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Die Gleichheit

sammengestoßen. In einem ihrer Filialbetriebe in Franken berg i. S. wurden die Tabatarbeiterinnen und -arbeiter kurzerhand entlassen, als sie sich eine Verschlechte­rung der Arbeitsbedingungen nicht gefallen lassen wollten. Sie sollten die fertigen Bigarren auf einen mit Leinentuch überspann­ten Rahmen auslegen anstatt wie bisher in einem Kasten. Diese Neuerung bedeutet einen größeren Zeitverlust, also eine Mehr­arbeit, für die etwa 60 Pf. mehr Lohn in der Woche gefordert wurden. Wegen der Forderung dieses lächerlich geringen Lohn­zuschlags kam es zur Entlassung von 140 Arbeitern und Arbeite­rinnen. Das selbstherrliche Auftreten des Betriebsleiters hatte den Konflikt wesentlich verschärft. Die bürgerliche Presse stürzte sich sofort mit Behagen auf diesen fetten Bissen und fabulierte allerhand über die Aussperrung in einem sozialdemokratischen Betrieb" zusammen. Zwar tam es dann bald zu einer Einigung, jedoch bleibt das Verhalten der Konsumgenossenschaft trotzdem skandalös. Sie besaß nicht so viel Geschick und Einsicht, es gar nicht erst zum öffentlichen Austrag einer solchen Bagatellestreit­frage kommen zu lassen. Der aufwärtsstrebenden Konsumvereins­bewegung nüßen Vorgänge dieser Art wahrhaftig nicht. Niemand aber sollte sich durch sie davon abhalten lassen, für die Genossen­schaftsbewegung zu wirken. Es muß die Sorge der Mitglieder sein, der Leitung mehr Rücksicht auf die proletarischen Interessen, mehr gewerkschaftliches Empfinden beizubringen.

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Dem Buchdruckerverband fließt fast der gesamte junge Nachwuchs der Arbeiterschaft seines Gewerbes zu. Im zweiten Quartal gewann die Organisation 2605, neue Mitglieder, die sicher überwiegend von den jungen Proletariern gestellt wurden, die im April ausgelernt hatten. Bei rund 75 000 im Gewerbe Beschäftigten zählt der Verband über 69 000 Mitglieder. Die Gegenorganisation, der christliche Gutenbergbund, musterte noch nicht 3400 Mitglieder, die sich auch noch auf drei Länder ver­teilen: auf Deutschland , Österreich und die Schweiz .

Die Kinderarbeit in den Gärtnereien möchten die Unternehmer gar zu gern ausdehnen, statt sich damit abzufinden, daß das Gesetz sie beschränkt. Schulpflichtige Kinder werden in Gärtnereien in Ferienzeiten 9 bis 11 Stunden, sonst 5 bis 6 Stunden an Nachmittagen beschäftigt. Gärtnereiarbeit, so sagen die menschenfreundlichen Unternehmer, läge durchaus im gesund­heitlichen Interesse der Kinder, es wäre nur zu wünschen, daß recht viele Großstadtkinder in Feld und Garten beschäftigt wür­den. In einer Eingabe an das Ministerium weisen die sächsischen Unternehmer auch darauf hin, daß die Existenz der Klein- und Mittelbetriebe von der Kinderarbeit abhänge. Solche Betriebe könnten nicht bestehen, wenn die Bestimmungen des Kinderschutz­gefeßes stritte auf sie Anwendung finden würden. Hinter der edlen Fürsorge für die Gesundheit der armen Kinderchen steckt also nichts anderes als nacktes Profitinteresse. Denn zwischen der freien Arbeit von Kindern, die der Erziehung und der Freude an der Natur dienen könnte, und der ausgebeuteten Arbeit der Kleinen ist ein gewaltiger Unterschied. Wäre dem nicht so, dann würden die Unternehmer den eigenen Kindern in gleichem Maße die Wohltaten" der Garten- und Feldarbeit zuteil werden lassen, statt sie in höhere Schulen zu schicken und fremde Kinder auszu­beuten.

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Textilarbeiterinnenkonferenzen. Der Gau Neugersdorf ver­anstaltete im Monat September in Dresden seine zweite Arbeite= rinnenkonferenz. Über Ursachen und Wirkungen gewerblicher Frauenarbeit referierte Genossin Hoppe- Berlin, über den freien Sonnabendnachmittag Genoffin Zwahr- Neugersdorf. An beide Referate schloß sich eine recht lebhafte Aussprache. Sie bewies den Wert der Arbeiterinnenkonferenzen, der nicht zuletzt in der Schulung besteht, zu der sie den Anstoß geben. Die Folge davon ist eine rührige und einsichtsvolle Mitarbeit der Frauen für die Organi­sation. Vor drei Jahren eine Konferenz, auf der die Arbeiterinnen zaghaft, in stockender Rede zum erstenmal sich an der Diskussion beteiligten. Jest weibliche Delegierte, die frei von aller Schüchtern heit ihre Ansichten klar zum Ausdruck zu bringen verstehen. Ein unverkennbarer Fortschritt, der um so mehr Beachtung verdient, als die Delegierten Arbeiterinnen waren, die das Mandat erhalten hatten, weil sie sich in der Zeit zwischen beiden Konferenzen an der agita­torischen und organisatorischen Arbeit lebhaft beteiligten. Sie be­fundeten den festen Willen, weiterhin eifrig zu wirken und das dazu nötige geistige Rüstzeug sich zu erwerben. Dem Wunsch der Dele­gierten, ständige Schulungsabende einzuführen, wurde statt­gegeben. Diese Veranstaltungen dürften seither schon in einigen Drten ins Leben getreten sein.

Das praktische Ergebnis solcher regelmäßiger Schulungsabende trat bei der vierten Arbeiterinnenkonferenz des Gaues Hannover

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sichtlich in Erscheinung. Diese Tagung fand Anfang D'tober in Hannover statt. Im Gau besteht die Einrichtung, daß vom Gau­vorstand beauftragte Gewerkschafterinnen regelmäßig in den einzelnen Drten Lese- und Schulungsabende für die weiblichen Verbandsmit glieder abhalten. Aus den Teilnehmerinnen an diesen Veranstal tungen waren die Delegierten zur Konferenz gewählt worden, und zwar waren für das Ehrenamt nur regelmäßige Besucherinnen in Frage gekommen. Die Leitung der Tagung konnte zum erstenmal ausschließlich organisierten Frauen anvertraut werden, die sich ihrer Aufgabe durchaus gewachsen zeigten. Über die Bedeutung des freien Sonnabendnachmittags für die Arbeiter und Ar­beiterinnen hielt Genoffin Evers- Hannover den Vortrag. Ge­nossin Hoppe- Berlin erstattete das Referat über Arbeiterinnen­schutz und Arbeiterschutzgeseze Die Frage: Wie gewinnen wir die Jugend für unsere Bestrebungen? wurde von Genossin Brandenburg- Hamburg behandelt. Die Ausführungen der drei Vortragenden fanden lebhafte Zustimmung. Die Konferenz beschloß, daß sie wegen ihres agitatorischen Wertes im Wortlaut in das Protokoll aufzunehmen seien. Die Referate wurden ergänzt und bekräftigt durch wichtige, packende Tatsachen, die die Discussionsrednerinnen beisteuerten. Es sei besonders erwähnt, daß alle Teilnehmerinnen der Tagung aufs schärfste die Tattit der Christen" verurteilten, die der Propagierung des freien Sonnabendnachmittags Steine in den Weg wälzt. Solches Treiben muß mit der tiefsten Empörung alle erfüllen, die die Lebensverhältnisse der Textilarbeiterschaft fennen. Erschütternde Beispiele bewiesen, wie aufgebraucht die Kraft der Arbeiterinnen am Wochenschluß ist, so aufgebraucht, daß eine Ver­fürzung der harten Fron ums Brot Notwendigkeit ist, wenn der frühe Zusammenbruch ferngehalten werden soll. Die Konferenz war getragen von dem festen Willen aller Teilnehmerinnen, überall nach besten Sträften mitzuwirken, damit immer mehr Arbeiterinnen auf­geklärt und dem Verband zugeführt werden, unermüdlich aber auch an der eigenen Ausbildung weiterzuarbeiten. Die von großer Sach­kenntnis zeugende Debatte brachte manche Anregung, die bei der örtlichen Agitation mußbringend verwertet werden kann. Die Tätig­keit der delegierten Genoffinnen in ihrem Wirkungskreis wird die Fruchtbarkeit der Tagung erweisen.

Beide Konferenzen organisierter Textilarbeiterinnen haben treff­liche Arbeit geleistet. Sie sind damit ein guter Anschauungsunter­richt gewesen. Sicherlich haben sie die anwesenden männlichen Ge­werkschafter davon überzeugt, daß die tätigen weiblichen Verbands­mitglieder mit Energie und Verständnis für die Organisation wirken. Des weiteren waren sie gute Beweise dafür, daß die Zusammen­künfte der Arbeiterinnen für die Organisation wertvolle Früchte tragen. Das Beispiel sollte überall lehren. Namentlich müßten die Erfolge zur Nacheiferung treiben, die der Gau Hannover mit den Lese- und Schulungsabenden erzielt hat. Es ist im Interesse der Organisation durchaus notwendig, daß eine möglichst große Zahl tüchtiger Gewerkschafterinnen herangebildet wird, die die Agitation unter den Arbeiterinnen betreiben. Die Lese- und Schulungsabende erziehen die weiblichen Organisierten für diese Aufgabe. Sie sollen Wissen vermitteln, aber auch praktische Gewandtheit und Selbst= vertrauen geben. Wohl ist der Erfolg solcher Abende nicht sofort sichtbar, doch bleibt er für die Dauer nicht aus. Die Gesamtorgani­sation hat den Nugen davon. Martha Hoppe, Berlin .

Einen Tarifvertrag für Heimarbeiterinnen hat der Deutsche Holzarbeiterverband fürzlich in Bielefeld für die ihm ange­hörigen Schirmnäherinnen zum Abschluß gebracht. Für zwei Firmen sind dort etwa 30 Frauen in ihren Wohnungen mit dem Nähen und Aufheften der Schirmdecken beschäftigt. Die ohne­dies nicht hohen Alfordpreise wurden bisher von den Fabrikanten in der geschäftsstillen Zeit gern nach Willkür niedriger angesetzt. Die einzelnen Frauen wagten nicht, dagegen aufzutreten. Die Unternehmer konnten ja leicht die eine Heimarbeiterin gegen die andere ausspielen. Das wurde anders, als der Verband sich dieser Ausgebeuteten annehmen konnte und dadurch die Lieferpreise allen beteiligten Arbeiterinnen bekannt wurden. Durch gemein­sames Vorgehen war es nun möglich, die Preise für die verschie­denen Arbeiten auf zwei Jahre tariflich festzulegen. Die dabei erzielte Lohnerhöhung schwankt zwischen 5 und 25 Prozent der früheren Säße. Dazu kommt ein weiterer Vorteil. Bisher war das sogenannte" Dämpfen" der Stoffe Sache der Arbeiterinnen, wurde in der Wohnung vorgenommen und nicht besonders be­zahlt. Nunmehr hat es der Fabrikant zu übernehmen oder sonst mit 10 Pf. pro Dußend besonders zu vergüten. Der neue Tarif sieht für das Nähen der Decken Preise vor, die pro Dutzend zwi­schen 55 Pf. für festkantige Gloria- und Halbscide und 75 Pf. für Weltseide mit Säumen und festkantige reine Seide schwanken. Das Aufheften bringt bei letterer Sorte 2,30 Mt., bei den son­