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Die Gleichheit

Scharen zuzuführen. Das heißt: für den Frieden arbeiten und den Krieg bekämpfen. Hierfür wollen wir Kampfgenossinnen werben, jeder an seinem Plazz. Nicht Tränine geftalten eine neue Welt, sondern die Tat, die aus heiliger Sehnsucht geboren ward.

Mit Blut, o Männer Itillt das Blut man nicht. Es willen alle, die im Kampf ergrauten, Wie gleich dem Samen, der die Scholle bricht, Aus blutgetränktem Erdreich zum Gefechte Zwiefältig auferitehn die finftern Mächte! Laßt uns der Völker Jammer einmal enden, Und ſtaft zu rächen unferes Feindes Tat, Laßt uns fein herz zu befl'rer Einlicht wenden, Ein heil'ges Bündnis knüpfte Staat an Staat. Das Reich des ew'gen Friedens laßt uns schaffen, Die Welt   bezwingen mit der Liebe Waffen! J. v. Widmann

Der Weg zum Volksstaat

Von Carl Diesel

( Fortlegung)

Nr. 34

nen möglich war; es war die Möglichkeit gegeben, in den ersten Tagen der Revolution bereits die Geister in bestimmte Richtungen zu weisen, aber da fiel auch schon wieder der Schleier und die alte Politik der Lüge, der qualvollen Un­die Politik, die Völker gewißheit begann aufs neue,- zur Verzweiflung bringen muß.

( Fortsetzung folgt)

Die Internationale des Geistes

Von Roja Schwann Schneider.

Treitschte und Bernhardi wurden so oft als Vertreter des nationalen oder besser nationalistischen Deutschland   genannt und aitiert, daß man in Versuchung fommt, zu glauben, in Deutschland  feien immer nur nationale Gedanken und Jdeale vertreten worden. Es ist daher wichtig, auf jene Geiftesgrößen deutscher Zunge Hinzuweisen, die den Gedanken des Internationalismus, der Weltverbrüderung vertraten. Solche Aussprüche sind uns zu meist mit Abficht vorenthalten worden.

Beginnen wir mit Ierauder von Humboldt aur. Rassenfrage. Er sagt: Indem wir die Einheit des Menschen­geschlechtes behaupten, widerstreben wir auch jeder unerfreu lichen Annahme von höheren und niederen Menschenrassen. Alle Boltsstämme find gleich zur Freiheit bestimmt. Das Höchste ift die Jdee der Menschlichkeit, das Bestreben, die Grenzen einseitiger Ansichten aller Art aufzuheben und die gesamte Menschheit als einen großen Stomm zu betrachten."

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Herder   läßt in seiner Epistel: Der deutsche National ruhm" fragen: Shakespeare  , Homer   und Ossian   und Raphael find doch wohl Nationalruhm?" Und die Antwort lautet: ,, Mit nichten! Dem Menschengeift gehören sie und nicht der Nation." Und in feinen Briefen zur Förderung der Humanität jagt er: Der ländererobernde Heldengeist ist ein Würgengel der Menschheit und der Krieg ein unmenschliches, mehr als tierisches Beginnen. Alle edlen Menschen sollten diese Gesinnung mit warmem Menschengefühl ausbreiten, Väter und Mütter ihre Gr. jahrungen darüber den Kindern einflößen, damit das fürchterliche Wert: Krieg, das man so leicht ausspricht, den Menschen ver­haßt werde."

An diesem Punkte steht das, offizielle Frankreich   der Gegenwart, und seine großen Chauvinisten fun, wie die Chauvinisten eines jeden Landes, kraftvoll das ihre, um den Ruhm la gloire- Frankreichs   durch leberspannung aller Begriffe und Mittel lächerlich und unmöglich zur machen. Aber schon ist allem Anschein nach ein neuer, wahrhaftigerer Ruhm im Aufstieg, wie ich bereits andeutete; eine von innen her wirkende Krise ist im Anzuge, die sich unter glücklichen Umständen zu einer unerhörten Revolution des Geistes aus­wachsen kann und deren Wirkungsgebiet schwerlich Frankreich  allein umfassen wird. Wie lose oder wie innig sich der Zu­fammenhang mit der politischen Umwälzung gestalten wird, das zu mutmaßen fann unterbleiben, und ebenso spielt es im Augenblid keine Rolle, zu erfahren, wodurch die Auslösung hervorgerufen wird und von welcher Seite aus überhaupt die eigentliche Anregung und Förderung zu positiver Tat erfolgt. Deutschland  , noch erstarrt und im Banne der Hypnose einer geist- und seelenlosen Regierung, der es sich als foirtschaft lich und technisch ungeniein rasch fortschreitendes Bolf nnr allzuwillig unterordnete, Deutschland  , noch in einem zu stande der Haltlosigkeit des Schwankens, des Nichtbegreifen­könnens und der Gleichgültigkeit, Deutschland  , noch be­lastet mit den Trümmern eines Systems, das ohnehin zum größten Teil erst in der äußeren Form überwunden worden ist, es befißt noch nicht ge­nügend geistig- seelische Geltungskraft, um derartig auf Hohl zum ewigen Frieden": Wenn es Pflicht, wenn zugleich gegrün heit, Banalität, Noheit und Dünfel gegründete Machtfaktoren zu stürzen, ihnen mächtige Wirkungen entgegenzustellen, die der inneren Geschlossenheit und dem heiligen Wollen seiner Seele entströmen.

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Wer an die Zeit zurücdenkt, da der Waffenstillstand zu­ftande tam, wird sich erinnern, daß nach Annahme der Be­dingungen durch Deutschland  , ebenso auch nach Annahme der Friedensbedingungen auf feiten der Entente Deutschland gegenüber mit geradezu erschreckender Ehrlichkeit gear­beitet wurde. Jeder Tag offeübarte Renes, jede Stunde ent­hüllte Kriegsziele und geheime Abmachungen, die bisher streng geheimgehalten worden waren und jetzt im leber­maß des Rausches frohlockend verkündet wurden. Und fast läßt es sich auf den Tag bestimmen, da wieder die diploma tische Geheimschieberei eingriff. Wenn auch diese Art der Ehrlichkeit" gewisse Grenzen nicht überschritt, wenn uns durch sie auch Dinge bekannt wurden, die zu unserem Wollen und Hoffen und zu unseren Idealen in einem unfagbar träffen Gegensatz standen, so kann doch gejagt werden, daß sie wohl­tuend wirkte, wohltuend nach einer Zeit der gehäuften Lüge, des bergehoch getürmten Schwindels. Man hatte dank dieser Ehrlichkeit" Faktoren, mit denen ein bestimmtes Rech­

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Schopenhauer fagt über den Nationalismus: Die wohlfeilste Art des Stolzes ist der Nationalstolz, denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigen­schaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greisen würde, was er mit vielen Millionen teilt. Wer beden­tende persönliche Vorzüge besigt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig bor Augen hat, am deut lichsten erkennen. Aber jeder erpärmiiche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein fönnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er angehört, stolz zu sein."

Spricht, sich dieser-temperamentvollste deutsche Philosoph auf diese Weise scharf und sarkastisch aus, so schreibt sein Gegenpol an Temperament,& ant, in seiner ruhigen, sachlichen Weise

dete Hoffnung vorhanden ist, den Zustand eines öffentlichen Rechis, obgleich nur in einer ins Unendliche fortschreitenden An­näherung wirklich zu machen, so ist der ewige Friede, der auf die bisher fälscheich so genannten Friedensschlüsse( eigentlich Waffenstillstände) folgt, feine leere Jdee, sondern eine Aufgabe, die nach und nach ausgelöst, ihrem Ziele beständig näherkommt." Und Goethe jagt einmal: Und wer franget oder britet, italienert per teutschet, einer will nur wie der andere, was die Eigenliebe heischet."

Nun mögen einige Stimmen aus dem Auslande folgen. Der Engländer Norman Angell   fragt in jeinem berühmten Buch: Die große Täuschung: Ist es nicht kindisch und primitiv, jich eine Kraft nur in der Gestalt abgefeuerter Kanonen oder vom Stapel gelaffener Dreadnoughts vorzustellen? Kraft ist in der Tai der Meister, aber es ist die Straft der Intelligenz, des Charakters und der Vernunft. Die Menschenrassen lieben Sol daten, gerade wie wir als Knaben Räuber und Piraten gern hatten, und viele von uns bleiben ihr ganzes Leben Knaben. Aber so sicher ist auch die Zeit gekommen, daß wir einsehen müffen, daß so wie wir einsehen lernen, daß wir feine Piraten werden können, Wenn der Staat sich als militärische Macht fortgesetzt erhalten will, jo geht er unter, wenn er blüht und seinen Teil des Weltgetriebes auf sich nimmt, dann läßt er das Militärwesen fahren."

wir dem Soldatentum entivachsen- sind.

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