Geistersthwinöel.Von Fritz Müller(Chemnitz).Wie Geisterschwindel ausgeführt wird, zeigt Schiller im Anfangfeines Romans„Der Geisterseher". Damit die Kunden in die not-wendige Stimmung versetzt werden, müssen sie sich bis aus Hemd undStrümpfe entkleiden und sich vor einen Zlltar stellen, auf dem u. a.ein Totenkcpf und eine chaldäische Bibel liegen. Der Raum ist ver-dunkelt und mit dickem Rauch angefüllt. In einer Silberkapsel brenntSpirituslicht, das nach einer viertelstündigen„Beschwörung" verlischt.Da erscheint unter Donnergepolter der gewünschte„Geist" und ant-«ortet in langen Pausen aus die Fragen, die sein„Beschwörer" stellt.Der Betrüger wird entlarvt und gesteht dann im Gefängnis, wie erden Schwindel ausgeführt hatte. Den Donner erzeugte ein Helfermit den bekannten Geräten, mit denen auf dem Theater Donner her-vorgerufen wird. Gegenüber dem Altar war im Ausschnitt des Fen-sterladens eine Zauberlaterne versteckt. Solange dos Spirituslichtbrannte, tonnte man das Bild des„Geistes" nicht sehen. Als aberdie Flamme erlosch, wurde es sichtbar. Der aufsteigende Rauch be-wegte es. Die Antworten gab ein anderer Gehilfe, der im Schorn-stein versteckt war.Wer die Kunst des Bauchredens versteht, kann die Antwortenselbst erteilen. An Stell« der Zauberlaterne treten heutzutage dünneSchleier, leuchtende Substanzen usw. Die nötige Bewegungsfreiheitder Arme sichern sich die Medien dadurch, daß sie falsche Arm� auf denTisch legen und mit den natürlichen Armen arbeiten, während dieAnwesenden glaiiben, daß der Betrüger keine Hand frei hat. EineSpiritistin ließ je eine Person rechts und links von sich Platz nehmenund beauftragte sie, ihre Hände festzuhalten. Dabei reichte sie demrechten Nachbar die linke Hand des linken Nachbars. Beide Kon-trolleure glaubten aber, je eine Hand des Mediums zu haltenl Aufeinen besonders gerissenen Schwindel fiel einmal Napoleon III.herein. Er mußte die Hände unter den Tisch halten und wurde vonder kalten Geisterhand seines oroßen Oheim» gestreikt. In Wirklich-keit aber war es der Fuß des Mediums, das ohne Strümpfe und inetwas zu weiten Schuhen erschienen war!Eine Zeitlang erregten Geisterphotographien großes Aufsehen.Wer sich photographieren läßt und dann ein Bild erhält, aus demneben ihm der Geist seiner Großmutter zu sehen ist, der glaubt garleicht, der Geist habe während der Aufnahme— dem menschlichenAuge unsichtbar— ihm zur Seite gestanden. Die lichtempfindlichePlatte lügt zwar nicht. Aber der Mensch kann leicht Mißbrauch mitihr treiben. Man stellt den Apparat schon vorher auf den Stugl,auf dem der Kunde photographiert werden soll. Dann verdunkeltman den Raum ein wenig, läßt jemand in„Geisterkleidung" Platznehmen und belichtet ganz kurz. Dieselbe Platte benutzt man dannzum Photographieren. Man kann den„Geist" auch nachträglich aufdie Platte bringen. Solche„Geisterphotographien" sehen deshalb sotäuschend aus, weil durch den Körper des„Geistes" die Umrisse derGegenstände hindurchschimmern, die sich hinter ihm befinden.Verschiedene Betrüger lassen ihre Geister sich auf andere Weis«„offenbaren". Wie man Geisterstimmen erzeugt, habe ich schon an-gedeutet. Dabei kam Mohammeds Geist einmal in schwere Bedräng-nis. Er hatte ziemlich verzwickte Fragen sehr trefflich beantwortet.Do fragte ihn ein Professor der orientalischen Sprachen etwas aufArabisch. Mohammed blieb die Antwort schuldig. Dabei war Ära-bisch seine Muttersprache, und die Frage lautete:„Wieviel ist 2 X 2?"Geisterschristen lasten sich auf verschiedene Weise erzeugen. Manschreibt auf eine Schiefertafel einige mystische Satze und bedeckt diesesGeschreibsel mit einer dünnen schwarzen Pappe, die gerade auf dieEchreibfläch« paßt. Darauf legt man eine ander« Schiefertafel. Mankann der Sicherheit halber die Tafel versiegeln lassen. Dann hältman beide Tafeln über den Kopf, beginnt zu zittern usw. Bevorman die Tafeln wieder auf den Tisch legt und sie öffnen läßt, richtetman es so ein, daß die Tafel, die erst unten lag, oben zu liegenkommt. Dadurch fällt die Pappeinlage auf die andere Tafel, unddie Schrift wird sichtbar.Die Geisterdruckpreste kann man in verkleinerter Ausgab« aufden Jahrmärkten zu kaufen bekommen. Sie besteht au, zwei schwor-zen Rollen. Steckt man links unbeschriebenes Papier hinein, sokommt es rechts beschrieben oder bedruckt wieder heraus. Die Rollensind so mit schwarzem Papier überzogen, daß sich die Zettel, die manhineinsteckt, unter dem Ueberzug auf die. eine Roll« wickeln, und daßauf der anderen Seite Zettel zum Vorschein kommen, die man schon»orher hineingewickelt hottE» gibt kein Taschenspielerstückchen, auf das— wenn man esin spiritistischem Sinn« verwendet— nicht«in paar Personen herein-fallen. Beantwortet z. B. jemand Fragen, die in Briefumschläge ein-geschlossen sind, vor dem Oeffnen dieser Umschläge, so ist er keinHellseher. Er hat»ielmehr eine Frage selbst geschrieben und sie z u>letzt gelegt. Dadurch aber, daß er sie z u e r st beantwortet, ist erimstande, stets vorher zu lesen, was er dann beantworten soll. Ode?man verteilt versiegelte Umschlüge und läßt sie an allen möglichenOrten verwahren. Dann fordert man einen Anwesenden aus, eineZahl mit fünf Ziffern auf einen Block zu schreibei., einen anderneine dreistellige usw. Ein sicherer Rechner mutz die Zahlen zu-sammenzählen und die Summ« verkünden. Dann werden die Um-schlüge geöffnet, und in allen steht diese Zahl. Hierbei sind selbstverständlich keine Geister im Spiele, sondern man hat nicht die Zah.len zusammenzählen lassen, die verschiedene Anwesende aufgeschriebenhatten, sondern Zahlen, die auf der anderen Seite des Blockes sta r»den. Infolgedesten wußte man die Summe bereits und konnte sievorher auf die in den Umschlägen eingeschlossenen Zettel schreiben.Das Kunststück wird manchmal auch so ausgeführt, daß in den ver-sie�-'ten Briefen angegeben ist, welche Karte jemand gezogen hat.Man legt ihm dabei ein Spiel von 32 gleichen Blättern vor!Aehnliche Kniffe liegen den Vorführungen zugrunde, die auf die„Ueberwindung des Raumes" hinauslaufen. So ist es nicht schwer,aus einer Kassette, deren Schloß versiegelt ist, einen Gegenstand ver-schwinden zu lasten, wenn man durch einen Druck auf einen Knopfden Boden zum Niederklappcn bringen kann. Oder es setzt sich jemandauf einen Stuhl, läßt sich nach seinen Weisungen die Hände an denStuhl fesseln und dann den Vorhang niederziehen. Geht der Vor-hang wieder auf, so sitzt der Künstler, der vorher einen(Schröck anhatte, in Hemdsärmeln und immer noch gefesselt auf dem Stuhl. AmStuhle hing ein Mester, das sich trotz der Fcstelung noch erreichenneß. Damit zerschnitt der Angebundene die Fessel, die der erstenglich, aber dehnbar war und sich leicht anlegen lieh!Das sind nur einige Tricks, deren sich Geisterschwindler bedienen.Bei manchen Schwindeleien weiß man noch nicht, wie sie ausgeführtwerden. Trotzdem aber find sie Schwindel. Die Betrüger wollenentweder— wie es In Schillers„Geisterseher" der Fall war— Ein-fluß auf ihre Mitmenschen ausüben oder sie um Geld prellen. Geradein unserer Zeit machen die Spiritisten glänzende Geschäfte. ImKriege sind soviel Menschen umgekommen. Die Angehörigen wollengern mit den Geistern der Gefallenen verkehren. Wer nun vorgibt,diese Verbindung herstellen zu können, der findet(.ulauf, und demglaubt man auch dann, wenn er den dreistesten Betrug verübt.Das gsMofe Lieö.Fröhlich und gottvergessen sang der Schulmeister mitseinen sämtlichen ihm anvertrauten Schäflein das schöne Lied:Jeder Schäfer wurde kühner,Kühner jede Schäferin.Mitten im schönsten Taktschwingen und Maulaufreißentrat leisen Schrittes Hochwürden in die Schulstube, worauf dieKinder sofort noch um einen halben Ton höher und um«inenhalben Zentner lauter sangen und der Schulmeister mitseinen Knochenarmen noch um zwei Ellen weiter ausgriff.Hochwürden hörten sich das Lied bis zu Ende an. wischten sichdie Stirn, traten an den des wohlverdienten Lobes gewärtigenBubenbändiger heran, zupften ihn am Aermel und sprachenräuspernd also:„Mein lieber Herr Schulmeister. Wie treff.lich macht Er seine Sache. Die Kinder von welchem Eifer!Der Chor von welcher Ausgeglichenheit! Allein das Lied,mein Bester, wie kommt Er auf das Lied?"Worauf der Schulmeister also antwortete:„Es ist, soich nicht irre,.Hochwürden, dieses Lied von Herrn EeheimratGoetbe. wo nicht von König David gar, der, wie die Schriftvermeldet, und ein Schäfer war gleichwie unseren Stadtherrenin der glorreichen Mode dieser Zeiten, daß das Landlebenwiederum gewürdigt werde."Worauf der Seelensänftiger also entgegnete:„Das Lied.mein Bester,«i, ich sage nichts mitnichten wider seine Melodie.Die hoffe ich oft und öfter noch zu hören. Hingegen, schau Ernur die Worte an: Wie kann man Kinder nur dergleichenBerfänglichkeiten singen lassen? Schäfer— Schäferin. Genug.mein Bester, daß wir Alten solcherlei— wie sag ich— Sch仕ferinnen pflegen. Jedoch bedenk Er nur die kindlichen Ee-müter. Ich mein', Er ändert die verdächtigen Worte undschafft das Aergernis beiseit'.Sprach's und entschritt.Am nächsten Morgen wurde nicht gesungen in der Schule.Die Kinder waren mäuschenstill, denn der Schulmeister dichtete.Am übernächsten Tage aber scholl es laut herüber nachder Pfarre:Jeder. Käfer wurde kühner,Kühner jede Käferin.