Wissen und SchauenKrösus im Cichi« der Milliardenzeit. Die amerikanischenArchäologen werden demnächst die Ausgrabungen in Sarges wieder-aufnehmen, die durch den Krieg unterbrochen waren, und sie hoffendamit den sagenhaften Schätzen des sprichwörtlich gewordenen Lyder-tönigs Krösus auf die Spur zukommen, der in Sarges residiert hat.Wahrscheinlich aber dürste die Enthüllung des lydischen Luxus in derZeit des Krösus für uns eine Enttäuschung bedeuten. War Krösuswirtlich nach unseren Anschauungen der märchenhast reiche Mann,von dem die Erzählungen der sehr viel ärmeren Griechen so viel zuberichten wissen? Alle» in der Welt ist relativ, und die Reichtümerdes von Colon gewarnten Herrschers haben in unserer Zeit derMilliarden sehr viel von ihrem Wunderglanz verloren. Bei nähererBetrachtung wird sich zeigen, daß das prosaische Scheckbuch einesamerikanischen Dollartönigs alle die goldgefüllten Truhen und Kästendes antiken Millionärs in den Schatten stellt. Ein französischer Ge-lehrter d'Avenel, der eine Geschichte des Reichtums in den letztensieben Jahrhunderten verfaßt hat, geht zwar nicht bis auf Krösuszurück, aber er stellt nach sorgfältigen Untersuchungen fest, daß„dieReichen des 20. Jahrhunderts sechsmal reicher sind als die reichstenPersönlichkeiten im Zeitalter des Absolutismus, und zehnmal reicherals die begütertsten Fürsten des Mittelalters". Man braucht garnicht auf die amerikanischen Milliardäre zurückzugreifen; schon dieEinkünfte der großen Finanzleute Europas übertreffen die Summen,die der einst mächtigste König der Welt, Ludwig XIV., zur Wer-kügung hatte. Bor dem Kriege gab es nach den FeststellungendÄvenels 10 Leute in Frankreich, die ein Vermögen von mehr als100 Millionen Frank hatten und 100„Ueberkröfusse", deren Vermögen sich auf 10— SO Millionen belief. Während des ganzenMittelalters findet man nicht eine Persönlichkeit, die auch nur dreiMillionen zu verzehren gehabt hätte. In der Folgezeit verfügtendrei Männer der Geschichte über solche Summen, nämlich Gaston vonOrleans, Richelieu und der habgierige Kardinal Mazarin. Daskolossale Vermögen des Bankiers Samuel Bernard, das in seinerZeit als etwas nie dagewesenes galt, überstieg nicht 20 MillionenFrank. Das ist für einen heutigen Finanzkönig gar nichts; wirhaben seit dem Kriege gelernt, mit Milliarden zu operieren, mitZahlengrößen, von denen sich der alte Krösus noch nichts träumen ließ.WOSOW Natunvissenschastlichen die Commerce Report« der Vereinigten Staaten soebeneine sehr wertvoll« Uebersicht.Die Gesamtmenge von Petroleum, die jemals noch gewonnenwerden kann, schätzt man auf fast 82 Millionen Hektoliter. Das istüberraschend wenig, da der derzeitige Verbrauch im Jahre IL Mit-lionen Hektoliter beträgt. In nicht ganz 03 Jahren wirdes also kein Petroleum mehr geben, eine Tatsache,andiederzeitwahrhaftignochniemandgedachthatlDiese Petroleumschätze verteilen sich im großen auf folgendeLänder. An der Spitze stehen die Vereinigten Staaten, in derenBoden noch 13 Millionen Hektoliter Erdöl ruhen. Dann aber folgtRußland mit seinen fast 10 Millionen, Persien und Mesopotamien,jedes mit fast ebensoviel. Diese drei Länder werden jedoch vo« Süd-amerika übertroffen, besten Petrolumschätze auf 12— 15 MillionenHektoliter geschätzt werden. Südamerika ist also auch darin ein Landder Zukunft.Der ganze übrige Erdball ist relativ arm an Erdöl. Ostindien,China und Japan zusammen bergen noch 10 Millionen des wert-vollen Oeles, Rumänien und Galizien zusammen nur zwei MillionenHektoliter, der kleine Rest verteilt sich auf alle übrigen Staaten.Diese Bilanz ist unerfreulich, aber lehrreich. Man vergleichemit ihr die Jnteresten und Machtlämppfe der letzten zehn Jahre undman wird erkennen, daß die Menschheit nicht nur Opium- und Land-kriege, sondern auch Petroleumkriege geführt hat— und noch führenwird, sei es in friedlicher handelspolitischer— soll man sagen:genuesischer?— Form, teils mit Schwert und Brand.Rur das eine mag dabei trösten, daß in 00 Jahren, bis unsereKinder alt sind, auch diese Kriege ausgekämpft sein werden. Denndann wird Petroleum eine Museumsrarität fein.WllSäffl KulturgeschichteDie Größe der menschlichen Zellen ist sehr verschieden. Dr. FritzKahn berichtet darüber in seinem neuen Werke„Das Leben desMenfchen"(Franckhsche Verlagshandlung, Stuttgart). Die kleinsteZelle ist die Blutplättchenzelle, die sich in ungeheuren Mengen nebenden eigentlichen Blutzellen in der Blutflüssigkeit findet. Die zweit-kleinste ist die Blutzelle, bekannt unter dem Namen„rotes Blut-körperchen", die als Sauerstossträger im Blute schwimmt, und zwarin der unfaßlichen Zahl von 5 Millionen Zellen in jedem Kubik-Millimeter Blutflüssigkeit, etwa 22 Billionen in der gesamten Mengedes menschlichen Blutes. Als dritte folgt das„weiße Blutkörperchen".in der Wissenschaft als Leukozyt bezeichnet, die sich durch ihre Ge-ftaltsveränderung und Eigenbeweglichkeit auszeichnet. In der Mitteder Reihe der Zellgrößen etwa steht die Knochenzelle, die alsmikroskopisches Gallerttier in der Steinmasse des Knochens wie eineAuster in ihrer Schale lebt. Erheblich länger, an Masse aber nebender Blutplättchenzelle die kleinste Zelle ist der Samensaden, die Keim-zelle des Mannes, die in ihrem winzig kleinen Köpfchen die ganzeErbmasse des väterlichen Körpers birgt. Wesentlich größer ist dieNervenzelle, in der sich die verschiedenen Nervenfäden wie Tele-graphendrähte auf dem Postamt vereinigen, und die in ihrem Plasma-leib einen mikroskopischen und in seiner Bauart noch ganz unbegreif-lichen Empfindungs-, Schalt- und Verstärkungsapparat birgt undaußerdem in Form von weißen Schollen ihren Betriebsstoff, ihre„Phosphorkohle", in sich trägt. Schmäler, aber länger ist die Muskel-zelle. Die größte aller Körperzellen ist die Eizelle, die einen Durch-mester von V» Millimeter hat und folglich unter günstigen Be-dingungen eben mit bloßem Auge als ein Pünktchen erkannt werden.kann. Selbst diese Zelle aber wiegt immer nur noch Vk» m» Gramm.Sie ist deshalb so verhältnismäßig groß, weil sich aus ihr nach derBeftuchtung das werdende Kind entwickeln muß, bis sich der jungeKeim mit feinen Wurzeln in den Boden der mütterlichen Gebärmuttereingesenkt hat.Wirtschaft|[as<Dlla�<Dl1hundert Jahre Hieroglyphenforschung. Im Frühjahr 1922 warengerade 100 Jahre verflossen, seit es dem französischen ForscherChampollion gelang, endgültig den Charakter der ägyptischenHieroglyphen festzustellen und damit der ganzen Aegyptologie einesichere Grundlage zu geben. Langjährige Forschungen waren dieserEntdeckung vorausgegangen, angeregt durch den Stein von Rosette,der 1799 bei der ägyptischen Expedition Napoleons aufgefundenworden war. Er enthielt eine dreisprachige Inschrift, die zum Teilschon in den nächsten Jahren entziffert werden konnte, zum Teil aberallen Bemühungen, ihren Sinn zu erraten, trotzte. Das Geheimnis,das der Stein verbarg, lockte sofort viele Gelehrte: Jean FrancoisChampollion, der 1808 als Achtzehnjähriger Profestor für antike Ge-schichte an der Universität Grenoble geworden war, widmete sich derAufgabe, es zu enthüllen, mit unbezähmbarem Enthusiasmus. Erhatte schon als Kind arabisch und koptisch gelernt und 1814 ein Wertüber die geographischen Namen des alten Aegypten veröffentlicht.Champollion hatte bald einen unbestrittenen Crfolo, als er mit Hilfeeiniger, auf dem Rosettestein und auf anderen Inschriften gefundenen„Kartuschen", die, wie man wußte, die Namen ägyptischer Fürstenenthielten? den größten Teil des Hieroglyphenalphabetes feststellenkonnte. Anderthalb Jahre später erschien bereits das Werk, in demer das Ergebnis seiner Entzifferungen darstellte. Die deutsche For-schung hat später Champollion in einer zweibändigen Biographie daserste Denkmal gesetzt.IBtatSklHWVölkerkundeWieviel Petroleum birgt die Crd«? Während die Völker aufdie Kundgebungen des Friedens und der Versöhnung lauschten, dievon Genua erwartet wurden, sollen sich die dort versammelten„Mächtigen" dieser Erde angeblich hauptsächlich für das Problemjnterefsicrt haben, wie man die russischen Petroleumschätze am besten„verwestlichen" könne.Die Pctroleumfrage ist in den letzten Jahrzehnten, durch denAuwmobilismus nicht zum wenigsten, zu einer wahren Wcltfragegeworden, der, namentlich die Amerikaner, die Besitzer der größtenPetroleummengen, die intensivste Aufmerksamkeit schenken. Darumhaben sie sich von den Geologen schätzen lassen, wieviel des kostbarenErdöls— heute teurer als früher der edelste Wein!— noch ungehoben in den Erdschichten schlummern möge. Hierüber veröffent-Die Tibeter und der ZNount Everest. Die englische Expedition,die im vorigen Jahre den Mount Everest, den höchsten Berg derErde vergeblich zu ersteigen versuchte, ist wieder aus dem Marsche.Es dürfte anläßlich dieses Unternehmens interessieren, daß dieTibeter behaupten, es gäbe«inen geheimen Weg zum Gipfel desBerges, der ober nur dem obersten Lama des Pombo-Klosters amBerge bekannt sei. In alten Tagen hatten unten am Berge zweiLamas Klöster gebaut, das eine hing der altbuddhistischen Lehre an,das andere gehört« der reformerischen Pombo-Sekte. Die beidenAebte wetteten, wer zuerst mit Hilfe ihrer Heiligen den Gipfel deshohen Berges erreichen könnte. Der Pombo-Abt ging schon umMitternacht los, und er sicherte sich die Unterstützung der höherenMächte, indem er eine Gebetstrommel zwischen die Beine nahmund auf dieser fleißig trommelte. So war er, unermüdlich reitendund trommelnd, bei Tagesanbruch schon bis zur halben Höhe ge-langt; eine ganz tüchtige Leistung! Da erwachte der andere Abt,der bis dahin ruhig geschlafen hatte, aber er war nichts weniger alserschrocken. Mit einem kräftigen Gebet schwang er sich auf denersten Strahl der eben aufgehenden Sonne, und in einer Sekundestand er oben auf dem Berge im vollen Sonnenschein. Weit entfernt,aus diesem Siege intoleranke Folgerungen zu ziehen, lobte er denKonkurrenten wegen seines Eifers und erlaubte ihm, bis zur halbenHöhe des Berges ein Kloster zu bauen.In der Tat befindet sich heute noch da oben, wenn auch nicht geradein halber Höhe, ein Kloster der Pombo-Sekte, in dem 24 Lamasund 30 Nonnen ihr« Gebetsmühlen drehen. Die Geschichte lehrtjedenfalls, daß man diesen Berg, den die Tibet« Chomo-kang-karod«„Königin des weigen Schnees" nennen, schon lange als derhöchste Berg des Himalaya angesehen wurde. Der Montblün.' hatlange warten müssen, bis man ihn als den höchsten Alpengipfelanerkannte; bis vor etwa 150 Iahren dachte man allgemeig, diehöchste Erhebung der Alpen wäre der Sankt Gotthard.