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ordnung. Die leichte hölzerne Bauart, ble erst allgemein im 16. Jahrhundert der steinernen wich, beförderte wegen ihrer großen Feuergefährlichkeit den Wohnungsmangel, denn ein Brand fand in ben Stroh bzw. Schindeldächern Nahrung zu weitestem Umsich greifen. Die Chroniken des Mittelalters melden häufig, daß bei der dürftigen Löschhilfe ganze Städte eingeäschert wurden. Daß in solchen Fällen die dann eintretende fürchterliche Obdachlosigkeit nur durch noch größere Sterblichkeit, verursacht durch die unaufhörlichen Seuchen und Hungersnöte, gemildert wurde, hat doppelt Tra­gisches. Die Unsauberteit innerhalb der verräucherten Wohnungen ( die erst am Ende des 14. Jahrhunderts allmählich Schornsteine erhielten) und in denen die vielltöpfige Familie tagsüber in einem Raume beisammen hockte, die engen, feuchten Höfe sowie der tiefe Morast in den Straßen haben zur Ausbreitung anstecender Krank­heiten nicht wenig beigetragen.

Die zweite riesige Entvölkerung nebst Zerstörung zahlllofer Wohnstätten brachte der Dreißigjährige Krieg, nach dessen Beendigung die Städte so verarmt waren, daß an Neubauten lange Zeit nicht zu denken war. Selbst am Ausgang des 18. Jahrhun­derts war mancherorts noch nichts Ernstliches geschehen, um den Mißständen, unter denen besonders die Studenten in den über­Mißständen, unter denen besonders die Studenten in den über füllten Universitätsstädten litten, zu steuern. Alls Johann Heinrich Voß   im Sommer 1782 als Reftor nach Eutin   übersiedelte, findet er folgendes Idyll" vor: Unser Haus war noch unter des Fuhr­manns Schilderung. Oben in einem Loche schlief meine Mutter mit den drei Kindern und zwei Mägden. In das Loch gegenüber und ein Nebenloch, wo der Regen durchdrang, mußte der Meister der sieben freien Künste und sieben Sprachen fich einschmiegen; wollt er einen Sprung wagen, so stieß er mit dem Kopf an. In den Verschlägen der Küche und der Speisekammer war eben Platz für die Frau und ein paar Geschirre. Kein Keller, fein Hofraume Ihr Hauptzimmer war dem Kuhstall gegenüber, den der mitleidige Superintendent Wolff schon vor unserer Ankunft zur Aufnahme des abgeladenen Gepäcks ausgeschmückt; da saß die Dulderin mit den verzagten Kindern, die zurückwollten nach dem Garten in Ottern­ dorf  . Das schmale, bergab zur Viehtränke führende Gäßchen war

walt tätig war. Im Bunde mit ihm ging ein getaufter Jude Johann Pfefferkorn  , der als echter Renegat sich ganz be sonders zum Kampfe gegen feine einstige Glaubensgemeinschaft berufen fühlte, mit Schmähschriften gegen die Juden vor, und er. reichte auch, daß Kaifer Maximilian I. 1509 eine Berordnung erließ, wonach alle jüdischen Schriften, welche Schmähungen gegen das Christentum enthielten, verbrannt werden sollten. In anscheinend argloser Weise bat er Reuchlin  , deswegen eine Auswahl unter den jüdischen Schriften zu treffen, stellte ihm aber damit eine Falle. Reuchlin   lehnte es ab und riet zur Mäßigung gegen die Juden, wurde dann aber von dem Erzbischof von Mainz   um ein Gutachten in dieser Sache angegangen und ließ 1510 einen Ratschlag" er. scheinen, worin er nicht nur das Alte Testament, sondern auch den Talmud, die Kabbala   und viele andere verfehmte jüdische Schriften in Schuh nahm, überhaupt weitgehende Toleranz gegen die Juden pertrat. Das gab das Signal zu einer großen Polemit, die weit über den Rahmen der Judenfrage hinausging und die Frage des Glaubens und der Hierarchie ernstlich berührte. Reuchlin   murde von Pfeffertorn und dem Kölner   Dominikanerprior Jakob von Hoch straten der Bestechlichkeit, Fälschung, Betrügerei und Unwissenheit bezichtigt und ein Prozeß gegen ihn betrieben. Im Augenspiegel" wehrte er sich tapfer dagegen. Die Sache griff in immer weiteren Kreisen, auch weit über Deutschland   hinaus, um sich und erhielt durch Martin Luthers   erste reformatorische Schritte neue Nahrung. Nach mancherlei Wechselfällen tam endlich 1520 ein Vergleich zu­stande und der Prozeß wurde niedergeschlagen.

Reuchlin ging als Sieger hervor und wurde in einem ver. mutlich von Ulrich von Hutten   verfaßten Triumphliebe" sehr gefeiert. Auch kam die Bezeichnung Reuchlinisten" für die An­hänger der Aufklärung und religiöfen Toleranz auf. Und gar erst die" Briefe der Duntelmänner" zeugten von dem gewaltigen Ein­drucke, den die Sache hinterlassen hatte, sah man doch in dem Aus. M. Sch. gange einen Sieg wahrer Geistesfreiheit.

immer lebhaft und gleich der Zyklopenhöhle mit Dung überfät. Besuch einer Käferei in der Schweiz  .

In und nach den Napoleonischen Kriegen fehlte eben­falls das Geld zum Bauen. In der Biedermeierzeit suchte sich jeder so biel als möglich einzuschränken. Die eigentlichen Wohnzimmer Goethes, dem als Staatsminister eine Reihe von Repräsentations­zimmern zur Verfügung standen, waren denkbar einfach. Noch be­scheidener haufte allerdings Schiller an der Esplanade in Weimar  . Dort entstanden in einem Dachstübchen seine Werke Die Braut von Messina  ", Wilhelm Tell" und Demetrius  ". Ein besonderes Kapitel der Wohnungsnot bildeten die Behau­fungen der Geistlichen und Lehrer auf dem Lande, wo es ja noch heute in diesem Punkte trübe aussieht. Aus dem Jahre 1847-48, dem sogenannten Hungerjahre", erzählt der hannoversche Pfarrer Heinrich Adolph   über die Unterkunft seiner Eltern in Heiligenfelde ( Kreis Syfe), daß wegen Baufälligkeit des Hauses die Möbel volle fünf Jahre in Staub und Schmuß auf dem Heuboden hätten stehen müssen. Der Vorgänger meines Vaters, der als 83jähriger in dem Hause gestorben war, hatte seit Jahrzehnten nichts darin bauen und bessern lassen, und als wir dort einzogen, waren selbst nicht einmal die Wände neu mit Kalf gestrichen, und die vielen Löcher im Fußboden geflicht. Und doch nannte der Finanzminister Hanse­mann, bekannten Andenkens von 1848, dessen Vater der zweite Vorgänger meines Vaters gewesen war, und der fast jedes Jahr uns und feine alte Heimat einmal besuchte, dieses Haus das Idcal eines Pfarrhaufes" und zwar nicht etwa im Scherz, sondern in

vollem Ernst."

In welch ganz anderem Lichte erscheint nach diesen paar Broben bie gute alte Zeit"! Natürlich wohnte der Wohlhabende beffer, als hier furz angedeutet worden ist, aber die Elendsquartiere, in denen der arme Mann früher sein von der Sozialhygiene noch faum berührtes Dasein zubringen mußte, waren denn doch weit menschen­unwürdiger als in unseren Tagen.

Bon M. Aria.

Ueber den Ort Wohlen   steige ich nach lettligen hinauf: Bon weitem schon grüßen helle freundliche Bauernhäuser, tommt man näher, sieht man zwei große Schulgebäude, ein hübsches Gasthaus und moderne Billen, die Arzt und Lehrer gehören. Ich bedaure, den Leser nur durch meine Beschreibung in dies Schlaraffenland führen zu können, doch möge es ihn trösten, daß auch ich noch nie Aehnliches sah vorher und mich auch nur vorübergehend in dem gelobten und geliebten Schweizer   Lande befinde.

Nun trat ich in diese Käserei, und meines Staunens war fein Ende. Vor allem: diese Sauberkeit! Zwei Riesenfupferbehälter, hier Kessi" genannt, erstrahlten so wunderbar rosig- blant, daß ich fragte, ob fie ganz neu seien und die Antwort erhielt, sie dienten ununterbrochen felt 15 Jahren! Während der Kriegszeit konnte der Käser, der mir in zuvorkommendster Weise alles zeigte, mit seinen zwei Gehilfen tägich drei bis vier riesengroße Emmentaler   Käfe im Gewicht von zirka je 90 Rilo fabrizieren in diesem Sommer fann er nur zwei, höchstens drei Käse fertigstellen, da die Milch­produktion durch die schwere Zeit der Maul- und Klauenfeuche arg gesunken ist, und die Käser deshalb auch noch an die städtische Berner Milch- Zentrale von der Vollmilch abliefern müssen.

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Und doch verwendet man zur Fertigstellung von zwei Räsen allmorgendlich zirka 3000 bis 4000 Liter Milch, die nur ganz wenig für die Butterfabrikation abgerahmt werden. Es bedarf nur weniger in Flüssigkeit gelöster Kälbermagen, um in 30 Minuten die ganze Milch in dicken Zustand zu versehen. Dann wird sie durch elektrischen Betrieb in den Kupferkessi", bei der durch die Rotation erzeugten Temperatur von 43 Grad Reaumur, in Be

Ein Vorkämpfer der religiösen Toleranz. wegung gehalten, bis sie reif" ist für die großen Holzplatten und

Am 30. Juli find 400 Jahre vergangen, seit der große deutsche Räder, in denen der Käse nun unter starter Bresse während vier. Gelehrte Johann Reuchlin  , genannt Kapnio, im Babe undzwanzig Stunden seine Form erhält. Hernach kommen die Käse Liebenzel im 67. Lebensjahre seine Tage beschloß. Er ge- für nochmals vierundzwanzig Stunden in den gleichen Holzfermen hörte zu den Hauptvertretern des Humanismus, jener großen wissen- in einen fühlen Kellerraum, bevor sie dann ohne die umrahmenden schaftlichen Bewegung, die mit der Wiederbelebung des Blassischen Formen, je zwei aufeinander, in startem Salzwasser gebadet Altertums neuen Aufschwung in das Geistesleben brachte und der werden. Drei Tage lang dauert das Bad, dann erst gelangen fle Reformation die Bahn ebnete. auf die großen Börte, die in zwei Etagen an den Wänden der Aus feinem reichbewegten Leben wollen wir nur eine berühmte schmalen, tiefen, elektrisch beleuchteten Kellerräume stehen. Da Episode hervorheben. Reuchlin  , eine ernste, stille Denfernatur, er­warb sich besonders große Verdienste um die Sprachforschung, um werden die Käse dick mit Salz belegt, denn das Calz zieht in ste die Kenntnis der antifen, namentlich auch der orientalischen Geistes- hinein und gibt ihnen das gute Aroma. Nach und nach bildet sich schähe und um das Studium des Hebräischen. In auffallendem die zarte äußere Rinde, indem alle zwei Tage jeder Käse ge­Maße verband er mit dem Hange zu Freifinn und Aufklärung einen bürstet und gewaschen wird, um danach immer auf der solchen zum Mystischen, befaßte sich mit den Geheimlehren der gleichen Oberseite mit neuem Salz belegt zu werden, weil er sonst Juden, gegen die er gleich den meisten Gelehrten jener Zeit anfangs und ohne das Bürsten gleich grün würde und voll Fäuinis. Die ftart eingenommen war, und verfaßte eine bedeutsame Schrift untere Seite muß immer trocken gehalten werden und nicht mit dem über die Kabbalistische Kunst. Dann unterzog er die Schriften der Bibel, namentlich die des Alten Testaments  , einer gründlichen Kritik Salz in Berührung kommen, da sie sonst schimmelig würde. Das oder suchte den von der Kirche oft verfälschten Urtext wiederherzu- alte Salz wird zum Badewasser für neuen Käse verwendet. stellen, bereitete überhaupt dem Papsttum durch seine freien An­schauungen viel Berlegenheit.

Deswegen fuchten ihn besonders die Dominikaner   unschädlich zu machen, für deren mächtigen Orden Reuchlin   eine Zeitlang als An­

Der nun folgende Kellerraum dient für eine. acht- bis zehna wöchige Lagerzeit; hier ist durch Dampfteffel eine Wärme­temperatur von 18 Grad R. erzeugt und dadurch bilden sich die durchs Salz begonnenen berühmten Löcher" der Käse aus!