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Für unsere Mütter und Hausfrauen
" Möge Allah seine Schritte auf rechtem Wege führen!" sagte Hamza jedesmal.
Zwei seiner Freunde kehrten bald in ihre Dörfer auf dem Hochplateau im Innern des Landes zurück. Die Luft an der Küste war für ihre Lungen nicht trocken genug. Eine starke Sehnsucht zog sie nach den graugelben Weiten, wo die Sonne ihnen auf den Scheitel brannte und die Hiße sie lange Wochen zu vollständiger Regungslosigkeit nötigte. Eines Tages nahmen sie Abschied von Hamza und gingen mit einer Karawane wieder der Wüste zu. Der Zurückbleibende sah ihnen lange nach und nickte verstehend. Auch sie sandten Hamza oftmals Grüße. Er schickte andere zurüd und freute sich, daß es den Freunden wohl ging. Als er einige Jahre lang nichts von ihnen gehört hatte, wußte er, daß sie gestorben, suchte die Grabstätte eines heiligen Mannes auf und betete lange gegen Osten gewandt für die, die schon vorangegangen und die er cinstmals wiedersehen würde.
Der neunte der Gefährten, Ali Scheckr, war kaum zehn Jahre alt, als die Schar in der Stadt anlangte. Wie ein treuer Hund begleitete er Hamza eine lange Zeit. Mit dreißig Jahren wurde er Polizist. Er und Hamza trafen sich fast jede Woche und redeten von den Freunden, freilich früher mehr als jetzt.
Hamza selber ging nach seiner Ankunft in Tripolis einige Tage am Hafen umher und betrachtete das Meer. Oftmals wenn er an dessen launische Unbeständigkeit dachte, überkam ihn eine sonderbare Sehnsucht. Aber wie es auch lockte und reizte, war er doch nie außerhalb der äußersten Mole gewesen.
„ Die Füße der Menschen sind für den festen Boden geschaffen," sagte er. Mag jeder, der seiner Sehnsucht nicht widerstehen kann, das Meer durchpflügen, ich tue es nicht! Ich will Allahs . Segen durch Graben in der Erde erbitten."
Nichtsdestoweniger wurde Hamza anfangs Ruderer im Hafen. Von einem Manne, der mehrere Kähne besaß, mietete er einen gegen den halben Verdienst. Wenn ein Schiff draußen auf der Reede beilegte, ruderte Hamza mit Ali Scheckr hinaus, um Bassagiere und Güter zu holen. Er hatte bald das Manövrieren des schweren Kahnes erlernt, und der junge Ali war ihm eine gute Hilfe. Hamza brachte nicht selten mehrere Kupfermünzen nach Hause. Die teilte er ehrlich mit dem Besitzer des Fahrzeugs.
„ Gott sicht alles!" sagte er.„ Und ich habe mein Gelöbnis getan." Aber der Besitzer des Kahnes war habsüchtig und dabei ein Zänker. Er saß den ganzen Tag über am Strande , folgte seinen Fahrzeugen mit den Augen und rief die Ruderer zu sich heran, sobald sie gelandet waren. Kamen sie, forderte er ihnen sogleich ein Geldstück ab, aber wenn er eins erhielt, dankte er selten. Er stritt sich beständig mit seinen Ruderern herum, und diese, gleichviel ob fie Araber, Türken, Berber oder Nubier waren, stritten sich mit ihm. Niemand mietete einen Kahn länger als einen Monat von diesem Besitzer, niemand außer amza.
Ohne ein Gefühl der Erbitterung ließ er den Kahnbesitzer mehr nehmen, als ihm von Rechts wegen zukam.
,, Er verliert mehr dabei als ich," antwortete Hamza, wenn ihm die anderen Ruderer seine Nachgiebigkeit vorwarfen.„ Wir leben nicht für das jeßige, sondern für das zukünftige Leben."
Niemand bestritt, daß Hamza recht hatte, aber den Ruderern ge= fiel weder diese Äußerung noch die Handlungsweise des Kame= raden.
Hamza lächelte nur über sie. Er blieb viele Jahre Ruderer. Zuletzt wurde er doch dieses Gewerbes überdrüssig und verschaffte sich eine Anstellung im Zolldienst.
Schon damals war er am Hafen und auf dem Markt als ein rechtschaffener, wenn auch ein wenig einfältiger Mann bekannt. Anfänglich war er seinen neuen Kameraden sehr willkommen, aber sie wünschten ihn bald wieder fort. Wenn sie ihn aufforderten, etwas von den Habseligkeiten der Reisenden zu behalten, verstand er sie nicht, und wenn man ihm bisweilen ein Geldstück in die Hand drückte, gab Hamza es offen vor den Leuten zurück. Nie machten sich seine Hände einer schlechten Handlung schuldig oder fündigten seine Gedanken gegen Allahs Gebote, solange er unter den Zöllnern arbeitete.
„ Du bist ein frommer Mann, Hamza," äußerte eines Tages der Vorsteher zu ihm, aber du bist zu einfältig. Du paßt nicht zu uns."
" In Gottes, des Guten, des Rechtfertigen Namen!" antwortete Hamza, verneigte sich und ging.
Hierauf wurde er Träger in der Stadt und versorgte sich damit, denn der Ruf seiner Rechtschaffenheit war ständig gewachsen und machte die Leute neugierig. Während die anderen Träger ohne Be= schäftigung längs der Hausmauern hockten, hatte Hamza vollauf zu tun. Da wählten sie ihn zu ihrem Bormann.
Nr. 21
Zwölf Jahre lang hatte Hamza diesen Posten inne. Und wenn die Träger auch schlau genug gewesen, ihm schlechtere Bedingungen als dem Vorgänger zu bieten, fügte es eine gerechte Vorsehung doch so, daß sowohl sie wie Hamza mehr Geld erhielten, wenn der Verdienst der Woche am Donnerstag abend geteilt wurde. Die meisten sahen ein, daß Hamzas Vorgänger sie weidlich betrogen hatte, und priesen sich glücklich über ihre Wahl, aber einige waren unzufrieden, denn das läßt sich nirgends vermeiden.
Als Hamza einige Male ihre Klagen gehört hatte, rief er alle Träger zusammen und sagte ihnen ein freundliches Lebewohl. Die meisten baten ihn zu bleiben und alles beim alten zu lassen, aber Hamza wollte nicht.
„ Nicht wegen der Unzufriedenheit und der Klagen," sagte er. ..Wer bin ich wohl, daß ich ungetadelt durch die Welt gehen sollte? Aber meiner selbst wegen. Der Mensch ist geschaffen, um in der Erde zu graben und sich von den Früchten der Bäume und den Kräutern des Feldes zu nähren, nicht um wie ein Kamel Lasten zu tragen." Hierauf nahm er herzlich Abschied von den Trägern, am herzlichsten von denen, die sich beklagt hatten. Ihr verliert mehr als ich," sagte er zu ihnen, ehe er fortging.
In seiner Wohnung holte Hamza einen Beutel hervor, der die Geldstücke enthielt, die seine Ersparnisse ausmachten. Mit dem in der Hand begab er sich auf den Basar.
Während Hamza Vormann der Träger war, hatte er Hanifa ge= sehen, die bei einem Handwerker in der Gasse der Silberschmiede in Dienst stand. Auch Hanifa war auf dem Hochplateau drinnen im Lande geboren und von gleichem Stamm wie Hamza. Zu ihr ging Hamza geradeswegs von der Zusammenkunft der Träger.
Ich habe dich mehrere Male gesehen, Hanifa," sagte er, wenn ich waren für deinen Herrn brachte oder forttrug. Willst du mir gestatten, daß ich den Silberschmied aufsuche und mit ihm rede?"
Hanifa, die nach der Sitte ihres Stammes feinen Schleier vorm Gesicht trug, sah erstaunt den Mann an, in dem sie den Träger erkannt hatte.
" Deine Augen leuchten vor Erstaunen. Du begreifft nicht einmal, wovon ich rede," sagte Hamza.„ Das zeigt, daß der Einzige, der Barmherzige meine Füße auf den rechten Weg geführt hat." Er trat in den Laden, zeigte dem Silberschmied den Beutel und verlangte Hanifa zur Frau.
„ Dir geschehe nach deinem Wunsch!" antwortete der Silberschmied. Ihre Mutter ist eine Verwandte von mir und wohnt bei mir im Hause, ihr Vater ist tot. Und da ich schon mehr Diene-= rinnen habe, als ich brauche, verlange ich nur eine Handvoll Geld aus deinem Beutel."
„ Greif zu!" ermahnte Hamza.„ Und möge der Allmächtige deine Hand so lenken, daß du auch einen Biaster findest; es liegen ihrer manche zwischen meinen vielen Kupferpara versteckt."
Der Silberschmied steckte die Hand in den Beutel und füllte sie mit Geld. Als er aber nachsah, fand er keinen Piaster. " Abgemacht," fagte er ruhig und legte die Kupfermünzen neben sich. Heute abend rede ich mit Hanifas Mutter."
Hamza dankte ihm für sein Versprechen und ging hinaus. Auf dem Hofe stand noch immer Hanifa.
" Jetzt gehe ich und kaufe den Plak, wo wir unser Haus bauen wollen," sagte Hamza zu ihr.
Da begriff sie endlich und errötete über das ganze Gesicht. „ Es ist gut für den Mann, wenn die Frau nicht zu rasch von Gedanken ist," sagte Hamza und ging weiter.„ Gepriesen sei der Einzige, der Allmächtige!"
Am selben Tage kaufte Hamza den Sandhügel, für den er fünfzehn Jahre lang gearbeitet, und nach einigen Wochen hatte er die Lehmhütte fertig, in der er und seine Frau wohnen sollten. Ohne Verzug nahmen sie ihr neues Heim in Besit.
Sie lebten glücklich miteinander, bekamen aber keine Kinder. Jeden Freitag betete Hamza in der großen Moschee Dschama el Bascha um diese Gnade, aber er wurde niemals erhört. Er und seine Frau grämten sich lange darüber, aber als die zehn Dattelpalmen, die Hamza um die Lehmhütte gepflanzt, heranwuchsen und nicht nur Schatten gaben, sondern auch Früchte trugen, nannte er die seine Söhne und Töchter.
„ Es ist Allahs Wille, daß ich sie wie meine eigenen Kinder pflegen und warten soll, deshalb hat er mir vielleicht andere versagt," äußerte Hamza oftmals und fügte hinzu: Hat nicht der Prophet gesagt: Die edle Dattelpalme ist vom Geschlecht der Menschen; ehre sie wie die Schwester deines eigenes Vaters!"
( Fortsetzung folgt.)
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