Nr. 10

Die Gleichheit

Schuhimpfung( Boden, Typhus  , Cholera) hat also vorbeugenden Bert, sie dient der Berhinderung, der Prophylage der Kranthet, während die Einverleibung des Heilferums im wesentlichen da in Frage tommt, wo es gilt, einen durch das Bazillengift bereits Erfrankten zu retten.

Das Ideal der Hygiene muß natürlich die Krankheits. perhütung sein, sie ist viel wirksamer als die Behandlung der einmal ausgebrochenen Krankheit. In den meisten Fällen wird der Körper mit den Bazillen, die als Schmaroker in seine Säfte und Gewebe eingedrungen sind, fertig, besonders wenn er durch Stärkende Maßnahmen anderer Art, reichliche Ernährung, Kräfti gung des Herzens, darin unterstützt wird. In anderen Fällen aber unterliegt er in dem Kampf mit den übermächtig gewordenen Eindringlingen, tann sich ihrer Giftwirkung nicht erwehren und Stirbt: Zuweilen können wir das Heilserum auch verwenden, um bie Entstehung neuer Krankheitsfälle zu verhüten, etwa nener Diphtheriefälle in einer Familie; dann werden die andern Familien­mitglieder zum Schuß mit einer geringeren Menge des Heilferums geimpft, die immerhin ausreicht, bei ihnen in den nächsten Wochen den Krankheitsausbruch zu verhindern. In großem Stile ist die prophylaktische Anwendung des Heilserums im Kriege bei der Bekämpfung des und starr krampfes zu Ehren gefommen. Die Starrkrampfbazillen finden sich häufig in der Gartenerde, im Schmutz der Ställe und anderer dunkler Orte und können daher leicht durch verunreinigte Fremdförper( Granatfplitter, Kleidungs­feßen und dergl.) in den Körper gefangen und nun die scheuß liche Starrframpfinfektion hervorrufen, die fast immer zum Tode führt. Wenn man möglichst unmittelbar nach der Berwundung bas Starrframpf- heilferum einsprigt, fann man fast immer den Ausbruch der Krankheit verhüten. Davon ist im Kriege ausgiebig Gebrauch gemacht worden und damit dem verstorbenen Behring, der diese Berhältnisse zuerst im Liernerfuch studiert und die Wirk­famfeit des Starrframpfferums erprobt hat, ein neuer Ruhmes­franz geflochten worden.

Soziale Rundschau

Krantenfaffen und Wochenhilfe

Denjenigen Wöchnerinnen, die beim Infrafttreten der feiner zeitigen Aenderungen des Gesetzes über die Reichswochenhilfe im August 1921 und Januar 1922 Leistungen bereits bezogen, find Jeitens der Kranfenfassen die erhöhten Bezüge vem Lage des In­trafttretens der Neuerung an nicht ausbezahlt werden. Die For­berungen der Betreffenden sind vom Reichsversicherungsamt ab. gelehnt worden. Der Reichstag   hat nunmehr durch einen Gesez. entwurf beschlossen, daß diesen Wöchnerinnen der Fehlbetrag noch nachträglich auszuzahlen ist.*

Antrag auf Erhöhung der Erwerbslosenunterstützung

Die Vorstände des ADGB  . und des AfA- Bundes haben dem Reichsarbeitsminister einen Antrag auf weitere Erhöhung der Unterstüßungsfäße für Erwerbslose unterbreitet. Die letzte Er­höhung trat Mitte Februar d. I. in Kraft. Sie steigerte den Tages­Jazz in der höchsten Ortsklasse für Berheiratete auf 18,50 Mt., für Ledige auf 15 Mt. und für Männer unter 21 Jahren auf 10 Mr.; für Frauen betragen diese Säße 15, 10 oder 8 Mr. Durch die feit der letzten Erhöhung eingetretene weitere Geldentwertung sind biese Unterstützungssätze durchaus ungenügend geworden. Es ist zu erwarten, daß die Regierung dem Antrag auf Erhöhung baldigst austimmt.

Aus der Frauenbewegung des Auslandes

Das Frauenwahlrecht in Ungarn  

Mit Hilfe des weißen Terrors wurde im Jahre 1920 in Ungarn  eine unglaublich reaktionäre Nationalversammlung zustande ge­bracht. Wahl gab es Wahlgefehe schon vor der Revolution, aber burch die bekannten Ereignisse tam es bisher zu feiner Wahlbe­wegung, an der Arbeiter und Arbeiterinnen als Wahlberechtigte teilgenommen hätten. Die erste parlamentarische Körperschaft wurde nach dem Zusammenbruch der bolschemistischen Rätediktatur wohl mit Hilfe des weißen Terrors, dennoch aber auf Grund eines allgemeinen Wahlrechts auch für Frauen zusammengefeht. Die Wahlen zu tiefer Nationalversammlung, deren Mandate jetzt er­loschen sind, wurden jedoch von der Arbeiterschaft boykottiert. Als Kuriofum möge angeführt werden, daß dieser Nationalversamm­lung, wohl als abschreckendes Beispiel, eine einzige Frau angehörte, und zwar die christliche Missionsschwester Margarete Schlachta.

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Diese Dame forderte beispielsweise die Einführung der Prügelstrafe auch für die Frauen.

Es wäre die Aufgabe dieser konstituierenden Nationalversamm lung gewesen, ein Wahlgesetz zu schaffen. Dazu kam es aber nicht mehr, und so wurde nun eine neue Wahlreform von dem jetzigen Ministerpräsidenten Graf Bethlen auf dem Verordnungs­wege eingeführt. Zunächst muß nun festgestellt werden, daß diese Reform 1 300 000 Personen das Wahlrecht raubt, die es früher schon beseffen haben. Wahlberechtigt sind nur der allem Männer, die das 24. Lebensjahr erreicht haben, ein Zeugnis über den Be. such von vier Elementarschulklassen aufweisen fönnen, seit zehn Jahren Staatsbürger sind und zweijährige Seßhaftigkeit an einem Orte besigen.

Die Frauen fennten natürlich auch diesmal nicht mehr gänzlich übergangen werden, denn das Wahlrecht mußte ja einen euro päischen" Anstrich erhalten. Damit nun aber die Arbeiterin und namentlich der flaffenbewußte Teil der Arbeiterinnen in Rechtlosig feit verbleibt, wurde das Wahlrecht an falche Bedingungen ge fnüpft, daß nur der zurückgebliebene oder reaktionär denkende Teil der Arbeiterinnen zur Wahlurne gehen kann.

In bezug auf die Wahlberechtigung fönnen die Frauen in vier Kategorien geteilt werten. In die erste gehören jene, die das 30. Lebensjahr erreicht haben, 6 Volksschulklassen besuchten, feit 10 Jahren Staatsbürgerinnen sind und zweijährige Eeßhaftig feit besitzen. In die zweite Kategorie gehören jene Frauen, die wahlberechtigt werden, wenn sie vier Boltsschulklassen absol vierten, außerdem verheiratet und Mutter von 3 Kindern sind, oder von ihrem eigenen Vermögen leben, oder einen felbständigen Lebensunterhalt haben bzw. einen selbständigen Haushalt führen. In die dritte Gruppe gehören jene Frauen, die wahlberechtigt find auch unter 30 Jahren, sofern sie die Universität oder irgend eine andere Hochschule besucht haben.

Die vierte Kategorie besteht aus den Frauen, die von der Wahl­berechtigung ausgeschlossen sind.

Wer die kulturelle Rückständigkeit des Landes fennt, für den ist es flar, daß die größte Zahl der Frauen in diese. letzte Kategorie eingereiht werden. Denn es gibt ja unter den Arbeiterinnen nur sehr wenige, die die sechs Volksschulklassen besucht haben. In Betracht kommen also hauptsächlich die Arbeiterinnen der Städte, so daß dieses Wahlrecht der ersten Kategorie ein Wahlrecht der städtischen Frauen oder das Wahlrecht der ledigen Arbeiterinnen und Frauen ist.

Die Frauen der kleineren Städie und jene auf dem flachen Lande wünscht die Reform unter einem anderen Titel mit dem Wahlrecht zu beschenken. Hier genügen vier Bolksschulklassen, aber es wird dann eine fiftliche Lebensführung" erfordert( unfere Herren Grafen   find alle sehr sittlich). Es wird also gefordert, daß die Frau gesetzlich verheiratet und Mutter von drei lebenden Kin­dern fei. Das ist das Wahlrecht der Mütter und der verheirateten Frauen. Es genügt also bei weitem nicht, drei Kinder zur Welt gebracht zu haben, sondern die Frau muß gefeßlich verehelicht und es müssen drei Kinder auch am Leben fein. Diese Forderungen werden gestellt in einem Lande, wo im vergangenen Jahre 220 000 Geburten 170 000 Sterbefälle gegenüberstanden und von dieser Sterblichkeitsziffer 44 000 auf Säuglinge entfielen! Die Bedingung des Wahlrechts wird also an drei lebende Kinder gefnüpft in einem Lande, das in bezug auf Kindersterblichkeit gleich nach Rußland  tommt, wo der Staat zur Bekämpfung der Kindersterblichkeit fo gut wie gar nichts tut. Die versicherungspflichtige Arbeiterin in Ungarn   erhält eine Wöchnerinnenunterstützung von 2 bis 15 Kronen pro Tag( 1), für stillende Mütter werden 10 Wochen lang täglich 10 Kronen gezahlt! Jene Frauen also, die infolge der elenden Lage nicht imftande find, ihre Kinder großzuziehen- und dies doch nur turch Verschulden eines reaktionären Regimes. werden mit dem Berluste der politischen Rechte bestraft.

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Das Land ist in industriefler Beziehung fehr zurückgeblieben, die Zahl der selbständigen Frauen ist eine sehr geringe, so daß nun im Endresultat festgestellt werden kann, daß nur ein ganz geringer Teil der Arbeiterinnen das Wahlrecht erhält, hingegen für das Wahlrecht der Damen der oberen 3ehntausend vollkommen gesorgt wurde. Wenn mir außerdem noch in Betracht ziehen, daß die Abstimmung nur in Budapest   und etwa noch in zwölf fleinen Städten eine geheime, sonst aber im ganzen Lande öffentlich sein wird, ferner wenn wir bedenken, daß in diesem ganzen Wahlver fahren den verschiedensten Fälschungen Tür und Tor geöffnet ist, dann können wir uns über den Wert dieses Frauenwahlrechts vollkommen flar sein. Es werden noch scharfe und lange Kämpfe