Nr. 6

Die Gleichheit

Partei ihrer annimmt, beweisen, daß in den verschiedenen krieg­führenden Ländern, hüben wie drüben, gleiche Ursachen zu gleichen Folgen führen.

Ein Zeichen der Zeit. In der französischen   Bartei wie in den Gewerkschaften ist der Sozialpatriotismus am Ruder. Es gibt in Frankreich   keine Opposition, erklärte der Parteisekretär Debreuilh neulich stolz. Inzwischen hat er wohl wieder umlernen müssen. Denn die Opposition fängt an, den Herren nachgerade ungemütlich zu werden. Noch schlimmer: sie läßt sich nicht mehr totschweigen. So hatte man versucht, zwei ihren Gesinnungen trengebliebene Mitarbeiter der Bataille Syndicaliste" in aller Stille abzuwürgen. Man hatte ihre von international proletarischem Geiste getragenen Artikel zunächst nur zurückgewiesen, später sie so ziemlich vollkommen boykottiert. Eine Beschwerde an den Verwaltungsrat der Zeitung erhielt keine Antwort. Als dann beiden Genossen die Sache zu dumm wurde, traten sie aus der Redaktion aus. Wenige Wochen später, Ende September, fand eine Aktionärversammlung der Ba­taille Syndicaliste" statt. Die Aktionäre sind meist Vertreter von Gewerkschaften, die das Blatt gründeten. Und da geschah etwas Bes merkenswertes. Die Aktionäre sprachen den ausgetretenen über­zeugungstreuen Genossen ihr Vertrauen aus, ihr Mißfallen aber dem Verwaltungsrat, der in seiner Mehrheit auf dem Boden der Durchhalte und Burgfriedenspolitik steht. Zwar ließ man es in der Redaktion des Blattes noch beim alten, aber der Vorgang be= weist, daß den Sozialpatrioten in Frankreich   der Boden unter den Füßen zu schwinden beginnt. Inzwischen ist das Blatt eingegangen. Ein französischer Abgeordneter gegen den Krieg. Der Avanti" beröffentlicht in einem Bericht aus Zürich   die Antwort des sozia­ listischen   Abgeordneten der Jsere, Raffin- Dugen&, auf einem Fragebogen des Avvenire del Lavoratore". Raffin- Dugens hält eine möglichst baldige Versammlung der Internationale für drin­gend notwendig zur Annäherung der sozialistischen   Parteien der friegführenden Länder, damit die Regierungen veranlaßt werden, dem Friedenswunsche der Arbeiterwelt Rechnung zu tragen. Ein Fehler war, daß am 14. Februar eine Versammlung nicht im Haag oder in Bern  , sondern in London   unter Ausschluß Deutschlands  und Österreichs   stattgefunden hat.... Man ruft: Krieg bis zur Erschöpfung." Aber die Erschöpfung der einen wird nicht ohne die der anderen eintreten, da kein Teil so siegen wird, daß er seinen Willen dem Gegner aufzwingen kann. Man wird auf den Status­quo vom 3. August 1914 zurückkehren, und alles Blut wird umsonst geflossen sein.

Der Schweizer   Parteitag ist am Samstag, den 20. November in Aarau   zusammengetreten. Den Hauptteil der Beratungen füllten die Beratungen über Neuorganisation der Partei, in der bisher die Grütlianer eine selbständige Stellung einnahmen. Mit überwältigen­der Mehrheit wurde die Neuorganisation beschlossen. Auch zur inter­nationalen sozialistischen   Friedensbewegung nahm der Parteitag Stellung. Mit 330 gegen nur 51 Stimmen wurde, entgegen dem Antrag der Geschäftsleitung, die Zimmerwalder Konferenz be= grüßt und ihren Beschlüssen zugestimmt. Der Parteitag gelobte, die von ihr angestrebte Aktion ideell und materiell zu unterstützen. Allen Genossen in den friegführenden Ländern, die den Grundsägen der Internationale treu geblieben sind, sprach der Schweizer   Parteitag seine herzliche Sympathie aus. Ein ausführlicher Bericht folgt in der nächsten Nummer.

Eine neuerliche klare und kraftvolle Bekundung der inter­nationalen sozialistischen   Gesinnung unserer schweizerischen Genofsinnen ist durch das Vorgehen des Gemeinnüßigen Frauenvereins veranlaßt worden. Diese bürgerliche Orga­nisation ergriff die Initiative zur Sammlung einer nationa len Frauenspende, deren Ergebnis zu der Kostendeckung der Mobilisation beitragen soll. Der Zentralvorstand des schweizerischen Arbeiterinnenverbandes hat dazu in einem Aufruf Stellung genommen, der frisch und entschieden den Grundsatz des Klaffengegensatzes zum Ausdruck bringt, ebenso wie eine scharfe Absage an jede chauvinistische Strömung, die den Militarismus begünstigt. Der Aufruf lautet:

" An die Arbeiterfrauen und-mädchen! Die Sammlerinnen des Gemeinnützigen Frauenvereins der Schweiz   werden in den näch­sten Tagen an die Pforten aller Schweizerfrauen Klopfen, um eine nationale Frauenspende, deren Ertrag die Kosten der Mobilisation decken helfen soll, zu äufnen. Die bürgerlichen Frauen sind hier so weitherzig, auch von euch, ihr Arbeiterfrauen, ein Opfer zu fordern. Was gedenkt ihr ihnen zu antworten, ihr klassenbewußten Arbeiterinnen?

Ihr sagt ihnen: Die Opfer, welche uns der Weltkrieg auferlegt, find so groß, daß wir längst an der Grenze unserer Leistungsfähig­

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feit angelangt find. Wir ließen unsere Männer und Söhne an die Grenze ziehen und sahen den Hunger bei uns einziehen! Die Wehrunterstüßung wurde uns nur verabfolgt, wenn wir buchstäb­lich am Bettelstab waren, fie reichte nur, die allerbescheidensten Lebensanforderungen zu decken. Die Löhne für unsere Arbeit wur­den überall reduziert. Man stellte uns auf die Straße, wenn wir uns nicht mit einem ganz bescheidenen Lohn für Bureauarbeit, Heimarbeit oder Fabrikarbeit begnügten. Die Arbeitskraft der Butzfrau, der Waschfrau, des Dienstmädchens wurde nicht begehrt, wenn sie nicht beinahe verschenkt wurde. Täglich, stündlich sagen uns die bleichen Mienen der Angehörigen, daß die Ernährung bei der heutigen Teuerung eine ungenügende fei, welche Siechtum und Krankheit im Gefolge haben wird.

Unsere Männer, Brüder und Söhne kamen vom Grenzdienst zu­rüd voller Erbitterung gegen das herrschende System, das den Bürger im Wehrkleid nicht mehr achtet. Sie tamen zurück voll In­grimm über die Mobilisation, die benüßt wird, um aus dem Miliz­heer ein stehendes Heer zu machen; sie kehrten zurück mit der über­zeugung, daß der Grenzdienst mit dem halben Aufgebot an wehr­fähigen Männern hätte durchgeführt werden können.

Wir flaffenbewußten Arbeiterinnen arbeiten für den Frieden, für einen dauernden Frieden; für den ist uns kein Opfer zu groß! Wir bekämpfen den Urheber des Krieges, den Kapitalismus, den internationalen Feind, auf internationaler Grundlage. Wir be= tämpfen die nationalistische Jugendverhebung. Wir helfen nicht mit, durch nationale Betonung in Erziehungsprinzipien unsere Jugend noch mehr zu berhezzen, daß die Erziehung zum freien Weltbürger unmöglich wird!

Wir helfen nicht mit, durch nationale Samm­Iungen den Militarismus zu stärken. Arbeitergeld darf nicht verwendet werden, um die befizenden Klassen von der Pflicht der Steuerzahlung zu befreien oder zu entlasten.

Wir bedauern, daß der ungeheure Weltkrieg einem Großteil der Schweizerfrauen Veranlassung gibt, das Nationale immer wieder zu betonen, das Nationale in den Vordergrund zu stellen und da­durch den Boden zu stärken für weitere Bölferverhebung.

Der Zentralvorstand der schweizerischen Arbeiterinnenvereine ruft deshalb allen Sozialistinnen zu: Klärt eure Nebenarbeite­rinnen, klärt die Arbeiterfrauen auf! Reine nationale Frauenspende zur Stärkung des Militarismus! Schließt die Taschen! Arbeitet überall für Aufklärung und Er­ziehung zum freien Weltbürger. Krieg dem Kriege! 8ürich, im Oktober 1915.

Zentralvorstand des Arbeiterinnenverbandes. Eine Erklärung der rumänischen Sozialdemokratie. Zu der Zahl der offiziellen Parteien, die ihre Zustimmung zu den Zimmerwalder Beschlüssen ausgesprochen haben, ist die ru mänische Sozialdemokratie, die übrigens an der Konferenz durch den Genossen Dr. Racobsty vertreten war, gekommen. Die Inter­nationale sozialistische Kommission zu Bern   erhielt dieser Tage folgende Depesche:

Der vierte Kongreß der sozialdemokratischen Partei Rumäniens  spricht seine Zustimmung zu den Beschlüssen der Zimmerwalder Konferenz gegen den Krieg und für den Triumph des internationalen Sozialismus aus und verspricht der Internationalen sozialistischen Kommission zu Bern   seine moralische und materielle Unterstützung. Der Präsident: Marinescu."

Sozialistische Frauenbewegung im Ausland. Von der österreichischen Arbeiterinnenbewegung. Die Ge­noffinnen in Österreich   haben während der ganzen Dauer des Krieges ihren Mut nicht sinken lassen, sie haben den Glauben nicht verloren, daß nur durch den Zusammenschluß aller Unter­drückten die Gewähr für eine bessere Zukunft gegeben ist. Trok allem, was der Krieg über das Proletariat gebracht hat, ist ihre Überzeugungstreue aufrecht geblieben, die darin gipfelt, daß der Sozialismus endlich doch der siegreiche überwinder von allem sein wird, was das Proletariat als unwürdig empfindet. Gewiß, die ersten Monate des Krieges haben zu einer argen Erschütterung der Organisationen geführt, das Ende aller Dinge schien vielen gekom­men zu sein. Dann aber begannen die Genoffinnen, angefeuert bom Frauenreichskomitee, sich wieder zu regen. Dies geschah mit gutem Erfolg. Wenn auch nicht alle, die wir zu unseren Parteige­nossinnen zählen, wieder in Reih' und Glied stehen, so sind doch die Organisationen zum großen Teil wieder gefestigt, und mit immer wieder erneutem Gifer gehen die Genoffinnen ans Werk, die Ar­beit des Friedens auch im Kriege fortzusetzen. Ihren Stükpunkt fanden diese Bemühungen in einer Frauenkonferenz, die für das