Nr. 11
Die Gleichheit
wäre die Produktion in der Form der Lohnsflaverei erfolgt. Aber es wären wenigstens bürgerliche soziale Maßnahmen größeren Stils gewesen, die segensreich gewirkt hätten. Indessen der Staat kann sich auch während des Krieges, ja dann erst recht, dem Einfluß fleiner aber mächtiger Gruppen von Besitzenden nicht entziehen.
Die Anarchie und die skrupellose Spekulation dauerten denn auch fort. Die Höchstpreise wie das Verbot der Verfütterung von Brotgetreide wurden umgangen. Durch bloßes Reglementieren, Verbieten, Befehlen läßt sich auf sozialwirtschaftlichem Gebiet wenig erreichen.
Daher sah sich die Regierung schließlich gezwungen, zur Enteignung der noch vorhandenen Vorräte an Korn und Mehl zu schreiten.
Aber auch in anderer Hinsicht ist die Versäummis schädlich. Man stellt jetzt plötzlich die Kommunalverwaltungen vor die Riesenaufgabe, die Getreidevorräte aufzukaufen, für die Aufspeicherung, für die Verteilung des Getreides an die Mühlen und des Mehles an die Bäcker zu sorgen, außerdem Fleisch aufzukaufen und zu konservieren. Der Apparat, den der Handel hier geschaffen hat, ist überaus kompliziert, das Getreide geht durch die Hände verschiedener Zwischenhändler, ehe es an den Müller, das Mehl, che es an den Bäcker gelangt, und der Kredit spielt dabei eine große Rolle. Es wird abzuwarten sein, ob sich die Kommunalverwaltungen der Aufgabe gewachsen zeigen, aber es ist leicht abzusehen, daß es zu manchen Fehlgriffen kommen muß, eben weil die Aufgabe so plötzlich gestellt ist. Im August, als das Getreide noch zumeist bei den Landwirten lagerte, wäre die Regelung jedenfalls viel leichter gewesen.
Soweit die Vorräte an Brotkorn reichen, werden sie nun zu dem bisherigen, allerdings sehr hohen Preise verkauft werden. In der sozialdemokratischen Presse machte ein Artikel die Runde, in dem ausgeführt wurde, die Beschlagnahme der Vorräte bedeute Brot für alle".
Es kommt darauf an, daß auf dem Wege der Kommunalpolitik mit ganz anderer Energie als bisher versucht wird, der Arbeitslosigkeit zu steuern, damit die Zahl jener, die es nicht können, möglichst gering bleibt.
Aber auch eine andere Aufgabe entsteht: soll an Brot gespart werden, so muß dafür gesorgt werden, daß auch andere Nahrungsmittel möglichst ausgiebig produziert werden. Hier läßt sich manches erreichen, wenn der Gemüsebau mit allen Mitteln gefördert wird. Gerade die Monate vor der Ernte sind gewöhnlich die Zeit, in der es der sorgsamen Hausfrau am schwersten wird, den Tisch zu bestellen. Für diese Zeit gilt es vorzusorgen mit allen verfügbaren Mitteln. Auf dem Lande gilt es, den Anbau von Frühkartoffeln auszudehnen; ferner gilt es, den Gartenbau zu pflegen, da besonders der Gemüsebau, für den sich viele Gegenden Süd- und Westdeutschlands eignen, arg vernachlässigt ist; selbst die Verteilung von Parzellen, die als Baugrund in den Großstädten brachliegen, an Arbeiterfamilien kann hier von einigem Nuzen sein. Dazu bedarf es freilich weitausgreifender und wohldurchdachter Drganisation, denn es muß betont werden, daß gerade heuer die Frühjahrsbestellung infolge des Mangels an Arbeitsvieh sich schwerer gestalten wird als in normalen Zeiten. Wir wollen sehen, ob wenigstens jetzt die Zeit wahrgenommen wird für diese Aufgaben, ehe es zu spät ist.
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nahmslos einen guten Besuch. Tausende von Frauen kamen, um in ihrer großen leiblichen und geistigen Not Nat und Hilfe, Trost, Mut und Hoffnung zu finden. Es handelt sich dabei nicht nur um Schweizerfrauen, deren Männer oder Söhne zum Schuße des neutralen Landes an der Grenze mobilisiert sind, sondern auch um Tausende von Frauendarunter viele gebürtige Schweizerinnen, deren Männer oder Söhne als Deutsche, Österreicher, Italiener, Franzosen, Russen usw. im ausländischen Militär- und Kriegsdienst stehen. Monatelang erfahren diese Frauen oft nichts über das Schicksal ihrer Lieben und sind deshalb allein schon in gedrückter und verzweiflungsvoller Stimmung. Dazu gesellt sich noch recht häufig tägliche Not und Entbehrung, weil die Militärunterstützung meist bescheiden, ja unzulänglich ist. Man bedenke ferner, daß es zahlreiche Proletarierinnen gibt, deren Männer wohl daheim, aber seit langem gänzlich oder teilweise arbeitslos find, so daß die Familien in vielen Fällen Notstands- und entehrende Armenunterstügung in Anspruch nehmen müssen. Die Arbeiterorganisationen haben getan, was sie konnten, um der Not zu steuern. Sie gründeten eigene lokale Notstandskommissionen und eine zentrale Notstandskommission der organisierten Arbeiterschaft der ganzen Schweiz , sie suchten die öffentlichen Gewalten zu gründlicher sozialer Fürsorge voranzutreiben. Tatkräftig griffen sie ein und standen den Frauen mit Rat und Tat zur Seite. Die lokalen Arbeitersekretariate und Gewerkschaften wirkten in gleicher Weise. So haben die organisierten Arbeiter für die bedrängten Frauen viel Gutes geschaffen, und ihre Leistungen haben zum guten Besuch der Versammlungen beigetragen, in denen die Zeitumstände erörtert wurden.
Die Frauen bildeten immer ein aufmerksames Versammlungspublikum. Natürlich wurden sie im Geiste des Sozialismus über die Ursachen des furchtbaren Völkerkrieges aufgeklärt wie über die einzige Bürgschaft zukünftigen Friedens: die treue, unverbrüchliche Solidarität der Arbeiter aller Länder, die Aufrichtung der sozialistischen Ordnung. An der Verwirklichung dieses Ideals hat die große Masse des arbeitenden Volkes das stärkste Interesse, denn es muß im Kriege die größten Opfer an Gesundheit, Leben und bescheidenem Glück bringen, eine unermeßliche Summe von Leiden und Nöten erdulden.
Ende Januar sprach unsere bewährte Vorfämpferin Genossin Balabanoff aus Mailand in den sechs Städten St. Gallen, Arbon , Winterthur , Zürich , Baden und Basel in stark besuchten Versammlungen über„ Der Krieg und die Frauen" und" Krieg und Frieden". Ihre Ausführungen kamen aus vollem Herzen und drangen zu aller Herzen. Sie waren vom höchsten Idealismus, von hingebungsvoller Liebe für das ganze Menschengeschlecht erfüllt, und lösten nicht bloß stürmischen Beifall der zahlreichen Zuhörerschaft aus, sondern hinterließen einen tiefen, nachhaltigen Eindruck. Wir bedauern, daß das geltende Kriegsrecht es unmöglich macht, den gedankenreichen Vortrag hier auch nur in großen Zügen wiederzugeben. Genossin Balabanoff bemerkte einleitend, daß die Kunst mit Vorliebe das tiefste Leid durch eine trauernde Mutter dargestellt hat, die den Verlust ihres Kindes beklage. Eine einzelne Figur genüge aber nicht mehr zur Darstellung des unendlichen Jammers, den der traurige Weltkrieg für Millionen gebracht habe. Am härtesten würden die proletarischen Mütter getroffen, die in ihrer millionenköpfigen Gesamtzahl schon im Frieden die Schönheit des Lebens, Glück und Freiheit kaum kennen lernten. Nun dauert der Krieg schon gegen 200 Tage; was haben in so vielen
Seit Kriegsbeginn, also während den verflossenen sechs Monaten, haben in der Schweiz an zahlreichen Orten, in gröBeren und kleineren Städten sozialdemokratische Frauenversammlungen stattgefunden, die von den Arbeiterinnenvereinen, den lokalen Arbeiterunionen oder den Bildungsausschüssen einberufen worden waren. Sie hatten wohl aus
liebe werde von Kirche und Dichtkunst als das Heiligste gepriesen. Allein ohne Rücksicht auf sie hat die erstere den Krieg nicht verhindert, und die andere verherrlicht ihn. Genossin Balabanoff deckte dann als überzeugte Sozialistin den unversöhnlichen Gegensatz auf zwischen den kapitalistischen Weltmachtskriegen und dem Ideal des Sozialismus. Sie kritisierte die verwirrende und zerstörende Rückwirkung des Völker