Nr. 17

Die Gleichheit

walt anwenden und können wieder Gewalt anwenden müssen. Es gibt Zeiten, wo nur physische Kraft die Macht eines Bedrückers brechen kann. Aber wir haben keinen Grund zur Gewalt gegen das Volk, das unsere Brüder und Schwestern umfaßt, ob sie nun un­serem eigenen Lande oder einem anderen angehören. Wir können den Gedanken nicht ertragen, daß wir sie bekämpfen sollen, um dem Ruhme oder dem Geldbeutel der Kapitalisten zu dienen.

Frauen insbesondere, deren eigenste Aufgabe es ist, Leben zu gebären, können nicht ihre Söhne aussenden, um auf Befehl eines Herrschers hin anderer Frauen Söhne zu töten. In England wird den arbeitenden Frauen das Grauenhafte eines solchen Tuns immer flarer. Ich möchte Ihnen gerne ein Beispiel dafür geben. Vor furzer Zeit hatten wir unsere Jahresversammlung der Liga für die Frauen der Arbeiterklasse( Women's Labour League). Viele wichtige Dinge standen auf der Tagesordnung, Gegenstände tiefen Interesses für die arbeitenden Frauen in ihrem alltäglichen Leben, wie zum Beispiel die Arbeitslosigkeit, die Lebensmittelteuerung, die Kinderfürsorge, und zwischen dem allen stand auch die Kriegs­frage. Die Gruppen wurden aufgefordert, darüber abzustimmen, was zuerst diskutiert werden sollte, und mit überwältigender Mehrheit beschlossen sie, an erste Stelle die Resolution über den Krieg zu setzen. Niemand, der die Engländer und vor allem die englischen Arbeiterinnen kennt, kann sie zeihen, doktrinär zu sein. Unser englischer Sozialismus fnüpft an die praktischen Angelegen­heiten des Alltagslebens an, und weil wir wissen, daß die Frage: Krieg und Frieden eine praktische ist, die jeden Proletarier an­geht, ob Mann oder Frau, darum haben wir beschlossen, gleich zu Anfang unserer Konferenz unseren Haß gegen den Krieg zum Ausdruck zu bringen und unseren Wunsch, ihn zu verhindern.

Wir können den Krieg verhindern, Genossinnen und Genossen, wenn wir nur stark und einig sind, und niemand anders kann cs. Die Kapitalisten sind jetzt stark und reich. Die Waffenfabriken haben sogar ihre eigene internationale Organisation. Aber wenn wir in allen Ländern das arbeitende Volk in seiner Gesamtheit auf unsere Seite bringen können, indem wir es aufklären und organisieren für die Sache des Friedens, so werden wir die Stär­keren sein. Es ist eine große Aufgabe, die vor uns liegt. Die Prole­tarier in allen Ländern müssen sich klar machen, daß ihre Feinde nicht die anderen Proletarier sind, die jenseits einer Grenze leben und zufällig eine andere Sprache sprechen, sondern alle Unter­drücker und Thrannen, ob sie nun in ihrem eigenen Vaterland wohnen oder in irgendeinem anderen Staate. Die Proletarier wer­den dann erfüllt sein von dem Geiste internationaler Solidarität, wie wir ihn verstehen, die wir Sozialisten sind. Und alle werden einander die Hände reichen können, wie wir das in unseren inter­nationalen Versammlungen und Tagungen. tun und werden zu­sammen rufen:

Hoch der Sozialismus! Es lebe die Internationale!

Aus der Bewegung.

( Schluß folgt.)

Von der Agitation. Auch in Ostpreußen  , einem Paradies der Junker, die mit Hilfe von Armut, Unbildung und Alkohol ihre Herrschaft zu halten suchen, hat die rote Woche einen schönen Er­folg gebracht. Die Parteileitung in Königsberg   hatte in folgenden Orten Versammlungen veranstaltet, in denen die Unterzeichnete referierte: Königsberg  , Heidekrug, Juditten, Tilsit, Nagnit, Memel  , Schmelz und Wehlau  . In Königsberg   mit seiner sehr guten Frauenbewegung wurde der Frauentag zu einer imposanten Kundgebung. über 1300 Frauen füllten den großen Saal. Ge= nossin Hartung eröffnete die Versammlung mit dem Hinweis auf den internationalen Charakter des Frauentags. Der Vortrag begründete die Forderung des Frauenwahlrechts. Die Nervosität des überwachenden Polizeileutnants führte wegen eines falschen Zungenschlags über unseren beliebten Reichskanzler zu einer Unterbrechung des Referats. Die Drohung, daß die Versammlung aufgelöst werden solle, erzeugte begreifliche Erregung. Das staats­retterische Auftreten des Herrn konnte weder den stürmischen Bei­fall noch 60 Neuaufnahmen für die Partei verhindern. Außer der Frauentagsresolution wurde noch einstimmig eine Sympathiekund­gebung für Genossin Luxemburg   angenommen. Sie lautet:

" Die heute zur Frauenwahlrechtsversammlung versammelten Frauen und Mädchen Königsbergs erheben Protest gegen das rechtlich verfehlte und nur aus der Klassenbefangenheit bürger­licher Richter begreifliche Urteil der Frankfurter   Straffammer über unsere Genossin Rosa Luxemburg  . Boll Stolz über unsere kühne Vorkämpferin bekennen sich die Versammelten uneinge­schränkt zu den von ihr bekundeten Ansichten. Sie haben mit ihr

263

die Überzeugung, daß Kriege eine barbarische, tief unsittliche und volksfeindliche Erscheinung sind und durch den Unwillen des Volkes unmöglich gemacht werden müssen. Sie geloben daher, in diesem Sinne als Mütter und Erzieherinnen im Hause wie als Kämpfe­rinnen im öffentlichen Leben unausgesetzt zu wirken und die Kul­turschädlichkeit des Militarismus, den der Staatsanwalt als Lebensnerv des heutigen Klassenstaats bezeichnet hat, an den Branger zu stellen. Sie sprechen der Genossin Luxemburg  , der von allen Volksfeinden gefürchteten erfolggekrönten Bannerträgerin unserer sozialistischen Ideale, begeisterte Zustimmung und wärm­ften Dank aus für ihre opfervolle Lebensarbeit im Dienste des Befreiungskampfes des arbeitenden Volkes."

Der Gesangverein Vorwärts" ließ dem Vortrag ein prächtiges Lied folgen, wie er ihm ein solches vorausgeschickt hatte. Die Ver­anstaltung schloß mit anfeuernden Worten der Genossin Hartung. Wir hoffen, daß sie alle angespornt hat, unermüdlich dafür tätig zu sein, daß die Organisation des kämpfenden Proletariats wächst und erstarkt. Die Versammlungen in Heidekrug und Ju­ditten waren infolge des Wetters schlecht besucht. Genossin Week ermahnte in der Diskussion die Frauen zur freudigen Mit­arbeit. Trotz Schneesturm und Hagel nahmen an der Veranstal= tung in Tilsit   400 Personen teil. Hier zeigten sich die Früchte einer guten Voragitation. Es war eine Freude, zu den gespannt lauschenden Frauen zu sprechen, denen die Begeisterung für den Sozialismus aus den Augen strahlte. Genosse Wolff gab seiner Befriedigung Ausdruck, daß nun durch die neugeworbenen Mit­glieder in Tilsit   das erste Tausend politisch Organisierter über­schritten sei. In Ragnit   bewies der Versammlungsbesuch deut­lich, wie aufrüttelnd die gegenwärtige Lage auf die Arbeiterklasse wirkt, ganz besonders auf die Frauen. An der äußersten Spike Ostpreußens  , in Memel   und Schmelz  , war wohl manche Frau zum erstenmal in eine Versammlung gekommen. Daß sich hier für die Armsten eine neue Welt des Hoffens auftat, ließ die freu= bige Stimmung erkennen, die unsere Veranstaltung beseelte. Die Mahnung, den Alkohol zu meiden, fand ein starkes Echo. Für die letzte Versammlung in Wehla u hatte das konservative Tagblatt der Stadt unserer Agitation gute Dienste geleistet. Es hatte nach allerlei törichtem Geschreibsel gemahnt: Darum, ihr Arbeiter und Frauen von Wehlau   und Umgegend, drückt die Hand auf den Geldbeutel und schickt am nächsten Sonntag eure Obergenossen, die euch doch nur für dumm halten, auch auf den Mond mitsamt den Genossinnen, die euch den Unsinn vom Frauenwahlrecht pre­digen wollen." Unser Parteiorgan hatte daraufhin den Verfasser der Notiz aufgefordert, seine Sache in der Versammlung zu ver­treten und vollste Redefreiheit zugesichert. Wer nicht erschien, das war der Herr. Kopf an Kopf gedrängt standen aber die Ausgebeu­teten, Frauen und Männer, in der Versammlung. Durch häufiges Nicken gaben sie ihre Zustimmung zu erkennen. Die Vortragende berücksichtigte bei ihren Ausführungen ganz besonders die jammer­volle Lage der Landarbeiterinnen. Sie schilderte die Folgen ihrer langen täglichen Arbeitsfron und des geringen Lohnes von 1 bis 1,20 Mt. pro Tag. Sie zeigte an Tatsachen, daß auch die Kinder den Reichtum der Junker mehren müssen. Von 1 Uhr mittags bis abends 7 Uhr kann man die kleinen bei schwerer Landarbeit an­treffen, beim Mistkarren, Pflanzen, Jäten usw. Ihr Lohn ist ganz erbärmlich. Den Eltern wird die Entlassung angedroht, wenn sie ihre Kinder nicht zur Arbeit mitbringen. Echt ostelbisch! Wer die vollständige Abhängigkeit der Landarbeiterschaft in Ostpreußen  kennt, kann auch verstehen, daß hier unsere Bewegung nur lang= sam fortschreitet. Oft sind Männer gezwungen, ihre Stimme bei den Wahlen dem konservativen Junker und Ausbeuter zu geben. Der Schnaps spielt als Mittel zur Unterwerfung der Habenichise eine große Rolle. Dank der unermüdlichen Aufklärungsarbeit unserer tätigen Genossen und Genossinnen beginnt troß alledemt die Landarbeiterschaft zu erwachen. Die hart Ausgebeuteten und Ent­rechteten kommen zum Klassenbewußtsein. Der Sozialismus gibt ihnen neue, hohe Lebenshoffnungen. Sie erkennen die Macht, die in der Organisation liegt. Mehr als 300 Parteimitglieder wurden in den Versammlungen gewonnen. Überall fand unsere Tages­presse und die Gleichheit" neue Abonnenten. An der Partei­leitung in Königsberg   wird es nun liegen, das Gewonnene zu be­haupten, das Interesse der Neuorganisierten wachzuhalten, ihre Erkenntnis zu festigen und zu klären, damit sie mit ganzer Kraft dem Sozialismus dienen. Martha Demmning. Ferienausflüge der Volksschüler in Braunschweig  . Es ist nicht nur das Brot, das den Proletarierkindern fehlt, nicht nur die gesunde Lagerstatt, die ausreichende Kleidung. Was ihr Schicksal fast noch beklagenswerter macht und für ihre Zukunft eine ganze Reihe schwerer Gefahren in sich birgt, das ist ihre Verlassenheit.