Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 20 O O O O O O O O

ooooo Beilage zur Gleichheit ooooo

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Inhaltsverzeichnis: Verwandlung. Gedicht von August v. Platen. Die Frau im alten Rom  . II. Die Entwicklung des kind­lichen Hirns und seiner Leistungen. Von Dr. M. H. Baege. Feuilleton: Wieviel Erde braucht der Mensch? Erzählung von Leo Tolstoi.  ( Fortsetzung.)

An der Erde frei und fröhlich Kroch die Raupe, freute kindisch, Jmmer kriechend, Sich umhüllter, Junger Knospen.

Verwandlung. Aber selbstisch Eingeklostert Spinnt die Puppe: Der Entfaltung Qualenkämpfe Wühlen grausam Durch das Jnnre.

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Doch befreiend Sieget Wärme: Schwebe raftlos, Ätherkostend, Farbefunkelnd, Du erlöster Sommervogel! Auguft v. Platen.

Die Frau im alten Rom  .

II.

Die Demokratie gestattete Rom   die Zusammenfassung aller Sträfte im Interesse einer kraftvollen äußeren Politik. Durch seine unerhörte militärische Organisation, unter Führung einer rück­sichtslosen Handelsbourgeoisie, die sich mehr und mehr mit dem alten Grund- und Amtsadel zu einer einzigen Geldaristokratie verschmolz, gelang es dem unscheinbaren Vorort der mittelitalie= nischen Landschaft Latium  , binnen zweier Jahrhunderte den gan= zen Kulturbereich des Mittelmeerbeckens seiner Herrschaft zu unterwerfen. Die fruchtbaren Kornkammern des Altertums, Si­ zilien   und Nordafrika  , das an Metallschätzen und Kunstgewerbe reiche Griechenland  , das durch den Fleiß seiner Bewohner und die Gaben der Natur gleich reich gesegnete Kleinasien   und Syrien  alle mußten sie sich dem kurzen Breitschwert und der eisernen Disziplin der römischen Legionen fügen.

Aber nicht als gleichberechtigte Bürger wurden die Völker dem wachsenden Reiche einverleibt, sondern als der rechtlose, nieder­gesiegte" Gegenstand schrankenlosester Ausbeutung. Ungeheure Kriegsentschädigungen, maßlose Steuern wurden den Besiegten auferlegt. Römischer Grundadel und römische Hochfinanz erblick­ten in den Provinzen die willkommene Gelegenheit rascher und grenzenloser Bereicherung. Man teilte sich in die Beute: der Adel stellte die hohen Beamten und Militärbefehlshaber; die großen Geschäftsleute, die Ritter, stellten die Generalpächter der Steuern und Zölle. Handels- und Gewerbezentren wie Karthago   und Ko­ rinth   wurden im Auftrag der römischen Handelsbourgeoisie dem Erdboden gleich gemacht. Konnten die unglücklichen Provinzen die auferlegten Summen nicht rechtzeitig zusammenbringen, so waren die römischen Finanzkreise, vor allem die wohlorganisierten Fi­nanzkonsortien, stets bereit, ihnen die Summe vorzustrecken, na­türlich zu dem mäßigen Zinsfuß von 40 oder 50 Prozent. So ge= rieten ganze Städte und Länder in die Kapitalhörigkeit von un­gefähr zweitausend allmächtigen römischen Familien. Aber erst bei vollkommener Zahlungsunfähigkeit einer Landschaft winkte den römischen Wucherern der Hauptprofit. Man fing die unglücklichen Einwohner ein wie Wild und verkaufte sie als Sklaven.

Der Versuch der unglücklichen Opfer, beim römischen Senat Recht zu erhalten gegen ihre Wucherer, mußte schon deshalb regel­mäßig fehlschlagen, weil die römischen Richter die Klassengenossen wo nicht die leiblichen Verwandten der angeklagten Beamten und Wucherer waren. Kein Geschäft war ihnen zu schmutzig, wenn es nur Geld brachte. Beamte, die über und über verschuldet in die Provinzen gingen, kehrten nach ein bis zwei Jahren als mehr­fache Millionäre in die Heimat.

Das ganze Wirtschaftsleben des weltbeherrschenden Roms war schließlich auf Spekulation, Wucher und raffiniertem Betrug auf­gebaut. Im Gegensatz zu dem klassischen Griechenland   entwickelten sich hier verhältnismäßig wenig größere Manufatturbetriebe. Was man an besseren gewerblichen Produkten bedurfte, vor allem zur Befriedigung des immer mehr um sich greifenden Lurus, das führte man aus dem Osten ein. Auch die Kunst und die feinere geistige Bildung wurde importiert und blieb auf römischem Boden immer eine fremde Pflanze. Unter den Sklaven der vornehmen Römer finden wir griechische Philosophen, griechische Dichter,

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1915

griechische Schulmeister und griechische Bibliothekare. Die grie­chische Sprache ist die Sprache der Bildung. Der Römer bedurfte der geistigen Kultur nur als Repräsentationsmittel, um seine Macht und seinen Reichtum glänzen zu lassen.

Die römische Weltherrschaft war also nicht auf der überlegen­heit römischer Arbeit und Kultur aufgebaut, sondern errungen durch einen eisernen Militarismus und behauptet durch ein bei­spielloses System der Knechtung und Auswucherung. Die schlim­men Folgen ließen nicht lange auf sich warten. In den Provinzen erlahmte der rege Arbeitsgeist, die Städte verödeten, die Kultur zerfiel, auf dem platten Lande entstanden wüste Strecken. Der glühende Römerhaß entlud sich in verzweifelten Aufständen, und als diese immer wieder im Blut erstickt waren, in fanatisch­dumpfen Hoffnungen auf den kommenden Weltheiland und das Weltgericht. So wurde dem Christentum der Weg bereitet.

Aber auch in Rom   selbst war der Boden unterhöhlt. Die italie­nischen Kleinbauern waren es, die in der Blütezeit die Schlachten Roms schlugen. Und wie einst die kriegerische Politik der Pa­trizier die plebejischen Kleinbauern im alten Rom   ins Glend ge= stürzt hatte, so war auch jetzt die Enteignung und Auswucherung der italienischen Kleinbauern die Folge der ewigen Kriegszüge. Tausende proletarischer Kleinbauern zogen nach Rom  , wo sie in Ermangelung ehrlicher Arbeitsgelegenheit ins Lumpenproletariat hinabsanken und sich als der souveräne Pöbel vom römischen Staat auf Kosten der ausgebeuteten Provinzen verhalten ließen. Die herrschende Oberschichte buhlte um die Gunst dieses mit allen politischen Rechten ausgestatteten Pöbels. Durch Geld- und Korn­verteilungen, durch öffentliche Speisungen, durch Tier- und Menschenheten erfauften ehrgeizige Kandidaten die notwendigen Stimmen. Übrigens ein gutes Geschäft, denn ein oder zwei Jahre in der Provinz als Proprätor oder Prokonsul brachten die Ausgaben zehnfach wieder herein. Und doch war das Leben dieser Proletarier ein Hundeleben. Die staatlichen Kornspenden, die privaten Speisungen reichten nicht zum Leben und schüßten doch vor dem Verhungern. Die allgemeine Verachtung lastete auf der müßigen Menge, für die die Gesellschaft keine Arbeit hatte. Ein hartes Mietsrecht machte sie zum Spielball rücksichtsloser Hausbesizer. Schmuß, Seuchen und Laster jeder Art räumten unter ihnen auf, so daß mancher kräftige Mann es vorzog, sich als Fechtersklave in eine Gladiatorenschule zu verkaufen, statt dies Hungerleben weiterzufristen.

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Anfänglich hatte das sich in Rom   ansammelnde Proletariat zu wehren versucht. Unter Führung der edlen Brüder Tiberius   und Gajus Gracchus war es 133 bis 121 vor Christo zu einem heftigen Klassenkampf mit Straßenrevolten gekommen. Da aber diesem Proletariat das wirtschaftliche Machtmittel der gesellschaftlich not­wendigen Arbeit und das fortschrittliche Ziel fehlten, so mußte es unterliegen. Wohl hören wir später noch oft von sehr blutigen Kämpfen zwischen der Adelspartei und der Volkspartei, aber diese Bezeichnungen waren meist nur der Aushängeschild für Inter­essengegensätze zwischen den einzelnen Kapitalistengruppen, die sich um den fettesten Bissen balgten.

Gefährlicher für den Bestand des römischen Staates als das römische Herrenproletariat in der Hauptstadt war das aus allen unterworfenen Völkern zusammengewürfelte Sklavenproletariat auf dem platten Lande. Die fortwährenden Eroberungskriege brachten Unmassen von Kriegsgefangenen auf den Markt. Die Ein­wohnerschaft ganzer Städte wurde von den Siegern in die Skla­verei geschleppt. Nichts war billiger als die menschliche Arbeits­traft. Sie wurde dementsprechend behandelt, das heißt mißhandelt. Die herrschenden Klassen in Rom   nahmen eine Art Arbeits­teilung vor: der Beamtenadel solle sich nicht mit Handels- und Wuchergeschäften beschäftigen, wahrscheinlich weil seine Einnahmen sowieso groß genug waren. Infolgedessen legten die vornehmen Familien ihre Kapitalien fast ausschließlich in Grund und Boden an. Es entstanden an der Stelle kleinbäuerlicher Betriebe überall gewaltige Weidewirtschaften und Plantagen. Tausende von oft gc­fesselten und gebrandmarkten Sklaven bebauten das Land. Sie wurden in elenden Kasernen zusammengepfercht, kümmerlich er­nährt und mit der Peitsche an die Arbeit getrieben. Nur die strengste Zucht, grausame Hinrichtungen und fortwährende Be­wachung vermochte sie im Baum zu halten." Wehe uns," schrieb ein römischer Schriftsteller, wenn es unseren Sklaven einfällt,