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Wissen und Schauen Aus dem Leben zweier ileber-Vohemiens. In der Galerie der Charakterköpfe aus der Welt des französischen   Kunstzigeunertum? gilt der Dichter Paul V e r l a i n e als der reinste Typus des unsteten, vom Vagabundentrieb beherrschten Bohemiens. Aber er wird doch von seinem Freunde und Bruder in Apoll   Arthur Rimbaud  in dieser Beziehung noch in den Schatten gestellte Auf ihren Wanderfahrten waren beide auch nach England gekommen; sie lebten hier in Cambden)ill bis zu dem Abend, da infolge Meinungsver- schiedenheiten über die Besorgung des Abendbrotes der Bruch ein- trat. Verlaine   hatte einen Fisch nach Jjause gebracht, der so wenig frisch war, daß die Jungens auf der Strcge sich darüber lustig ge- macht hatten. Rimbaud   schrieb gerade eines seiner feinen kleinen Gedichte, als der Freund eintrat. Auch er nahm Anstoß an dem übelduftenden Gericht und machte seinem Freunde heftige Vor- würfe über seinen Einkauf. Statt aller Antwort schlug ihm Verlaine  den beanstandeten Fisch um die Ohren, ging aus der Tür und reiste mit dem nächsten Schiff nach dem Kontinent ob. Aber kaum war er in Frankreich   gelandet, als er, von Reue ergriffen, den Freund telegraphisch um Verzeihung bat und ihm gleichzeitig einen Geld- betrag mit der dringenden Bitte übersandte, das Geld dazu zu ver- wenden, um ihm nachzukommen und sich mit ihm auszusöhnen. Diese Versöhnung kam auch in Gegenwart von Verlaines Mutter in einem chotel in Brüssel   zustande. Es entwickelte sich eine rührende Szene, die aber einen unerwarteten dramatischen Ausgang nahm, als Ber- laine plötzlich zum Revolver griff, Rimbaud   eine Kugel ins chand- gelenk jagte und eine zweite in die Mauer schoß. Die Folge dieser Schießerei war, daß Verlaine   zwei Jahr« im Gefängnis von Rons Quartier bezog, und daß Rimbaud   sich auf eine Wanderfahrt begab, der erst sein zwanzig Jahre später erfolgter Tod ein Ziel setzte. In jener Zeit zählte Rimbaud   erst 18 Jahre, aber er hatte bereits die meisten der Gedichte geschrieben, die bis zur Stunde noch ihren Ein- fluß auf die französische   Dichtung ausüben. Nach seinem neun- zehnten Jahre schrieb er nicht eine Zeile mehr. Wenn Rimbaud   im Gegensatz zu Verlaine   auch nicht ein Sklave des Absinths war, so wurde er dafür um so mehr von einem unbezwinglichen Wander- trieb beherrscht, der ihn ruhelos in der Welt umherjagte. Er kam als Schulmeister nach Deutschland  , verließ es aber bald wieder, um über den Sankt Gotthard   nach Italien   zu wandern. Dann trat er in holländische Militärdienste, ging als Kolonialsoldat nach Java, desertierte und kam, nachdem er sich wochenlang in den Dschungeln verborgen hatte, als Dolmetscher an Bord eines englischen Schiffes, mit dem er nach Europa   zurückkehrte. Durch das Angebot, junge Leute zum Dienst in der Kolonialarmee, bei der er selbst desertiert war, zu werben, sicherte er sich bei der holländischen Regierung Straffreiheit. Sein Weg führte ihn später nach Wien  . Hier wurde er von einem Fiakerkutscher ausgeplündert und wegen Bettelns auf dem Schub über die Grenze gebracht. Cr wandte sich dann nach Skandinavien  , wo er als Kassierer eines Wanderzirkus Anstellung fand, wurde aber vom Heimweh gepackt und erhielt auf seine Bitte vom französischen   Konsul das Reisegeld, das ihm die Rückkehr er- möglkchte. Nachdem er ein« Zeitlang in den Docks von Marseille  gearbeitet hatte, trat er in die Karlistische Armee ein, um bald darauf wieder zu desertieren. Dann ging er als Vertreter einer Hamburger Firma nach Alexandrien  , später arbeitete er in einem Steinbruch auf Cypeni. In der Folge nahm er längeren Aufenthalt in Harrar, wo er in den verschiedensten Berufen sein Brot zu verdienen suchte. Eine schwere Krankheit, in deren Verlauf ihm ein Bein abgenommen werden mußte, zwang ihn zur Rückkehr nach Frankreich  , aber schon in Marseille   ereilte ihn der Tod. Kurz vor seinem Ende hatte er bei einer Schiffsgesellschaft noch ein Billet für die Fahrt»ach Aegypten  bestellt, da ihn schon bei der Landung in Frankreich   die Sehnsucht nach dem Orient wieder ergriffen hatte. woher kommen die Turnersprüche? Der Turnergruß lautet bekanntlichGut Heil!" Vielfach ist die Meinung verbreitet, dieses Turnerwort sei eine Erfindung des Turnvaters Jahn 1778 bis 1852). Das ist irrig.Gut Heill" kommt schon aus mittelalterlichen Münzen vor, so auf den Gow-Brakteaten(Hohlmllnzen von Goldblech, die auf der einen Seite ein erhabenes Gepräge haben, das sich auf der anderen Seite vertieft zeigt). Auch die bekannt« Devise:Frisch, Fromm, Froh, Frei.!" wird ohne Grund dem Turnvater Jahn   zu- geschrieben. Der Spruch läßt sich mit den verschiedensten Zusätzen und Veränderungen bis ins 15. Jahrhundert zurückoerfolgen. Die älteste bekonnte Fassung ist:Frisch, Fro, Frey!", die sich in einem ( Liebe Oswalds von Wolkenstein(137S 1445) findet. Die Abkürzung F. F. F. F. schlug der Darmstäldter Turner Felsing auf dem Schwäbi- schen Turnfeste zu Heilbronn   vor. wirtfthast 3m größten Kühlhaus« Europas  . Die durch den Krieg und seine Folgen geschossene bedrohliche Lage auf dem Lebensmittelmartte ließ es geraten erscheinen, zweckentsprechendere Maßnahmen zu ergreifen und wor allem für einen größeren Schutz leichtverderb- licher Nahrungsmittel zu sorgen."Es lag nahe, ein Kühlhaus mit riesigen Ausmessungen zu bauen und dies als Zentrale für größere Nahrungsmittelmengen zu benutzen. In Anbetracht der riesigen Kosten eines sotchen Baues und der notwendigen maschinellen und sonstigen Einrichtung entschloß man sich zur Errichtung nur einer für das ganze Reichsgebiet ausreichenden und zu benutzenden An- lag«. Dies« entstand dann auch während der Jahre 1S17/1S in der am oorteill>aftesten gelegenen und vom deutschen   Eisenbahnnetz am besten berührten Stadt Leipzig  . Die im Jahre 1918 feriigge'stellte Riesenanlag« erhebt sich in unmittelbarer Nähe des östlichen Teiles der Ablagen des Hauptbahnhofes, also fast in der Mitte der Stadt in einer Höh« von sieben Stockwerken mit einer Gesamthöhe von annähernd 30 Metern. Es sind in ihr 24 Kühlhallen vorhanden, die insgesamt eine Fläche von 12 000 Quadratmeter einnehmen und gegen 4500 Raummeter fassen. Die notwendige Kälte erzeugen vier große, durch Elektromotorc angetriebene Maschinen. Selbst bei der größten Außentemperatur im Sommer beträgt die Kälte in den Küh4- hallen nicht über 18 Grad" Celsius. Sämtliche Wände der Räume find mit dicken Korkplattsn bekleidet, um den Ausgleich zwischen Außenwärme und der erzeugten starken Kälte in den Hallen zu ver- hindern. Die Kühlhallen besitzen zusammen ein Fassungsoer- mögen von rund 240 000 Zentnern. Das entspricht etwa der Lade- fähigkeit von 1200 Eisenbahnwogen» und die Nahrungsmittelmengen würden mehrere Wochen ausreichen für die Bevölkerung von Mittel- deutschland. Der Wert der lagernden Waren beträgt meist einige Milliarden, richtet sich aber ganz nach der Jalireszeit und den je­weils aufgestapelten Arten von Nahrungsinitteln. Man findet in den Kühlhallen sowohl ganze Schweine, Kälber, Hammel, Rinder- viertel, Speckseiten, Wurstwaren, Geflügel, Wild, als auch Eier, Butter, Konserven und vor allem in den letzten zwei Jahren amerika- nischss Gefrierfleisch. Alle die aufgestapelten Nahrungsmittel halten sich in den Kühlhallen unbegrenzt lauge. In den einzelnen Halle» selbst, wie auch in allen übrigen Räumen, herrscht selbstverständlich die peinlichste Sauberkeit, die dadurch besonders leicht ermöglicht wird, daß die Gcsamtanlage mit allen Neuerungen versehen ist. Das Eis wird zudem durch mehrere Maschinen selbst hergestellt, so daß die Verbindung mit der Außenwelt nur eine ganz lose ist. Die Anlage ist die größte ihrer Art in ganz Europa  . Sie wird nur noch von den großen amerikanischen   Anstalten in Chikago und einigen anderen Städten Nordamerikas   übertroffen. Zur Versorgung der verschiedenen Teile des Reiches von dem Leipziger Kühlhause aus dienen eine größere Anzahl besonders eingerichteter Eisenbahnwagen, die mit Kältemaschinen ausgestattet si.d und so eine gute Ankunft der beförderten Nahrungsmittel an ihrem Bestimmungsorte gewähr­leisten. Die günstige Lage der Kühlhallen neben dem Güterbahn- Hose Leipzig   ermöglicht eine rasche Abwicklung des Transportes, der ja meist mit größter Beschleunigung ekfvlgen kann. Wcn��iiiW Naturwissenschast Drüse und Charakter. Der menschliche Körper befitzt zwei Arten von Drüsenorganen: die einen erzeugen Absonderungen, die dem Organismus durch einen besonderen Aussührungsgang über- wittelt werden, ander« Drüsen wiederum ermangeln eines solchen Ganges   und geben ihre Abscheidung direkt ans Blut ab. Aber auch die mit Ausführungsgängen versehenen Drüsen haben das, was die Physiologeninnere Sekretion" nennen. Man weiß, daß diese Slusscheidungen nicht nur die größte Bedeutung für die Gesund- erhaltung des Körpers und für sein Wachstum und die Ernährung haben, sondern daß sie auch auf die Entwicklung des Gemütslebens und des Temperaments des einzelnen Individuums von Einfluß sind. Wohl die bekannteste dieser Drüsen derinneren Sekretion" ist die vielbesprochene Schilddrüse, deren Vergrößerung zur Kropf- bildung führt. Die gesteigerte Tätigkeit dieses Organs hat immer Beschleunigung des Pulses, Erregbarkeit,Nervosität" im Gefolge. Aber es gibt noch viele Gebilde derselben Art, die Einfluß auf die verschiedenen Lebensprozesse ausüben, deren Namen aber nur dem Fachniann geläufig find. Da ist beispielsweise eine kleine lind schembar unbedeutende Drüse(der Hirnanhang), die eng mit dem Gehirn in Verbindung steht, die allem Anschein nach dazu dient, die geheimnisvollen Erscheinungen des Wachstums unter Kontrolle zu halten und deren Störungen zur Entwicklung von Riesen und Zwergen führen. Ein anderes kleines Organ bewirkt Verdickung der Knochen im Gesicht und an den Gliedern. Am oberen End« jeder Niere befindet sich di« Nebenniere, auch«ine solche Drüse, deren Ausscheidungen Steigerung oder Herabsetzung des Blutdrucks hervor- rufen, also auf die Gefäße verengend oder erweiternd wirken und so den Blutkreislauf regulieren können Das interessanteste, freilich auch schlüpfrigste Gebiet, dos hier in Frage kommt, die Wirkung der Drüsenausscheidungen oder Hör- man« auf das geistige Leben des Menschen, wird jetzt mit recht ame- ri konischem Wagemut in einer Veröffentlichung beschritten, die von Dr. Louis Berman, Assistent am Biologisch-chemischen Institut der amerikanischen Columbia-Universität, herrührt. Seine weitgehende These spricht sich dahin aus, eines Menschen Charakter und Tempe- rament hing« in der Hauptsache von dem Gleichgewicht ab, das in der Tätigkeit seinerDrüsen der inneren Sekretion" bestehe. Diese Doktrin eröffnet dem Biographen und dem Kritiker ber Zukunft die verlockensten Ausblicke auf di« Gelegenheit zu Phantasie- vollen Exkursen. Er wird imstande sein, die Helden und Heldinnen der Geschichte und ber dichterischen Phantasie im wahrsten Sinn de» Wortes auf Herz und Nieren zu prüfen und auf Grund de» Bestand» ihrerSekretionen" zu klassisizieren. Portio wird beispielsweise als Musterbeispiel des Ausgleich» zwischen Schild- und Hirnfcrüsen gelten können, die Jungfrau von Orleans and Napoleon   sind typisch« Nebennierencharaktere", and die meisten der Dickensschen Fraucn- gestaiten find danach als Damen zu betrachten, die unter dein Ein- fluß ihrer Gehirndrüsen handeln: