Nr. 7
Die Gleichheit
gleich mit der Organisation schließen. Diese Fabrik hat sogar nachträglich das interessante Zugeständnis gemacht, daß lange Lohnkämpfe auch dem Unternehmergewinn nachteilig sind. Der fürzlich veröffentlichte Jahresbericht der Gesellschaft führt näm lich das Zurückgehen der Dividende von 14(!) auf 12 Prozent auf den langen Stellmacherstreit zurück. Dagegen tobt in Del menhorst und Rastatt der Kampf noch immer erbittert fort. Die Stuhlarbeiter haben in der Marbacher Gegend, am Deister und im sächsischen Stuhlgebiet in Bewegungen gestanden, die Vergolder in Brandenburg , Burg, Köln , Leipzig usw. Der große Kampf auf den Wersten ist noch in frischer Erinnerung. Ein langwieriger Lohnkampf in der sächsischen Weißmöbelindustrie- Cunnersdorf, Radeberg , Wils druff ist noch kurz vor Jahresschluß mit einem annehmbaren Erfolg beendet.
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Die Berufe, in denen weibliche Arbeitskraft vorherrscht, traten ebenfalls in umfangreiche Bewegungen. Der lange Kampf in der Nürnberger Bleistiftindustrie brachte die Herabsehung der Arbeitszeit auf 56 Wochenstunden und etwa 10 Prozent Lohnerhöhung. Den Arbeiterinnen wurden Mindestlöhne be willigt, die mit 7,84 Mt. bei einem Alter von 14 Jahren bes ginnen und bis auf 12,32 Mt. bei 22 Jahren steigen.
In den Nürnberger Pinselfabriken gelang es, die Arbeitszeit von 54% auf 52% Stunden herabzusetzen und die Affordpreise um 11% Prozent zu erhöhen. Die große Mün chener Bürstenfabrik Penzberger bewilligte 1 Stunde Ar beitszeitverkürzung und 7 Prozent Lohnerhöhung.
Den zahlreichen Knopfarbeiterinnen in Schmölln ward drei Viertelstunden Arbeitszeitverkürzung und 7% Prozent Atfordpreiserhöhung zuteil, während in Frankenhausen die Perlmutterknopfmacher noch jetzt im Streit ausharren.
Die Stockarbeiter haben in Bettenhausen bei Kaffel und in Wald im Rheinland Erfolge aufzuweisen. In letzterem Orte haben bald nach ihrem Anschluß an den Holzarbeiterverband die Schirmmacher diese Besserung der Arbeitsverhält nisse mit Erfolg auch für sich gefordert.
Kurz vor Jahresschluß hat der Verband noch einen neuen Tarifvertrag für die 5 Arbeiter und 42 Arbeiterinnen einer Münchener Schirmfabrik abgeschlossen. Die Aufspanne rinnen verdienten seither im Durchschnitt etwa 12 Mr., die Maschinennäherinnen 23 Mt. Die sehr detaillierten Akfordpreise find nun um etwa 8 Prozent erhöht und bis 1914 festgelegt worden. Das ist ein nennenswerter Fortschritt, und er tönnte überall erzielt werden, wenn alle Arbeiterinnen der Schirmindustrie, in der die weibliche Arbeitskraft erheblich überwiegt, sich dem Verband anschlössen.
Was wir in vorstehendem berichteten, bedeutet einen wesentlichen Schritt nach aufwärts. Dabei konnten hier nur wenige Angaben und Ziffern aus dem umfangreichen Material des Holzarbeiterverbandes wiedergegeben werden. Aber schon diese genügen, um zu zeigen, was sich durch vereinte Kraft erreichen läßt. Wenn trotzdem nicht alle Wünsche in Erfüllung gingen, wenn sogar einzelne Kämpfe erfolglos abgebrochen werden mußten, so darf man nicht vergessen, daß den Organisierten in Deutschland noch zweis, dreimal soviel Unorganisierte gleichgültig oder gar feindlich gegenüberstehen. Und noch viel, viel schlimmer ist das Verhältnis von Organisierten und Unorgani sierten bei den Arbeiterinnen. Wie wenige von ihnen haben bis jetzt den Weg zur Organisation gesunden. Die ihn be schritten haben, müssen voller Hingebung ihre Kraft dafür einsetzen, die noch nicht aufgeklärten und organisierten Schwestern der Arbeit auf ihn zu führen.
Jede Stunde, um welche die Organisation die tägliche Fronzeit verkürzt, bedeutet eine Stärkung der Gesundheit, eine Ver längerung unseres Lebens, bedeutet die Möglichkeit geistiger Betätigung, bedeutet einen Kulturfortschritt. Jeder Erfolg, den wir der kapitalistischen Gesellschaft abringen, stärkt die Position unserer Klasse. Wenn wir uns dies stets vor Augen halten, so erscheinen uns die Opfer gering, die wir für den Kampf bringen, und freudig werden wir uns als Glied in die kämpfende Arbeiterschaft einfügen.
f. k.
103
Nicht allzuviel war bisher aus Oldenburg - Ostfriesland über ein politisches Leben unter den Arbeiterfrauen zu berichten. Hier, in diesem stark ländlichen Teile Deutschlands , hat die Industrie nur an einigen wenigen Orten die Höhe kapitalistischer Entwic lung erreicht. Hat hier der Sozialismus überhaupt unter viel ungünstigeren Bedingungen zu kämpfen als in den Industriegebieten Rheinlands, Schlesiens und Sachsens , so gestaltet sich um so schwieriger noch die Aufgabe, die Frauen für die sozialistischen Ideen und die politische Bewegung zu gewinnen. Zähe, unermüdliche Aufklärungsarbeit hat aber auch in den Wall dieser Hemmnisse Bresche gelegt.
Oldenburg gehört zu den wenigen Bundesstaaten, deren Gesetz gebung hier und da noch einen kleinen liberalen Anstrich aufweist. So auf dem Gebiet des Vereins- und Versammlungsrechts. Schon ehe dieses staatsbürgerliche Recht durch Reichsgesetz den Frauen von ganz Deutschland zuerkannt wurde, konnten in Oldenburg die Frauen ungehindert sich am Vereins- und Versammlungsleben beteiligen. Und sie taten es, wenn auch in ganz bescheidenem Maße und in der Hauptsache noch nicht in der richtigen Weise. In dem Vorort Rüstringen- Wilhelmshaven wurden eine Reihe sogenannter wirtschaftlicher Arbeiterfrauenvereine gegründet. Sie trugen streng lokalen Charakter und beschränkten sich ihrem Programm nach auf die Stellungnahme zu auftauchenden wirtschaftlichen und kommunalen Tagesfragen. Diese Frauenvereine wuchsen schnell an und wiesen anfangs ansehnliche Mitgliederzahlen auf. Es kann auch nicht geleugnet werden, daß sie den Proletarierinnen manchen Nutzen gebracht haben. Dadurch aber, daß sie ängstlich bemüht waren, die Politik aus ihrem Kreise fernzuhalten, gerieten sie notwendigerweise in Widerspruch mit den proletarischen Klasseninteressen ihrer Mitglieder.
Neben diesen Vereinen führte die politische Frauenbewegung im Anfang nur ein bescheidenes Dasein. Als diese aber in den letzten Jahren begann, sich fräftiger zu entwickeln, machte sich der Mangel an Einheitlichkeit und innerer Geschlossenheit sofort geltend. Durch eifrige Propaganda unter den Frauen und dank der Einsicht der leitenden Genossinnen hüben und drüben gelang es schließlich zu Anfang dieses Jahres in Rüstringen - Wilhelmshaven , dem größten Orte des Agitationsgebiets, die Beschlüsse der Frauenkonferenzen und Parteitage durchzuführen. Die sogenannten wirtschaftlichen Frauenvereine wurden aufgelöst und eine einheitliche politische Frauenbewegung als Teil der politischen Gesamtorganis sation geschaffen.
Bis zu Anfang des Jahres 1907 waren nur 50 bis 60 Frauen im ganzen Bezirk, und zwar ausschließlich in obengenanntem Be zirtsvorort, politisch organisiert. Die„ Gleichheit" wies eine etwas größere Zahl an Lesern auf. Durch die Schaffung des Bezirkssekretariats wurde es möglich, unter den proletarischen Frauen eine intensivere Agitation für die politische Organisation ¡ u ent falten. Heute, nach dreijährigem Bestehen dieser Einrichtung sind in 20 Orten des Bezirkes, das heißt in der Hälfte aller Orte mit Parteiorganisationen, insgesamt 1197 Frauen politisch organisiert. Die folgende Tabelle gibt im einzelnen ein genaues Bild über die Entwicklung der weiblichen Mitgliedschaft der Parteiorganisationen seit dem 1. Oktober 1907, wo das Bezirkssekretariat errichtet wurde.
Datum
1. olden burgischer
Gesamtzahl
rischer
ber
2. olben- 3. oldens 1.hannove- 2.hannove burgischer burgischer rischer Wahlkreis
Wahlkreis Wahlkreis
Mits
glieder
Drte
Mits
glieder
Drte
Mits
glieder
95
12244
142
150
170
1117777
Wahlkreis
Babltreis
1 1 1
Drte
Witte
glieder
Drte
Mits
glieder
Drte
10
1
58
4 1 15
4 1 15
1 38
4 1 17 1 38 2.38
Mits
glieder
Drte
231
1. 10.07 1. 1.08 1. 4.08 1. 7.08 1. 10.08 1. 1.09 1. 4.09 1. 7.09
25
167
2
66
202
216 382
4
242
230
1
529 14
253
290
1 38
1 600 14
319
4
304
1 682 14.
420
4 321
4 1 18
1
801
15
434
1.10.09
6
4 447 9 4 479 4 478 10 1 21 2 43 1 1027 475 4 536 10 4 1 25 3 43 1 1083 4 447 616 10 4 1 31 3 44 451 4 633 11 4 1 30 2 47 454 5 642 11 22 30 2 49
1 21
2 35 1 941
17
18
19
1 1142
19
19 1 1165 1197 20
1. 1.10 1. 4. 10 1. 7. 10 1. 10. 10
Im allgemeinen nehmen die organisierten Frauen regen Anteil an dem Versammlungsleben. Trotzdem kann und muß auch hierin