzung eines Minimallohns entbunden werden, wenn diese Festsetzung