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Für unsere Mütter und Hausfrauen

für sich schon eine Sehenswürdigkeit bildet. Der Umsatz daselbst, henswürdigkeit bilb der im Jahre 1913 die Höhe von 486 415 Mt. erreichte, stieg im Jahre 1914 auf 539 553 Mt. und erhöhte sich im Kriegsjahr 1915 auf 1426 936 Mt., eine Steigerung, die allerdings zum Teil auf die erhöhten Fleischpreise zurückzuführen ist. Dieser Umsatz ver­teilte fich auf 707 744 Stäufer, so daß also im Durchschnitt jeder Käufer für etwas mehr als 2 Mt. Ware einkaufte. Das interessan= teste Ergebnis bildet jedoch eine Gegenüberstellung der Fleisch­preise, die im Kleinhandel und in der Fleischhalle in den beiden letzten Jahren gefordert wurden. Es kostete das Kilo:

März April Mai.

.

1914

Rindfleisch

1915

Klein Fleisch Klein- Fleisch­handel halle handel halle Pf. Pi. Pf. Pf. Januar.. 181,0 158,2 213,3 168,9 Februar.. 187,0 158,2 203,3 175,1 187,6 158,2 206,6 187,6 203,3 157,5 220,0 189,7 200,0 157,5 266,6 189,7 186,6 157,5 266,6 195,1 196,6 154,2 266,6 195,1 August 210,0 165,6 300,0 243,0 September 200,0 165,6 286,0 246,4 Dftober.. 193,3 178,6 360,0 246,4 November. 200,0 178,6 300,0 259,2 Dezember. 200,0 178,6 316,6 259,2 * Höchstpreis.  

Juni Juli.

Schweinefleisch

1915

1914 Klein Fleisch Klein Fleisch= handel halle handel halle Pf. Pf. Pf. Pf.

185,3 171,2 226,6 182,6 183,3 171,3 243,3 183,3 177,3 161,3 260,0 218,3 190,0 158,3 286,6 250,0 186,6 161,0 350,0 250,0 180,0 161,0 373,3 268,3 183,3 161,0 360,0 268,3 196,6 170,0 400,0 291,1 186,6 170,0 413,3 288,8 196,6 179,2 426,6 288,8 200,0 179,2* 280,0* 280,0 200,0 179,2 280,0 280,0

Bei dieser Gegenüberstellung fällt besonders stark auf die Preis­Spannung beim Schweinefleisch im Monat Oktober 1915, also zu einer Zeit, wo die Preise ungehindert vom privaten Handel rasend schnell in die Höhe getrieben wurden. Betrug doch der Preisunter­schied zwischen Kleinhandel und Fleischhalle für das Kilo Schweine­fleisch nicht weniger als 137,8 Pf., und selbst Rindfleisch, das da­mals noch nicht so schnell im Steigen begriffen war, konnte die Fleischhalle im Dezember 1915 um 57,4 Pf. pro Kilo billiger ver­kaufen als der Kleinhandel. Doch abgesehen von den abnormen Zuständen der Kriegszeit zeigen uns die Ziffern aus den Friedens­monaten des Jahres 1914, daß auch damals schon die Preisunter­schiede zwischen Fleischhalle und Kleinhandel auffällig hoch waren. Beim Rindfleisch war der Preisunterschied am höchsten im April 1914 mit 45,8 Pf. pro Stilo, beim Schweinefleisch betrug er im felben Monat 31,7 Pf. pro Stilo. Ähnlich lagen die Verhältnisse bei Kalbfleisch und Hammelfleisch. Betrachtet man aber den Jahres­durchschnitt, so ergeben fich folgende Biffern. Es fostete ein Kilo:

Rindfleisch. Schweinefleisch

Kalbfleisch.

1914

188,8= 228,8

Kleinhandel Fleischhalle . 195,4 Pf. 164,0 f. 168,5 I 191,9= 157,8

V

Hammelfleisch 220,2=

.

1915

Kleinhandel Fleischhalle 262,1 f. 212,9 f. 333,9= * 249,2 D 302,9 V 246,3 N 305,0= 244,2 M

* Zehn Monate bis Erlaß der Höchstpreise.

Es zeigt sich also durchweg ein erheblich billigerer Preis in der städtischen Fleischhalle als im Kleinhandel.

Auch hier möge wieder das eine Beispiel genügen, um zu zeigen, welche Ersparnisse durch die Ausschaltung des Zwischenhandels ge­macht werden können. Diese Erfahrungen müssen überall in die Praxis umgesetzt werden. Daß ein großer Teil der vom Handel lebenden Bevölkerung durch die Schaffung gemeinnüßiger Betriebe gezwungen wird, sich wieder einer produktiven Beschäftigung zu­zuwenden, kann als ein Nachteil für die Volkswirtschaft nicht an­gesehen werden; es werden ohnedies jene Elemente sein, die vom Handel nicht allzuviel verstehen und sich nur infolge der hohen Handelsgewinne darin erhalten konnten; Personen mit reichen Er­fahrungen und gründlicher Ausbildung im Handelsfach werden aber auch nach wie vor gebraucht werden, nur daß sie später nicht für eigene Rechnung, sondern bei guter Bezahlung im Juteresse der Allgemeinheit zu arbeiten hätten,

Fassen wir alles noch einmal zusammen, so ergibt sich, daß an der Verteuerung der Lebensmittel schuld ist: 1. Die Hoch­schutzzollpolitik des Deutschen Reiches, die im Frieden die auslän dischen Waren systematisch vom heimischen Markte fernzuhalten sucht und die ausländischen Produzenten zwingt, sich andere Märkte zu suchen, so daß wir bei eintretender Lebensmittelnot- Mizernte oder Krieg verlassen dastehen; 2. die Planlosigkeit des privaten Handels, der die Waren erst durch viele Hände gehen läßt, ehe sie vom Produzenten zum Konsumenten gelangen, und der nicht das

Nr. 18 Hauptinteresse auf die Beschaffung billiger Lebensmittel, sondern auf seine eigenen Gewinnchancen legt.

Wollen wir aber in den Genuß möglichst billiger Lebensmittel gelangen, dann müssen wir versuchen, von den Produzenten oder ven Produktivgenossenschaften direkt zu kaufen und durch Errich­tung konsumgenossenschaftlicher Verkaufsstellen für die Verteilung an die einzelnen Konsumenten zu sorgen. Dabei gewinnen beide Teile, der Produzent kann bessere Preise erhalten und der Konsu ment billigere Waren. Ferner aber müssen die Lebensmittelzölle aufgehoben werden, die bei einer gesunden Agrarpolitik zum Schutze der Landwirtschaft nicht nötig sind, sondern nur einer un­gesunden Bodenspekulation zum Nutzen gereichen. Diese Forde­rungen sind wohlgemerkt keine sozialistischen  . Sie halten sich im Rahmen der kapitalistischen   Wirtschaft, deren gröbsten Auswüchse sie beseitigen sollen. Es sind Gegenwartsforderungen. Im Inter­effe der besitlosen Klassen ist nicht nur eine planmäßige Güterverteilung, sondern auch eine gleiche, die gegründet ist auf die planmäßige, international- sozialistisch geregelte Güter­erzeugung.

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Der Mütter Bittgang.

Ein antikes Tendenzdrama für den Frieden.

A. W.

Daß der Krieg eine gewisse Revolution in den Kunstansichten und der Kunstübung des Bürgertums hervorgerufen hat, sieht jeder Laie. Die übermächtigen Eindrücke der weltgeschichtlichen Kata­strophe, die wir erleben, haben im Handumdrehen das elegante Kartenhäuschen der Kunst- für- die- Kunſtästheten über den Haufen geblasen und der bisher so verpönten Tendenz" das Tor weit auf­geworfen. Sie hat denn auch gleich nach Kriegsausbruch ihren Ein­zug in die Literaturwelt gehalten, und zwar in einer meist so hand­festen Gestalt, daß die Kunst schleunigst Reißaus nahm.

In das ernsthafte Drama hat sich die zeitgeschichtliche Tendenz bisher weniger hereingewagt als in die Lyrik, wo sich jeder Pfuscher Experimente zu machen befugt hält. Vielleicht war man im Drama bisher allzusehr auf individuell- psychologische Pro­bleme eingestellt; den Dichtern fehlt, wie es scheint, der große Stil, in dem man allein so riesige Probleme bewältigen kann. Was bisher ein Sudermann oder Fulda Kriegsmäßiges zusammenge= braut haben, gleicht mehr oder weniger dem berühmten Ragout des seligen Wagner in Goethes Faust.

Um zeitgeschichtliche Tendenzdramen großen Stils zu finden, müssen wir über ein Jahrhundert zurück zu den gärenden Jugend­werten eines Schiller. Noch besser ist es, wir greifen gleich über zweieinhalb Jahrtausende zurück in die Kultur und Kunst des Klassischen Athens   der Perserkriege und des Perilles. Es ist rein unverständlich, wie je die Meinung auffommen konnte, griechische Kunst sei reine Kunst", eine Kunst also, die erhaben über alle Parteien und zeitgeschichtliche Begebenheiten wie der Geist über den Wassern schwebt. Die Werke der drei großen Tragiker Aschylos  , Sophokles   und Euripides  , von den Komödien des reaktionären Spottvogels Aristophanes   ganz zu schweigen, spiegeln nicht nur für den geschulten Historiker oder für das durch den historischen Mate­rialismus geschärfte Auge des Marristen, nein sogar für den boll­temmen naiven Laien, der sie in einer nur halbwegs flüssigen übersetzung liest, eine große Menge politischer, religiöser und sitt­licher Probleme, wie sie das Athen   des fünften Jahrhunderts vor Christus beschäftigten. Und zwar behandeln die griechischen Dichter diese zeitgeschichtlichen Probleme durchaus nicht in einer dem täg­lichen Leben entrüdten Allgemeinheit, sondern mit allerhand ihren Beitgenossen jedenfalls sehr deutlichen Anspielungen auf augen­blickliche Situationen und Begebenheiten. Der Dichter im demo­kratischen Athen   war eben wie fast jeder freie athenische Bürger zugleich Politiker mit Leib und Seele. Euripides  , dessen Kunst ohnehin stark rethorisch gefärbt ist, geht sogar so weit, feinen Hel­den, den Heroen der Sage, förmliche Volksreden über die aktuell­sten Themata in den Mund zu legen. Euripides   hat

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man nehme den Vergleich nur alles in allem und nicht ohne ein Körnlein Salz in einer Zeitepoche gelebt, die mit der unseren manche Vergleichspunkte gemein hat. In vielen Hinsichten sind die kriegerischen Auseinandersetzungen der Gegen­wart nur die ins Kolossale gesteigerte Wiederholung jener Kämpfe, die gegen Ende des fünften Jahrhunderts vor Christus ganz Griechenland  , nein den ganzen griechischen Kulturkreis in zwei feindliche Parteien spalteten. Im sogenannten Peloponnesischen Kriege( 431 bis 404 vor Christus) rangen die beiden Vormächte Griechenlands  , das mehr binnenländische, straff militärisch organi= fierte Sparta   und die erste Seemacht der Zeit, das demokratische