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Für unsere Mütter und Hausfrauen
eines Einheitspreises. 150 bis 200 Einzelküchen sollen möglichst zu einem Küchenbetrieb zusammengefaßt werden. Ein Gewinn darf aus dem Betrieb nicht herauskommen. Mittagsmahl und Abendspeise werden zu bestimmten Stunden gleichzeitig verteilt, damit die Frauen nur einmal täglich den Weg zu der ihnen angewiesenen Sparküche haben. Selbstverständlich sind auch Unbemittelte, die feine Unterstügungen beziehen, aus der Sparküche zu beköstigen. Um das Zutrauen der Bevölkerung zu dieser Art der Speisung zu heben, soll das Kochrezept durch Kreideanschrift bekannt gegeben werden. In ähnlicher Weise gibt Graziella noch eine Menge von Winken, die geeignet scheinen, das vielfach herrschende Vorurteil gegen derartige Massenspeisungen zu beseitigen. In Berlin allein würde schäzungsweise zunächst eine halbe Million Menschen in den Kreis der Sparküchen einzubeziehen sein. Die Stadt Berlin solle vorangehen und in den Sparküchen Mustereinrichtungen schaffen, die im ganzen Lande Nachahmung finden.
Kein Zweifel, daß die Sozialdemokratie solche im großen und ganzen brauchbare Vorschläge im Interesse einer besseren Massenernährung unterstüßen wird. Uns sind ja diese Ideen längst vertraut, und die große Not der Zeit drängt zu solchen Mitteln. Für uns handelt es sich dabei vor allem darum, den Kampf gegen die Unterernährung der arbeitenden Massen aus dem Dunkel des Privathaushaltes in die breite Öffentlichkeit zu tragen, Staat und Gemeinden für die Sicherstellung einer ausreichenden Volksernährung verantwortlich zu machen. Bei diesen Bestrebungen werden gemeinnützige Massenspeisungen, Zentralfüchen und Schulspeifungen großen Stils uns manchen guten Dienst leisten. M. Kt.
O O O
Spruch.
Der Weg der neueren Bildung geht
Von Humanität
Durch Nationalität
Zur Bestialität.
Feuilleton
Bon Friedrich Sölderlin. Zweiter Agrigentiner.
Komm und leb'
in Agrigent ; es hat's ein Römer mir gesagt, durch ihren Numa wären sie so groß geworden. Komme, Göttlicher! Sei unser Numa! Lange dachten wir's, du solltest König sein. D sei es! sei es! Ich grüße dich zuerst, und alle wollen's.
Dies ist die Zeit der Könige nicht mehr. Die Bürger( erschrocken).
Wer bist du, Mann?
Dritter Agrigentiner.
So ratlos läsfest du uns stehn?
Nicht ratlos stehen laß ich euch, ihr Lieben! Aber fürchtet nichts! Es schein die Erdenkinder meist das Neu' und Fremde; daheim in sich zu bleiben, strebet nur der Pflanze Leben und das frohe Tier, und engbeschränkt im Eigentume schauen sie freier nicht ins Leben. Dennoch müssen sie, die Ängstigen, heraus, und sterbend kehret ins Element ein jedes, daß es da zu neuer Jugend, wie im Bade, sich erfrische. Menschen ist die große Lust gegeben, daß sie selber sich verjüngen; und unbesiegbar groß, wie aus dem Styr der Götterheld, gehn Völker aus dem Tode, den sie zur rechten Zeit sich selbst bereitet.
gebt euch der Natur, eh sie euch nimmt! ihr dürstet längst nach Ungewöhnlichem, und wie aus frankem Körper sehnt der Geist von Agrigent sich aus dem alten Gleis. So wagt's! was ihr geerbt, was ihr erworben, was euch der Väter Mund erzählt, gelehrt, Gesetz und Bräuch', der alten Götter Namen, Vergeßt es kühn und hebt, wie Neugeborne, die Augen auf zur göttlichen Natur! Wenn dann der Geist sich an des Himmels Licht Entzündet, süßer Lebensodem euch
den Busen, wie zum ersten Male tränkt, und güldner Früchte voll die Wälder rauschen, und Quellen aus dem Fels, wenn euch das Leben der Welt ergreift, ihr Friedensgeist, und euch's wie heil'ger Wiegensang die Seele stillet; dann aus der Wonne schöner Dämmerung der Erde Grün von neuem euch erglänzt, und Berg und Meer und Wolken und Gestirn, die edeln Kräfte, Heldenbrüdern gleich, vor euer Auge kommen, daß die Brust, wie Waffenträgern, euch nach Taten klopft,
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nach eigner schöner Welt; dann reicht die Hände euch wieder, gebt das Wort und teilt das Gut, o dann, ihr Lieben! teilet Tat und Ruhm, wie treue Dioskuren; jeder sei, wie alle wie auf schlanken Säulen ruh' auf richt'gen Ordnungen das neue Leben, und euern Bund befest'ge das Gesez. Dann, o ihr Genien der wandelnden Natur! dann ladet euch, ihr heitern, das freie Volk zu seinen Festen ein, Gastfreundlich! fromm! denn liebend gibt der Sterbliche vom Besten, schließt und engt den Busen ihm die Knechtschaft nicht.
O Vater!
Nr. 14
ihr Bürger!
So lehnt man Kronen ab,
Hegt
im Neste denn die Jungen immerdar der Adler? Für die blinden sorgt er wohl, und unter seinen Flügeln schlummern süß die ungefiederten ihr dämmernd Leben. Doch haben sie das Sonnenlicht erblickt, und sind die Schwingen ihnen reif geworden, so wirft er aus der Wiege sie, damit fie eignen Flug beginnen. Schämet euch, daß ihr noch einen Sönig wollt; ihr seid zu alt; zu eurer Väter Zeiten wär's ein anderes gewesen. Euch ist nicht
zu helfen, wenn ihr selber euch nicht helft.
Von Herzen nennt man, Erde, dann dich wieder, und, wie die Blum' aus deinem Dunkel sproẞt, blüht Wangenrot der Dankenden für dich aus lebensreicher Brust und selig Lächeln.
Beschenkt mit Liebeskränzen rauschet dann
der Quell, wächst unter Segnungen
zum Strom, und mit dem Echo bebender Gestade Tönt deiner wert, o Vater Ozean,
der Lobgesang aus reicher Wonne wieder.
Es fühlt sich neu in himmlischer Verwandtschaft,
o Sonnengott! der Menschengenius
mit dir, und dein wie sein ist, was er bildet.
Aus Lust und Mut und Lebensfülle gehn die Taten leicht, wie deine Strahlen, ihm, und Schönes stirbt in traurig- stummer Brust nicht mehr....