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fache, rohe, ungehobelt« ESrge. Wohin man auch blickt: Kind«r, Hunde, Särge; Lumpen, Schmutz, Gestank. Schwül Ist's in Esa» mara. Schaudervoll! Der Sowjet in Ssamara sammelt diese Kinder und nährt sie. Ich war in dem Kinderheim, in einer gewesenen Kirche, ein halb- versollenes Gebäude ohne Fenster, ohne Türen, und ein großer ver- wahrloster Hof. Und hier das gleiche Bild wie auf dem Bahnhof. Schmutz. Gestank und Todesstarre. Im Leben habe ich nie solche Kinder gesehen. Ein Knabe von 14 Jahren, mit einem zerrissenen Gymnastastenmantel, blaß, bläu- lich durchsichtig, kahl das Haar ausgefallen vom Hunger. An der Hand einen Neinen Bruder von 4 Jahren. Beide todgeweiht. Biel  - leicht leben sie noch ein« Woche, vielleicht sterben sie noch heute. Wo sind die Eltern? Wer weiß es? Vielleicht haben sie einen Brotplatz erreicht und trauern um die verlorenen Kinder, und sind unglücklich, vielleicht auch sind sie tot, keiner weiß von dem andern. Jeden Tag werden Dutzende von Kindern eingebracht. Sieb- zig Prozent aller sind typhus  - oder ruhrkrank," erzählt uns der Leiter des Heims, ein alter, würdig aussehender Mann. Täglich sterben hier sechs bis zehn Kinder.-Dos Heim hat keine Betten, keine Kissen, keine Decken. Kranke und Gesunde liegen zusammen auf Pritschen. Es wimmelt von Läusen Es gibt kein heißes Wasser zum Waschen, kein Holz zum Wosscrkochen, keine Scheiben in deg Fenstern. Wenn die Kälte kommt, müssen alle erfrieren. Aber wir werden schon Ordnung schaffen. Als wir vor drei Wochen herkamen, erzählt der Alte, war hier überhaupt nichts, letzt haben wir schon Pritschen. Ein Separatraum für Kranke ist im Bau, eine Badeanstalt wird morgen fertig und in emer Woche denke ich Scheiben zu bekommen. Alles das erfordert kolossale An- strengung, weil es gar nichts gibt und vor allem keine Arbeiter. Ich bin hier ununterbrochen Tag und Nacht tätig, schlafe aus den Pritschen der Typhuskronken und habe keine Hilfe. Man opfert Geld, aber feine Kräfte will keiner hergeben, die Kriegsjahre haben die Menschen abgestumpft, sie bleibe» den Leiden gegenüber un- gerührt. Womit werden die Kinder ernährt? Mit bitterem Haferbrot und Hering. Stellen Sie sich typhus- kranke Kinder mit 42 Grad Fieber vor, die mit Hering und schwarzem Brot ernährt werden. Eigentlich verlängert man die Dualen hier nur, denn sterben niüssen sie doch oll«. Gestern kam hier aus Moskau   eine amerikanische Hilfskommis- sion an, da ist eine Erleichterung eingetreten. Unter meinem Fenster liegt ein sterbendes Mädchen, ein an- scheinend Ibjähriges, liebes schlankes Mädchen, liegt da mit geschlos- jenen Augen. Manchmal öffnet sie die Augen und schaut unbeweg- lich starren Blickes in den Himmel. Morgens beim Erwachen fchaue ich aus dem Fenster, da liegt sie noch in derselben Stellung, ganz in Schwarz, blaß, mit geschlossenen Augen, mit aus der Brust gefalteten Händen. Abends, bei meiner Rückkehr, dasselbe Bild. Ich bringe ihr Brot und Milch. Sie weigert sich, sie kann schon nicht mehr esien. Ich spreche sie an, sie schaut auf mich mit entrücktem Blick. Ich will sie aufheben, in meinen Wagen tragen, vielleicht. gibt es noch Hilfe. Sie will nicht, blickt so flehend, will nur Ruhe. Mir ist der Anblick fürchterlich. Ich laufe davon. Die ganze Nacht träum« ich davon Beim Morgengrauen laufe ich von einem Arzt zum andern, endlich finde ich einen Studenten, der mit inir geht. Sie liegt da mit gefalteten Händen. Der Arzt nimmt eine Hand. Bor einer halben Stunde ist sie gestorben. Zwei Sanitäter, tragen aus dem Wartesaal erster Klasie einen Kindcrleichnam, bedeckt mit Fliegen. Ein flatterndes Zöpfchen mit einem Band hängt herab, es ist ein Mädchen mit aufgeblasenem Leib, mit geschwollenen Beinen, das gewöhnliche Bild Hungertod. Im Wartesaal erster Klasse, diesem großen, erst kürzlich reno- vierten Saale, ist gerade in der Mitte eine Barriere aus Bänken errichtet; auf der einen Seite liegen Flüchtlinge, hier herrscht Ge- stank und Unrat. Aber auf der andern Seite steht ein erstklassiges Büfett. Lange Tische mit-blüteuweißen Tischtüchern, bedeckt mit Blumen, Kandelabern und Kristall. Hier ist die Sattheit, nein, nicht die Sattheit, sondern der gemeinste, feigste, beschämendste Ueberfluß. Hier gibt es olles Erdenkliche an Delikatesten: Weißbrot, Beefsteak, Wein, und alles billig. 7000 Rubel ein Pfund Brot, L000 Rubel ein Diner aus 2 Gängen. Kuchen, Eis, Trauben, Melonen, Birnen, Schokolade, Zigarren. In der Hauptstraße von Ssamara sind alle Cas6s überfüllt, und überall bekommt man alles und verhältnismäßig billig. Ssamara ist voll von Spekulanten. Die Hungernden verkaufm alles, was sie haben. Ein Pferd kostet V» Million Rubel und in Moskau   5 Millionen. Eime   Kuh kostet 100000 Rubel und in Mos» kau kostet 1 Pfund Butter 30 000 Rubel. Hier gibt es Schieber die Menge, die fitzen bis 2 Uhr nachts Im Stadtqarten beim Konzert. am linken Wolgaufcr, und Damen mit großen Federhüten spazieren in den Alleen. Monsieur, bitte eine Zigarette..... Am Korl-Marx-Theater spielt eine Truppe des früheren Kaiser  - sichen Theaters, man spieltDie Geisha",Siebesnacht",Puppchen" und derartige einaktige Farcen. Das Theater ist überfüllt von den- selben jungen Herren mit den Taschkenter Mützen und den Damen «It de» Fcdcrhüten, und übermäßiger Dekolletierung. Und diese Ausgelassenheit, diese Tollheit, dieser Taumel ln dem »erwesenden, sterbenden Ssamara. Totentanz. lA»» dem Nufftschen Sderletzt von Kos« Olanj.) Der Grkon. von P a u l B a r t h., Längst schon ist die Sonne am fernen Horizont untergetaucht� dunkler und dunkler ist es geworden. Jetzt aber, abseits vom Licht« meer der Großstadt, auf weiter Flur zeigt sich uns der Himmel in feiner vollendeten Pracht. Tausende von Sternen blinken auf un> herab, und je länger man gen Himmel schaut, je mehr werden es. Sie stehen zu Gruppen und Haufen zusammen und bilden schön« Figuren. Das herrlichste Sternbild aber ist das des O r i o». Der Orion hat die Gestalt zweier Trapezoide, die mit ihrer kürzesten Seite zueinander Kopf stehen. Diese Seite bilden drei Sterne, die als I a k o b s st a b bezeichnet werden. Links über dem Iakobsstab befindet sich der Hauptstern Beteigeuze  , rechts von ihm B e l l a t r i x und unter dem Jakobsstab der R i g e l. Betete Ei ist 142 Lichtjahre von uns entfernt. Das bedeutet: ein Licht« l gebraucht 142 Jahre, ehe er von dieser Sonne uns erreicht. wissen, daß ein Lichtstrahl von unserer Sonne 8 Minuten g« braucht, um zu uns zu gelangen. 8 Minuten lang sehen wir di« Sonne noch, nachdem sie bereits untergegangen ist. 142 Jahre hin« durch würde man den Stern Beteigeuze noch erblicken können, wenn er heute plötzlich verschwunden wäre, und erst nach 320 Jahren könnt« man einen Weltuntergang wahrnehmen, falls heute der Rigel. der 320 Lichtjahre von uns entfernt ist, mit einem fremden Stern zu« fammenstöße. Welche ungeheuren Entfernungen sind das! Ein Lichtstrahl legt In einer Sekunde 300 000 Kilometer zurück, in einem Jahr~ rund 31 000 000 Sekunden X 800 000 Kilometer= rund 10 Billionen Kilometer. Infolgedessen trennt uns eine Kluft bi« Beteigeuze   von 1420 Billionen Kilometer und bis zum Rigel 320Ü> Billionen KUometer. Für menschliche Begriffe sind diese riesigen Weiten unvorstellbar. Wir schauen still ergriffen das schön« Sternenbild an und nehmen nicht wahr, daß es sich durchschnittlich in jeder Sekunde 20 Kilometer von uns entfernt. In fünf Minuten hat es bereits einen Weg von 6000 Kilometer zurückgelegt. Erst nach Jahrtausenden würde man eine leichte Verschiebung des Stern« bildes feststellen können. Und freundlich sendet der Stern Beteigeuze sein rötliches Licht zu uns herab. Er ist nicht mehr voller Iugendfeuer wie unser« Sonne, die, wenn auch schon fleckig, doch noch ihr gelbes Licht aus« strahlt; er Ist ins Greisenalter' gekommen und auch viel kälter ge« worden. Unwillkürlich fragt man sich, ob die Geschöpfe, die di« Planeten beherrschen, die um Beteigeuze   kreisen, unter der weniger Wärmeausstrahlung zu leiden haben. Sind sie im Besitz reichlicher Kohlenquellen oder greifen sie zu Ersatzstoffen? Herrscht dort viel« leicht Friede und Eintracht unter diesen Wesen? Ist dort schon di« höchste Kulturstufe, das Ziel der Menschheit, der Sozialismus, er« reicht? Wird dort schon gesetzlich der 9. November gefeiert? Alle« Fragen, wer kann sie beantworten? Dicht unter dem Jakobsstab, noch mit bloßem Auge wahrnchm« bar, sieht man einen schwachen Lichtschein. Es Ist der berühmt« Orionnebel. Zirka SOO Lichtjahre ist er von uns entfernt. Hiee ! ist ein wüstes Durcheinander von glühenden Gasen. Man nimmt an« daß vor Jahrtausenden eine gewaltige Wcltkatastrophe stattfand, wo ganze Sternengruppen ihren Untergang fanden und nun diesen riesigen Nebel bilden. Jahrmillionen mögen noch vergehen, di» glühenden Gase haben sich abgekühlt, sind dichter und siüssig ge« worden, eine Zentralsonne hat sich gebildet, um die nach vorge« schriebenen Gesetzen die kleineren Sonnen kreisen werden. Neu« Stcmsysteme, neue Weltsysteme haben sich gebildet und nach abee Millionen Jahren wird neues Leben erwachen. Während diese« Zeit hat sich der Stern Beteigeuze mehr und mehr abgekühlt, schließ« lich ist er ganz erloschen, alles Leben ist gestorben vereist. St» eilt er als dunkler Stern durch das Weltall  , bis sich ihm ein andere« zugesellt, mit dem er einen Doppelstern bildet. In rasender Ge« lchwindigkeit umkreisen sie sich, kommen sich näher und näher, uni schließlich mit ungeheurer Wucht zusammenzuprasseln. Die ei»« erstarrten Masten werden glühend, flüssig und gasförmig und bilden nun wieder einen Nebel. Oder aber nach einer anderen 5mpothese: Der Stern Beteigeuze   schrumpft infolge der großen Kälte im Weltenraum immer mehr und mehr zufammen, bis durch den ge« wältigen Druck der Stern heiß, glühend, wohl flüssig, und nun sein« Umhüllung auseinandersprengt So ist- der Sonnenlauf, ein Werden und Sterben, ein Eni« stehen und Vergehen, ein ewiger Wechsel von Tod und Leben, Werden jemals diese Welträtfel gelöst werden? Wir aber blicken gen Himmel und erfreuen uns des schönen Sternenbildes. Vergessen für Augenblicke all unser Leid und Weh und schöpfen aus ihm neue Kraft zu neuem Schaffen. i Die Sonne tönt nach alter Weise In Brudersphären Wettgesang, Und ihre vorgeschrieben« Reise Bollendet sie mit Donnergang. Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke, Wenn keiner sie ergründen mag, Die unermeßlich hohen Werke Sind herrlich, wie am ersten Tag. j Das Alter sieht in allem Tagesereignis nur Staub«uf« wirbeln, der bald verstoben und vergessen sein wird; daher hat es keine rechte Lust des Kampfes. Berthild««irXA. :«a-fSki