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Für unsere Mütter und Hausfrauen

sind. Man kann sie leicht selbst herstellen. So läßt man zu Dill­essig frische Dillblüten in einer weithalsigen Flasche mit aufgefoch­tem und erfaltetem Weineffig ausziehen; zu Estragonessig sauber abgespülte Estragonstengel mit zwei Eklöffel Zucker auf ein Liter heißen Weinessig; zu Kräuteressig ein Gemisch von Estragonblättern, Zwiebelringen, Thymian, Petersilienblät tern, Dill, ein Lorbeerblatt, etwas Bucker, Basilikum, Kerbel, jungen Sellerieblättern, einigen Schalotten, Pfefferkörnern und Weinessig. Der Essig wird kochend über die Kräuter und Gewürze gegossen und das Gefäß gut verschlossen. Nach einigen Wochen seiht man den Kräuteressig ab und füllt ihn in Flaschen, die sorgfältig verforkt werden.

Manche lieben noch eine Beigabe von Melisse, Salbei, Rosmarin­blättern, Lavendel, Majoran, Raute, Zitronen- oder Apfelsinen­schalen, Hollunderblüten, Wachholderbeeren, Knoblauch, Aniskraut, Waldmeister usw. Die Zusammenstellung ist natürlich Geschmad­sache. Man kann auch jedes dieser Kräuter für sich in wenig Wein­essig ausziehen lassen und sie dann nach Belieben gemischt oder un­gemischt oder als Zusatz zu ungewürztem Essig verwenden.

Von Limonadenessig, hergestellt aus Orangenschalen und Weinessig, war in diesen Blättern schon die Rede, ebenso davon, daß die ausgepreßten Rückstände beim Einlochen von Fruchtsäften, mit Effig übergossen und nach einigen Wochen filtriert, einen brauchbaren Fruchtessig ergeben. In diesem Jahre, wo die Hausfrauen wegen des Budermangels am Ginkochen von Früchten verhindert sind, werden sie vielfach die frischen Früchte unmittel­bar mit gutem Essig anstellen, im geschlossenen Glase an der Sonne ausziehen lassen und nach vierzehn Tagen durch ein gebrühtes Seihtuch abfiltrieren. Hierzu eignen sich Himbeeren, Erdbeeren, Sauerkirschen, Blaubeeren und andere, ein halbes Pfund etwa auf einen halben Liter Essig gerechnet. Diesen Essig kann man zu den in Norddeutschland beliebten, im Süden leider ganz unbekann­ten Kaltschalen verwenden, aber auch zur Geschmacksverbesserung von fade schmeckendem Birnenkompot, Fruchtsaucen und dergleichen. Eine besondere Stellung nimmt der Zucker unter den Würz­stoffen ein, insofern als er zugleich ein wichtiges Nahrungsmittel ist. Zucker ist in der Milch, im Fleisch und Blut, in Früchten, Samen und Wurzeln enthalten. Schon im achten bis zwölften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung verstand man, ihn in In­ dien   gesondert aus dem dort heimischen Zuckerrohr herzustellen. die Araber verbreiteten dann zweitausend Jahre später die Kul­tur des Zuckerrohrs am südlichen Rande des Mittelmeeres und bis nach Südspanien und Sizilien. Bis dahin hatte man sich in Europa  ausschließlich des Honigs zum Süßen der Speisen bedient. Nach der Entdeckung Amerikas   wurde der Anbau des Zuckerrohrs und seine Verwendung auch dort bekannt. 1747 erkannte der Berliner  Chemiker Marggraf den hohen Zuckergehalt der einheimischen Runkelrübe. Doch konnte die von Marggraf und seinem Mit­arbeiter Achard   angebahnte Rübenzuckerindustrie den indischen Rohrzucher nicht eher aus dem Felde schlagen, als bis ihr die Kon­tinentalsperre unter Napoleon I.   den Konkurrenten aus dem Wege räumte. Nach dem Sturze Napoleons   schlief die Rübenzuckerfabri­fation auch in Deutschland   ein, um erst in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts wieder aufzuleben. Von da an nahm sie dann einen mächtigen Aufschwung, unterstützt durch die Fort­schritte in der Fabrikationstechnik und im Rübenbau, so daß Deutschland   mit 32 Prozent der Rübenzuckerfabrikation heute weit­aus an der Spite aller Rübenzuder produzierenden Länder steht. Rohrzucker ist gegenwärtig bei uns fast unbekannt, während er in England und Amerika   noch immer massenhaft verbraucht wird. Als Würze wie als Nahrungsmittel hat der Zucker allmählich wei­teste Verbreitung gefunden, die in Deutschland   in den Schichten der Minderbemittelten nur durch die hohe Zuckersteuer von 7 Pfennig auf das Pfund beeinträchtigt wurde. In den ersten anderthalb Jahren des Weltkrieges wurde von oben" eine riesige Propaganda für den Zuckerkonsum entfaltet, um dem immer be­ängstigender werdenden Fettmangel entgegenzuwirken. In diesen Tagen haben wir dann den beispiellofen Skandal erlebt, daß der Zick­zadfurs in der Ernährungsorganisation auch den Zucker, dieses wichtige Nahrungs- und Genußmittel, fnapp werden ließ wie Mehl, Fleisch und Fett. Natürlich sind es die arbeitenden Massen, die dieses Stärkungs- und Würzmittel am schwersten entbehren, da sie ja in der Auswahl ihrer Nahrungs- und Genußmittel ohnehin be= schränkt sind. Man hat uns als Ersatz das aus dem Steinkohlen­feer gewonnene Sacharin empfohlen. Aber vorläufig ist das Sacharin zum Verkauf noch nicht freigegeben, und dann ist es auch nur ein sehr unvollkommenes Surrogat für Zucker. Zwar ist es fünfhundertmal so süß wie Zuder, übertrifft diefen also als

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Würze, aber es befibt keine Spur von Nährwert. Während Zucker im Körper restlos verdaut wird, passiert Sacharin ihn unverändert. Haben wir in den vorstehenden Ausführungen die drei beden­tendsten Würzmittel: Salz, Essig und Zucker kurz behandelt, so sollen die folgenden Artikel den Wurzel- und Zwiebelgewürzen, den Rinden, Stengel- und Blattgewürzen sowie den Blüten- und Fruchtgewürzen gewidmet sein. M.Kt.

Die Mutter als Erzieherin.

Ein Wort von Goethe für die Mütter. In Werthers Leiden  finden wir unter dem 29. Junius" folgenden herrlichen Brief, der der Mutter, den Eltern viel über die Behandlung der Kinder sagt. ,, Vorgestern kam der Medikus hier aus der Stadt hinaus zum Amtmann und fand mich auf der Erde unter Lottens Kindern, wie einige auf mir herumkrabbelten, andere mich neckten, und wie ich fie figelte und ein großes Geschrei mit ihnen erregte. Der Doktor, der eine sehr dogmatische Drahtpuppe ist, unterm Reden seine Man­schetten in Falten legt und einen Sträufel ohne Ende herauszupft, fand dieses unter der Würde eines gescheiten Menschen; das merite ich an seiner Nase. Ich ließ mich aber in nichts stören, ließ ihn sehr vernünftige Sachen abhandeln und baute den Kindern ihre Karten­häuser wieder, die sie zerschlagen hatten. Auch ging er darauf in der Stadt herum und beklagte: des Amtmanns Kinder wären so schon ungezogen genug, der Werther verderbe sie nun völlig.

Ja, lieber Wilhelm, meinem Herzen sind die Kinder am nächstent auf der Erde. Wenn ich ihnen zusehe und in dem kleinen Dinge die Keime aller Tugenden, aller Kräfte sehe, die sie einmal so nötig brauchen werden; wenn ich in dem Eigensinne künftige Standhaftig­feit und Festigkeit des Charakters, in dem Mutwillen guten Humor und Leichtigkeit, über die Gefahren der Welt hinzuschlüpfen, erblicke, alles so unverdorben, so ganz!- immer, immer wiederhole ich dann die goldenen Worte des Lehrers der Menschen: Wenn ihr nicht werdet wie eines von diesen! Und nun, mein Bester, sie, die unseresgleichen find, die wir als unsere Muster ansehen sollten, behandeln wir als Untertanen. Sie sollen feinen Willen haben! Haben wir denn feinen? Und wo liegt das Vorrecht?- Weil wir älter sind und gescheiter! Guter Gott von deinem Himmel! Alte Kinder siehst du und junge Kinder und nichts weiter; und an welchen du mehr Freude hast, das hat dein Sohn schon lange verkündigt. Aber sie glauben an ihn und hören ihn nicht das ist auch was Altes-, und bilden ihre Kinder nach sich, und adieu, Wilhelm! ich mag darüber nicht weiter radotieren."

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Notizen.

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Ift eine längere Lehrzeit für weibliche kaufmännische An­gestellte nötig? Der Krieg brachte einen großen Andrang weib­licher Arbeitskräfte zur kaufmännischen Kontortätigkeit. Die zahl= reichen Einberufungen männlicher Angestellter zum Heeresdienst ließen tatsächlich einen starten Bedarf nach Ersatzkräften entstehen. Vielen jungen Mädchen erschien der Beruf als kaufmännische An­gestellte sehr aussichtsreich. Die" Konjunktur" wurde von den über­handnehmenden kaufmännischen Handelslehranstalten wahrgenom men, die in furzen Lehrgängen kaufmännische Angestellte aus­bilden. Nie entfalteten sie eine lebhaftere Reklame und nie fanden fie mehr Zuspruch als in der gegenwärtigen Kriegszeit. Der Zu drang zu den Handelslehranstalten wurde gefördert durch die Be­schäftigungslosigkeit junger Mädchen in einigen anderen Berufs­zweigen. So zum Beispiel in der Hauswirtschaft, in der Textil­industrie, der Schneiderei usw. Es entstand ein Überangebot von weiblichen faufmännischen Angestellten. Im Februar 1915 hatten. bei den gemeinnüßigen Stellenvermittlungen 5361 weibliche kauf­männische Angestellte eine Beschäftigung gesucht, während nur 1166 verlangt wurden. Im Februar 1916 boten sich 5885 Stellungs­lose an, obgleich die Zahl der für sie vorhandenen offenen Bosten nur 1685 betrug. Beschäftigung fanden nur 1120, also noch nicht einmal ein Fünftel der Stellensuchenden.

Um die Erscheinung zu bekämpfen, wird von verschiedenen Seiten nach altem Muster empfohlen, die jungen Mädchen müßten eine längere Lehrzeit durchmachen. Durch die bürgerliche Tagespresse ging ein Artikel, in dem es hieß, daß die Nachfrage nach gut aus­gebildeten Bewerberinnen für faufmännische Stellen sehr stark sei, während ein überangebot von unausgebildeten Kräften den Markt überschwemme. Weil diese leistungsunfähig seien, blieben sie stellenlos oder bekämen nur gegen ein zu geringes Entgelt einen Posten zugewiesen, so daß sie nicht imftande seien, ihren Bebens­