Nr. 23
Die Gleichheit
gekehrt müßten die selbst organisierten Arbeiter anderer Erwerbs. gebiete alles tun, um ihre lohnarbeitenden weiblichen Angehörigen ihrer Gewerkschaft zuzuführen. In der Konservenindustrie tut die Ausdehnung und Kräftigung der Organisation bitter not, damit schreiende Übelſtände belämpft werden können. Ida Rauhe. Ueber Mißstände im städtischen Arbeitsnachweis zu Frank furt a. M., die sich in letzter Zeit fühlbar machen, wurde am 7. Juli in einer Versammlung der Wasch- und Puzfrauen getlagt. Ein großer Teil der Frauen berichtete, daß die Arbeitsvermittlung nicht forrekt vor sich geht, sondern lediglich nach Gunft. Es kommt oft vor, daß Frauen wochenlang zum Arbeitsnachweis gehen und in der Zeit nicht mehr als einen oder gar nur einen halben Tag Arbeit nachgewiesen bekommen. Die meisten Besuche rinnen des Arbeitsnachweises find Witwen oder verheiratete Frauen, beren Männer frant und arbeitsunfähig sind, so daß auf den Frauen die ganze Last der Existenzforgen ruht. Eine gut geleitete Arbeitsvermittlung muß diese Umstände berücksichtigen. Das geschieht aber in Frankfurt nicht. Die armen Frauen werden gegen stellenlofe Dienstmädchen zurückgesetzt, die im Arbeitsnachweis wohnen und leicht wieder in eine Stellung gebracht werden könnten. Mütter, die Tag für Tag mit der Hoffnung nach dem Arbeitsnachweis gehen, Arbeit zu erhalten, um Brot für ihre hungernden Lieblinge taufen zu können, gehen ebenso oft enttäuscht wieder fort. Sehr geklagt wurde über die sonderbaren Umgangsformen der Frau Schmick, die die Arbeitsvermittlung mit einem jungen Mädchen besorgt, das ebenfalls ziemlich schnippisch sein soll. Ihr Zores, macht, daß ihr heimfommt!" so werden die arbeitsuchenden Frauen angefahren. Frau Schmick scheint sich nach der Schilderung der Versammlungsteilnehmerinnen als Herrgott zu fühlen. Für die Existenzbedingungen der Arbeitsuchenden bekundet sie foenig Ver ständnis. Sie scheute sich zum Beispiel nicht, den Frauen zu sagen: " Ich bin der Meinung, 2 Mt. find genug für euch, und mehr wie 80 Pf. für Abendbrot habt ihr nicht zu fordern, ich gebe meiner Waschfrau auch nicht mehr." Wie man sich für 30 Pf. abends aus. reichend beköstigen kann, noch dazu in dem teuren Frankfurt a. M., das würden die Wasch- und Putzfrauen gern erfahren. Solange sie es nicht wissen, ist es ihnen nicht möglich, für 30 Pf. ihren er müdeten und ausgehungerten Körper genügend zu fräftigen, zumal da fie oft genug mittags feine ausreichende Mahlzeit erhalten. Erfahrungsgemäß wird bei Wäsche, Wohnungsreinigung usw. meist wenig und billig gekocht. Haben die Frauen aber nicht die Kraft, den an sie gestellten Anforderungen zu genügen, so teilen die Arbeitgeber dem Arbeitsnachweis mit, daß sie die betreffende Ar beiterin nicht mehr zugewiesen wünschen. Verdienen die Frauen in ihrer Notlage nicht genug für den Unterhalt der Familie, so müssen sie die Armenverwaltung oder einen Wohltätigkeitsverein in Anspruch nehmen. Dadurch wird ihnen das Leben noch mehr zur Qual, als es ohnedies schon der Fall ist, denn es ist nicht bloß demütigend, sondern oft auch recht schwer, Unterstützung zu erlangen. Obgleich der ortsübliche Tagelohn 2,50 Mt. beträgt, bietet Frau Schmick doch bei Anfragen die Wasch- und Puzzfrauen durch das Telephon manchmal für 2 Mt. an. Noch eine ganze Reihe anderer Beschwerden wurden in der Versammlung erhoben. Die Frauen verlangen, daß keine Arbeit unter 2,50 Mt. pro Tag mit Mittagessen sowie 60 Pf. für Abendbrot vermittelt wird. Die Arbeitszeit foll nicht mehr als zehn Stunden betragen. Die Puz- und Waschfrauen fühlen sich zu dieser Forderung um so mehr berechtigt, als ihnen die gröbsten und schwersten Arbeiten zugewiesen werden. Wer diese nicht bezahlen wolle, folle sie selbst machen. Ein Mit glied des Ausschusses der Beschwerdekommission, die von den Gewertschaften gewählt wird, war in der Versammlung; hoffentlich werden die hervorgehobenen Mißstände bald beseitigt. Erfreulicher weise schlossen sich die anwesenden Putz- und Waschfrauen bis auf wenige Ausnahmen der Organisation der Transportarbeiter an. Wenn erst die Mehrzahl dieser Ausgebeuteten organisiert ist, werden sie in der Lage sein, sich zu erkämpfen, was ihnen jetzt noch viel zu oft vorenthalten wird: anständige Bezahlung und Behandlung. E. Schulze.
Fürsorge für Mutter und Kind.
Ein kommunaler Kindergarten wurde in Nürnberg errichtet. Die Unterzeichnete hatte als Mitglied des Ausschusses für Armenanstalten der Stadt Nürnberg Gelegenheit, näheren Einblick zu er halten in die jämmerlichen Zustände und die Unzulänglichkeit der fommunalen Armenpflege. So wurden unter anderem in einem einzigen Armenhause gegen 100 Kinder in grenzenlofer körperlicher und moralischer Verwahrlofung angetroffen. Die Eltern waren durch Not und Elend zu sehr heruntergekommen, als daß man von ihnen eine gute Erziehung ihrer Kinder hätte erwarten oder ver
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langen tönnen. Die Unterzeichnete geißelte scharf diese erbärmlichen Verhältnisse und brandmarkte die Versündigung, deren sich die Gemeinde durch ihre Untätigkeit in solchen Fällen schuldig macht. Sie verlangte als nächste Fürsorgemaßregel die Errichtung eines Kindergartens, um die Kleinen am Tage dem Einfluß ihrer traurigen Umgebung zu entziehen. Der Armenausschuß hat daraufhin nunmehr einen Kindergarten errichtet und daran eine praktisch geschulte Kindergärtnerin angestellt. Die Kindergärtnerin hat die Aufgabe, vormittags die Kleinen von 2 bis 6 Jahren zu beschäf tigen und sich nachmittags der schulpflichtigen Kinder mit Rat und Tat anzunehmen. Es wäre zu wünschen, daß andere Städte das Beispiel Nürnbergs bald nachahmten. Helene Grünberg .
Die unentgeltliche Geburtshilfe im Kanton Schwyz ist nun eingeführt worden, dank dem immer wiederkehrenden Drängen unseres Genossen Wattenhofer, der als einziger sozialistischer Vertreter in diesem Landesparlament fißt. In diesem Falle ist die Einführung um so bemerkenswerter, als es sich um einen durchweg ländlichen Kanton, um ein Bauernparlament handelt. Wenn selbst im Kanton Schwyz die Notwendigkeit der Neuerung erkannt wird, wie beschämend ist es dann, daß noch immer so viele städtische, aufgeflärt sein wollende Kommunalpolitiker in der Einführung unentgeltlicher Geburtshilfe ein Stück roten Zukunftsstaats erblicken! Und wie müssen sich erst die deutschen Gesetzgeber schämen, die bei der Schaffung der Reichsversicherungsordnung es abgelehnt haben, daß die Gewährung unentgeltlicher Hebammenhilfe den Krankentassen als Pflichtleistung auferlegt worden ist. Natürlich gilt die Inanspruchnahme der unentgeltlichen Geburtshilfe im Kanton Schwyz nicht als„ Armenunterstützung". Auch der Kinderreichste Vater verliert ihr zur Folge nicht sein Wahlrecht. Von Städten haben in worüber wir berichtet den letzten 1% Jahren außer Zürich haben auch Zug, Aarau , Lausanne , Bern und Neuenburg die unentgeltliche Geburtshilfe eingeführt. Wie man sieht, marschiert auch bei der Durchführung dieser bescheidenen, selbstverständlichen Reform Deutschland nicht in der Welt voran.
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r. a.
Die Ehebruchsparagraphen des franzöfifchen Strafrechts. Die Justizkommission der französischen Kammer hat beschlossen, die Reform einiger der veraltetsien Bestimmungen des Code pénal zu beantragen, bie den Ehebruch betreffen. Zwar geht sie in der Ver nunft noch nicht so weit, um dem Ehebruch den Delittcharakter zu nehmen, aber immerhin will sie die Ungleichheit der Straffanttion beseitigen, die bisher für den Mann nur in einer Geld-, für die Frau aber auch in einer Freiheitsstrafe bestand. Es ist anzunehmen, daß diese Reform nur ein Übergang zur Aufhebung des„ Delifts" Ehebruch überhaupt sein wird, denn daß die Verurteilung der „ Schuldigen" zu einer Buße von 25 oder 100 Fr. weder eine„ Genugtuung" für den hintergangenen Gatten noch eine„ Strafe" für den untreuen ist, wird kein verständiger Mensch bestreiten können. -Wichtiger noch ist die Aufhebung des Artikels 824 des Straf gesetzes, der dem betrogenen Ehegatten für die Tötung der in der ehelichen Wohnung in flagranti ertappten Gattin und ihres Lieb habers die Straflosigkeit zubilligt. Leider ist zu fürchten, daß die Abschaffung der ungeheuerlichen Bestimmung in vielen Fällen wirkungslos bleiben wird, in der noch die altrömische Barbarei des bem pater familias zustehenden Rechts über Leben und Tod seiner Hausgenossen fortlebt. Und das dank der Rückständigkeit der Bourgeoisgeschworenen, die es noch immer mit der Moral des„ Töte sie!" halten, welche vom jüngeren Dumas auf die Bühne gebracht wor den ist.
o. p.
Die Frage des Gemeindewahlrechts der Frauen auf dem fiebten bayerischen Frauentag zu Würzburg . Zu unserem Bes richt über diese Tagung bürgerlicher Frauenrechtlerinnen ist uns folgende Berichtigung" zugegangen:
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In Nr. 20 der Gleichheit" wird die Behauptung aufgestellt, daß meine Ausführungen über die Rechte der Frau in der Gemeinde auf der Tagung des Verbandes Bayerischer Frauenvereine in Würz burg in der Forderung lediglich des aktiven Wahlrechts der Frau in der Gemeinde gegipfelt hätten. Diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen. Wahr ist vielmehr, daß ich, wie mein Manuskript ausweist, auch das passive Wahlrecht gefordert habe. Ich habe wörtlich gesagt:„ daß die Frauen nur dann, wenn sie in den Gemeindeparlamenten ihre Interessen selbst vertreten, verhindern können, daß alle anderen schwer errungenen Rechte innerhalb der Gemeinde ihnen eines Tages wieder genommen werden."